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Hautveränderungen als Notfall
Jatros
Autor:
Dr. Aikaterini Tsiogka
Autor:
OA Dr. Josef Koller
Universitätsklinik für Dermatologie, LKH Salzburg<br>E-Mail: j.koller@salk.at
30
Min. Lesezeit
16.05.2019
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<p class="article-intro">Bisweilen wird die Dermatologie nicht als typisches Notfallfach gesehen. Es existiert aber eine durchaus breite Palette mittel- und unmittelbar lebensbedrohlicher Erkrankungen, die entweder vom Hautorgan selbst ausgehen oder bei denen die Hautmanifestation das erste und entscheidende Symptom eines vital bedrohlichen Zustandsbildes sein kann. In diesem Artikel werden vier Beispiele dazu vorgestellt.</p>
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<p class="article-content"><p>Bei den primären akut bedrohlichen Hauterkrankungen handelt es sich unter anderem um Erreger-bedingte Erkrankungen wie z. B. nekrotisierende Haut- Weichteil-Infektionen mit septischem Schock, das „Staphylococcal scalded skin“(SSS)-Syndrom und das Eczema herpeticum oder coxsackium, weiters um Typ-I-Allergien wie Quincke-Ödem oder Anaphylaxie, Arzneimittel-bedingte Hautreaktionen mit Systembeteiligung wie „drug rash with eosinophilia and systemic symptoms“ (DRESS), akute exanthematische Pustulose (AGEP) und toxische epidermale Nekrolyse (TEN). Darüber hinaus kann es durch exogene Noxen wie Insekten-, Spinnen-, Schlangenbisse etc. und physikalische Schäden (Combustio, Congelatio) zu bedrohlichen Situationen kommen.<br /> Hautsymptome vital bedrohlicher Systemkrankheiten, die sofortige Maßnahmen erheischen, sind z. B. manche Purpuraformen, insbesondere die „retiforme“ Purpura als Ausdruck einer akut verlaufenden Mikrothrombosierung unter anderem im Rahmen der disseminierten intravasalen Koagulation (DIC), einer Vaskulitis mittelgroßer Gefäße, aber auch der Kalziphylaxie.<br /> Wir besprechen im Folgenden vier Beispiele akut auftretender Notfälle, bei denen die sofortige Diagnose und Einleitung von Akutmaßnahmen lebensrettend sein können.</p> <h2>Akute Haut-Weichteil-Infektionen mit septischem Schock</h2> <p>Diese im allgemeinen Sprachgebrauch als „nekrotisierende Fasciitis“ (ein morphologisch kaum je zutreffender Begriff) bezeichnete bakterielle Infektion der Haut und Weichteile kann in Abhängigkeit von der Virulenz und der Art der Erreger binnen weniger Stunden tödlich verlaufen und zählt damit neben der Meningokokkensepsis zu den derzeit gefährlichsten bakteriellen Infektionskrankheiten des Menschen. Als Erreger kommen neben Staphylococcus aureus vor allem betahämolysierende Streptokokken der Gruppe A (GAS) infrage, die ein „streptococcal toxic shock toxin“ produzieren können, das als sogenanntes Superantigen agiert, welches T-Lymphozyten unspezifisch aktivieren kann und damit eine massive Zytokin-Ausschüttung (IL-1, IL-6, TNF-α etc.) bewirkt, was die septische Symptomatik einerseits über ein generalisiertes „Capillary leak“-Syndrom und andererseits über eine schlagartige Aktivierung der endogenen, intravasalen Gerinnungskaskade und eine daraus resultierende Mikroinfarzierung der Haut und Weichteile hervorruft, welche die typische Initialsymptomatik in Form massiver, ischämischer Schmerzen (Hautinfarkt) erklärt.