
Haarausfall im Rahmen von onkologischen Systemtherapien
Autor:
Dr.med. Lukas Krähenbühl1,2
1 Dermatologische Klinik am Universitätsspital in Zürich
2 Privatpraxis c/o Dermis Seefeld, Zürich
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Alopezie ist eine häufige Nebenwirkung der meisten systemischen Tumortherapien, einschliesslich Chemotherapie, Hormontherapie und gezielter Therapie. Sie kann Selbstwertgefühl und Lebensqualität der Patienten ernsthaft beeinträchtigen und sowohl während als auch nach der Behandlung erhebliches Leid verursachen. Das Risiko, Alopezie zu entwickeln, sowie deren Schweregrad variieren stark je nach Art der Behandlung und spezifischem Behandlungskonzept. Beides ist dosisabhängig. Darüber hinaus wird das Muster des Haarausfalls durch das auslösende Medikament bestimmt.
Die klinischen Symptome können von leicht ausgedünntem Haar (Abb. 1) durch die reduzierte Dicke einzelner Haarschäfte bis hin zur akuten Alopezie führen, die in einer totalen Alopezie münden kann. Insbesondere bei Hormonbehandlungen und bestimmten gezielten Therapien wird ein klinisches Muster der androgenetischen Alopezie beobachtet. Chemotherapie-induzierte Alopezie ist typischerweise in Bereichen mit geringerer Follikeldichte, einschliesslich der Stirn und des Scheitels, besonders augenfällig. Das bevorzugte Klassifizierungsinstrument für Alopezie bei Krebspatienten ist die «Common Terminology Criteria for Adverse Events»(CTCAE)-Klassifikation, die jedoch nur zwischen zwei Stufen unterscheidet: G1 (erkennbarer Haarverlust, der weniger als 50% der Haare betrifft) und G2 (Verlust von mehr als 50% der Haare). Um das Leiden der Patienten, das mit Alopezie verbunden ist, genauer zu quantifizieren, kann die psychometrische Skala «Chemotherapy-Associated Distress Scale» (CADS) oder PRO-CTCAE verwendet werden.
Abb. 1: a und b = Chemotherapie (links Baseline, rechts nach 6 Monaten); c und d = endokrine Therapie (links Baseline, rechts nach 12 Monaten)
Chemotherapie
Chemotherapeutika (Tab. 1) wirken, indem sie gezielt sich teilende Zellen wie Tumorzellen angreifen und dabei auch gesunde Zellen mit schneller Zellteilung – einschliesslich in den Haarfollikeln – schädigen. Die Wirkung der Chemotherapie auf die Haarfollikel und letztendlich die Alopezie hängt vom chemotherapeutischen Wirkstoff und vom Zeitpunkt im Haarzyklus ab. Die klinischen Symptome reichen von Anagen-Effluvium mit anschliessender nahezu vollständiger Erholung bis hin zu dauerhafter, durch Chemotherapie induzierter Alopezie mit schwerer Beeinträchtigung der Haar-Stammzellen. Darüber hinaus werden häufig Veränderungen der Haarstruktur beschrieben, wie zum Beispiel zuvor glattes Haar, das nach der Therapie kraus wächst oder umgekehrt. Neben den Terminalhaaren auf der Kopfhaut können auch Augenbrauen, Wimpern und andere Körperbehaarung betroffen sein.
Die Beratung von Patienten über durch Chemotherapie induzierte Alopezie vor Beginn der Behandlung ist von entscheidender Bedeutung und wird es ihnen ermöglichen, sich darauf einzustellen, einschliesslich der potenziellen Vorbereitung von Perücken für Zeiten schwerer Alopezie. Darüber hinaus können präventive Massnahmen und reaktive Behandlungen besprochen werden. Die Prävention der Alopezie kann beim Einsatz von Chemotherapie versucht werden. Die Kühlung der Kopfhaut (Scalp Cooling) besteht aus einer kontrollierten Hypothermie der Kopfhaut während der Chemotherapie und soll durch reaktive Vasokonstriktion der die Haarfollikel versorgenden Gefässe wirken, wodurch die Exposition der letzteren gegenüber den toxischen Wirkstoffen vermindert wird. Der Einsatz bei Taxanen hat sich als besonders vorteilhaft erwiesen, mit begrenzten positiven Daten bei bestimmten anderen Chemotherapiearten. Gefrorene Eiskappen werden häufig verwendet; jedoch sollten aufgrund des Risikos von Erfrierungen und schlechter Temperaturkontrolle automatisierte Geräte, die eine kontrollierte und standardisierte Kühlung bieten (z.B. Paxman®, Dignicap®), bevorzugt werden. Darüber hinaus muss die Indikation für die Kopfhautkühlung individuell mit den Patienten besprochen werden. Eine marginale Anzahl von Fällen mit Metastasen der Kopfhaut wurden berichtet. Ein Zusammenhang mit der postulierten Minderperfusion durch die Skalp-Hypothermie kann hier letztlich nicht ausgeschlossen werden.