<br /> Wir konnten in den letzten Jahren neben den grampositiven Erregern auch eine breite Palette an Infektionen mit gramnegativen Keimen (E. coli, Klebsiella, Serratia etc.) beobachten, die mit einem perakuten, septischen Schockgeschehen einhergingen und häufig letal endeten. Neben dem Initialsymptom der lokalen, heftigen ischämischen Schmerzen, die oft, aber nicht obligat mit allgemeinen Sepsiszeichen einhergehen können (Blutdruckabfall, Verwirrtheit, respiratorische Insuffizienz, DIC etc.), kann eine Vielzahl von lokalen Hautsymptomen beobachtet werden, die von Cellulitis-artigen Erysipelen über livide und zum Teil retiforme Erytheme und Einblutungen bis zu einer Blasenbildung und manchmal auch Schwellung der gesamten betroffenen Extremität reichen können. Bei perakutem Verlauf mit drohendem oder bereits manifestem septischen Schock darf keine Zeit durch bildgebende Maßnahmen (wie CT, MRI etc.) verschwendet werden. Vielmehr sind eine Sofortinzision und eine Inspektion der betroffenen Haut und Weichteile bis zur darunterliegenden Faszie erforderlich. Häufig finden sich Eiterstraßen bzw. bierschaumartiges Exsudat in einem bräunlich verfärbten, subkutanen Fettgewebe. Eminent bedeutend ist eine sofortige Erregerdiagnostik sowohl kulturell als auch durch Direktfärbungen am Objektträger. Eine radikale Nekrektomie des gesamten betroffenen Areals muss unmittelbar anschließend durchgeführt werden. Die septische Symptomatik erheischt die Unterbringung dieser Patienten an einer Intensivstation mit entsprechenden Überwachungsmöglichkeiten (Abb. 1–3).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Derma_1902_Weblinks_jatros_derma_1902_s46_abb1-4_koller.jpg" alt="" width="2150" height="1710" /></p> <h2>Bedrohliche Systemreaktionen durch Arzneimittel</h2> <p>Neben der toxischen epidermalen Nekrolyse (TEN) können „drug rash with eosinophilia and systemic symptoms“ (DRESS) in bis zu 10 % und seltener „acute generalized exanthematous pustulosis“ (AGEP) letal bedrohlich verlaufen. Beide Erkrankungen gehen neben einem eher makulopapulösen (DRESS) bzw. erythematös- mikropustulösen (AGEP) Exanthem potenziell mit einem „Capillary leak“-Syndrom einher, das die typischen, vor allem im Gesicht und an den oberen Extremitäten ausgeprägten Ödeme als Folge der erhöhten Gefäßpermeabilität mit konsekutiver Verlagerung von Plasma in das Interstitium zeigt. AGEP (Abb. 4) wird häufig von Antibiotika ausgelöst und oft schon wenige Tage nach Einnahmebeginn des auslösenden Medikamentes manifest, wohingegen DRESS oft eine wesentlich längere Latenz (mehrere Wochen) aufweist und unter anderem auch durch das für Dermatologen wichtige Dapson, aber auch von Checkpoint-Inhibitoren, die im Rahmen der Melanomund Plattenepithelkarzinomtherapie Verwendung finden, verursacht sein kann. Die TEN (Abb. 6), die typischerweise von Allopurinol, Antikonvulsiva, NSAR und Antibiotika ausgelöst wird, zeigt (so wie das differenzialdiagnostisch wichtige SSS-Syndrom, Abb. 5) häufig ein unspezifisches Prodromalstadium mit Krankheitsgefühl und später makulösen, teilweise schmerzhaften Erythemen.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Derma_1902_Weblinks_jatros_derma_1902_s47_abb5+6_koller.jpg" alt="" width="2150" height="824" /></p> <h2>Das SSS-Syndrom</h2> <p>Dieses kommt – eher selten – auch bei Erwachsenen vor, zeigt typischerweise keinen Schleimhautbefall und bedarf bei unklarer klinischer Präsentation einer histologischen Untersuchung mit Schnellschnitt, weil die Kausaltherapie und die Ursachenbeseitigung bei SSS und TEN völlig unterschiedlich sind, während sich die lokale Therapie sowohl bei TEN als auch bei SSS an der Behandlung zweitgradiger Verbrennungen orientiert.</p> <h2>Quallenverletzungen</h2> <p>Quallen sind durch den Besitz von Nesselzellen gekennzeichnet, die über fadenförmige Ausstülpungen (Cnidocil) verfügen und einen spiralig aufgewickelten Nesselfaden enthalten. Eine Berührung beispielsweise mit der Haut des Schwimmers bewirkt eine Aktivierung der Nesselzellen, wobei durch die Entstehung eines enormen intrazellulären Drucks (200 Atmosphären!) eine explosionsartige Ausstülpung der dort enthaltenen Nesselfäden hervorgerufen wird. Wie mikroskopisch kleine Harpunen durchbohren diese sodann die Haut des Menschen und injizieren ihr Nesselgift. Es besteht aus verschiedenen Proteinen, die zellauflösend (zytolytisch) und nervenschädigend (neurotoxisch) wirken und die Quallenstich- Symptome auslösen.<br /> Während Quallenstichverletzungen hauptsächlich Hautreaktionen und Schmerzen verursachen, sind die Toxine der Würfelqualle (Chironex fleckeri, vorkommend im westlichen Pazifik, besonders vor der Nordostküste Australiens) und der Portugiesischen Galeere (Physalia physalis; westliches Mittelmeer, tropisch- subtropische Meere) besonders gefährlich und für dokumentierte Todesfälle verantwortlich. Weitere gefährliche Vertreter sind die Leuchtqualle (Mittelmeer, tropischer und subtropischer Atlantik), die Feuerqualle (Nordsee, Ostsee, Atlantik und Pazifik) und die Kompassqualle (Pazifik, tropischer und subtropischer Atlantik). Obwohl viele Quallen Hochseebewohner sind, landen sie immer wieder auch in hoher Zahl durch die Meeresströmungen in Strandnähe. Am Mittelmeer kommen derartige Quallenplagen üblicherweise vor allem im August vor.<br /> Die Hautläsionen sind zumeist brennende, oft streifenförmige urtikarielle Eruptionen, die einer Verbrennung ähneln und innerhalb einiger Tage verschwinden. Bei Verletzungen durch sehr kleine Quallen ist das Exanthem eher makulös. Gelegentlich entstehen jedoch auch tiefergehende Hautläsionen, die unter Narbenbildung und Pigmentverschiebungen abheilen und gegebenenfalls eine lokale Atrophie des subkutanen Fettgewebes hinterlassen. An Systembeschwerden können Juckreiz, Schwindel, Kopfschmerzen, Angst oder sogar schwere anaphylaktische Reaktionen auftreten.<br /><br /> <strong>Maßnahmen bei Quallenverletzungen</strong><br /> Folgende Maßnahmen werden zur Behandlung einer Quallenverletzung empfohlen:</p> <ul> <li>Verlassen des Wassers</li> <li>Inaktivierung der Nesselzellen: Die Applikation von Weinessig oder Meerwasser verhindert die Aktivierung von noch verbliebenen Nesselzellen. Da der Kontakt mit Süßwasser einen starken Auslöser für die Giftinjektion darstellt, sollte man keinesfalls Süßwasser (z. B. von der Dusche!) oder Alkohol verwenden.</li> <li>Mechanische Entfernung der Tentakel, z. B. sanfte Reibung mit Sand</li> <li>Kühlen des betroffenen Areals und nach der ersten Kühlung abwechselnd Essigkompressen und Eiswickel oder auch lokale Kortikosteroide</li> <li>Orale Antihistaminika und Schmerzmittel können die systemischen Beschwerden lindern.</li> <li>Sollten größere Hautflächen vom Quallenstich betroffen sein, sehr starke Schmerzen auftreten, sich Anzeichen eines allergischen Schocks zeigen oder Hinweise eines Stichs durch besonders gefährliche Quallenarten bestehen, sollte man einen Arzt aufsuchen.</li> <li>Für die Behandlung von Quallenstichen durch Würfelquallen steht (in Australien) ein Antiserum zur Verfügung.</li> </ul></p>
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