Zielgerichtete Therapien
Bei der zielgerichteten Therapie ermöglicht das verbesserte molekulare Verständnis von Tumoren, einschliesslich onkogener Mutationen, die zunehmende Verwendung von kleinen Molekülen (siehe z.B. Tab.2), die diese Ziele hemmen, oder den Einsatz von monoklonalen Antikörpern gegen Letztere. Das Spektrum dieser Medikamente und ihrer Ziele ist umfangreich, ebenso wie das Spektrum der mit ihnen assoziierten Alopezie. Zum Beispiel führen Smoothened-Inhibitoren, die zur Behandlung von inoperablem Basalzellkarzinom eingesetzt werden, häufig zu Alopezie, wobei Vismodegib bei einer Mehrheit der Patienten Alopezie verursacht, andere Wirkstoffe derselben Klasse hingegen in geringerer Häufigkeit. Auch wurde gezeigt, dass mehrere Tyrosinkinase-Inhibitoren Alopezie verursachen, einschliesslich PanRAF-Inhibitoren und BRAF-Inhibitoren (häufig verwendet bei fortgeschrittenem BRAF-mutiertem Melanom), mit Inzidenzen zwischen 15% und 25%. Brustkrebspatientinnen, unter anderem, werden häufig mit CDK4/6-Inhibitoren behandelt. Diese verursachen Alopezie als Monotherapie und verstärken deutlich die Toxizität von gleichzeitig gegebenen Aromatase-Inhibitoren, einschliesslich der Inzidenz von G2-Alopezie.
Endokrine Therapie
Innerhalb der endokrinen Therapie (vgl. Tab. 3) sind Aromatase-Inhibitoren oder Tamoxifen entscheidend in der Behandlung von Frauen mit Hormonrezeptor-positivem Brustkrebs. Patientinnen bringen Hormontherapien selten vor Behandlungsbeginn mit Alopezie in Verbindung (im Gegensatz zur Chemotherapie) und erhalten seltener eine Beratung zur Alopezie vor und während der Behandlung. Dennoch kann bis zu einem Drittel der Patientinnen von einer Alopezie Grad 1 betroffen sein, oft in einem androgenetischen Muster. Darüber hinaus verdoppelt sich die Inzidenz bei gleichzeitiger Anwendung von CDK4/6-Inhibitoren. Wichtig ist, dass Alopezie aufgrund der Hormontherapie später in der Behandlung auftritt, mit einer mittleren Zeit bis zur detektierten Alopezie von über einem Jahr.Bei allen Arten von Alopezie, die durch Krebsbehandlungen verursacht werden, sollte eine symptomatische Behandlung mit Minoxidil in Betracht gezogen werden. Es kann topisch als 5%ige Lösung oder Schaum einmal bis zweimal täglich auf die Kopfhaut – und bei Bedarf auf die Brauen – aufgetragen werden. Abhängig von der Präferenz des Patienten kann alternativ eine orale Gabe von Minoxidil 1,25mg täglich versucht werden, wobei dies eine Off-Label-Indikation ist. Bei oralem Minoxidil ist Hypertrichose häufig und gelegentlich kann es zu Knöchelödemen kommen. Für Wimpern können Bimatoprost oder Latanoprost Augentropfen topisch aufgetragen werden (in den USA von der FDA als Latisse® zugelassen), die sowohl die Anzahl als auch die Länge der Wimpern erhöhen sollten. Schliesslich sollte im Fall einer Entzündung auf der Kopfhaut (möglich bei zielgerichteten Therapien, selten bei Chemotherapie) Differenzialdiagnosen ausgeschlossenund entzündungshemmende topische Therapien wie Kortikosteroide oder Calcineurin-Inhibitoren verschrieben werden.
Zusammenfassend ist Alopezie eine wichtige Komplikation vieler Krebsbehandlungen. Ihr Einfluss auf die Lebensqualität der Patienten sollte durch Beratung, Prophylaxe, wo verfügbar, und angemessene Behandlung gemindert werden.
Literatur:
● Freites-Martinez A et al.: Hair disorders in cancer survivors. J Am Acad Dermatol 2019; 80(5): 1199-213 ● Trüeb RM: Chemotherapy-induced alopecia. Curr Opin Support Palliat Care 2010; 4(4): 281-4 ● Freites-Martinez A et al.: Endocrine therapy-induced alopecia in patients with breast cancer. JAMA Dermatol 2018; 154(6): 670-5
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