
Frauenhaut wird anders krank, Männerhaut auch
Bericht: Ines Schulz-Hanke
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Asthma wird bei Mädchen später diagnostiziert als bei Jungen, Parkinson und Harnblasenkarzinom bei Frauen später als bei Männern. Auch ein Myokardinfarkt wird bei Frauen immer noch weniger oft vermutet, genau wie die Osteoporose bei Männern. Ebenso könnte die benötigte Medikamentendosis in beiden Gruppen variieren. Geschlechtsspezifische Unterschiede wirken sich auch in der Dermatologie auf Diagnostik und Therapie aus.
Keypoints
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Frauen und Männer unterscheiden sich hinsichtlich der Häufigkeit und Ausprägung dermatologischer Erkrankungen.
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Zu den Ursachen zählen genetische, metabolische und hormonelle Unterschiede, aber auch verschiedene berufliche Belastungen und soziale Erwartungen.
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Mehr geschlechts- und genderspezifische Studien können zu einer individuelleren und besseren Versorgung beitragen.
Die Gendermedizin ist ein Teil der personalisierten Medizin, erklärte Prof. Dr. med. Christiane Bayerl, Wiesbaden, im Rahmen der Tagung der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft 2025 in Berlin.1 Sie müsse nicht nur das biologische, sondern auch das soziale Geschlecht berücksichtigen, da auch die gesellschaftlichen Erwartungen Rollen prägen. «Möglichst lange gesund sein, bevor wir aus dem Leben scheiden», das sei ein Wunsch aller. Tatsächlich sieht es diesbezüglich jedoch für Frauen schlecht aus: Vor dem Tod sind Männer im Schnitt 9 Jahre krank, Frauen über 12 Jahre (Abb. 1).2
Abb. 1: Vor ihrem Tod sind Frauen über 3 Jahre länger krank als Männer. In Deutschland ist diese Differenz ausgeprägter als in anderen Ländern (modifiziert nach Garmany A et al. 2024)2
Nicht die gleiche Hülle
Die Männerhaut ist dicker (um 16%) als Frauenhaut, hat grössere Talgdrüsen und daher in jedem Alter mehr Oberflächenlipide. Entsprechend findet man bei Männern häufiger den seborrhoischen Hauttyp. Der transepidermale Wasserverlust (TEWL) ist geringer, allerdings sinkt die Hydratation auch bei Männern ab dem 40. Lebensjahr. Der pH-Wert männlicher Gesichtshaut ist niedriger, die Keimzahl höher, ebenso der Kollagengehalt.3 Zudem verfügt sie über eine höhere Viskoelastizität, doch heilen Wunden bei Männern schlechter, und es bilden sich schneller Saugblasen. Das Vibrationsempfinden und die konsekutive Reduktion des Blutflusses ist bei Männern geringer als bei Frauen, wie auch das Temperaturempfinden, berichtete Bayerl.4
Altersbedingte Stirnfalten treten bei beiden Geschlechtern erst ab 40 Lebensjahren auf,5 bei Männern sind sie jedoch bis zum 60. Lebensjahr ausgeprägter, periorale Falten dafür geringer als bei Frauen.6
Gerne schön und unterschiedlich UV-empfindlich
Inzwischen lasse sich eine deutlich steigende Nachfrage nach ästhetisch-rekonstruktiven Massnahmen bei Männern beobachten, zwischen 1997 und 2014 stieg sie um 273%.7 Jeder 6. Patient in der plastischen Chirurgie ist ein Mann, stellte Bayerl fest. An erster Stelle stehen Blepharoplastiken, dann folgen Liposuktion, Behandlungen mit Botulinumtoxin und die Therapie der Hyperhidrose. Ausserdem werden abstehende Ohren angelegt und Haare transplantiert.
UV-Exposition verursacht bei Männern und Frauen unterschiedliche Probleme: So entwickeln Männer an (neu) UV-exponierten Stellen wie an den «Geheimratsecken» aktinische Keratosen.8 Bei Frauen kommt es hormonell bedingt, auch durch die Einnahme der Pille, häufiger zur Bildung von Melasmen.9
Topisches Östrogen ist laut Bayerl eine klinisch gut wirksame Option für Frauen, die histologisch nachgewiesen zu einem deutlichen Kollagenneuaufbau führt.10 Auch bei Männern wirkt diese lokale Therapie, bei ihnen jedoch schlechter. Insgesamt ist sie allerdings nur in der UV-geschützten Haut effektiv, beispielsweise im verlängerten Lendenwirbelsäulen-Bereich. Wie Bayerl erklärte, lässt sich die Hautalterung in stark UV-geschädigter Haut, etwa im Gesicht oder auch am Unterarm, durch eine Östradiol-Creme nicht zurückschrauben.11
Dermatosen mit geschlechts-spezifischer Ausprägung
In einer Übersicht stellte Bayerl dar, dass Männer häufiger an Infektionserkrankungen leiden, während Frauen öfter Autoimmun- und Haarerkrankungen, Hyperpigmentierungen, allergische Erkrankungen, chronische Urtikaria und psychosomatische Störungen entwickeln.12,13
Männer tragen infolge einer UV-induzierten Immunsuppression ein höheres Melanomrisiko als Frauen, berichtete sie. Dies hat sich mithilfe des Mendel-Mantoux-Tests (Tuberkulin-Test) als Modell für die Hautimmunität nachweisen lassen.14 Diese wird bei Männern durch UV-Bestrahlung stärker unterdrückt als bei Frauen. Die Entstehung maligner Melanome (MM) sei deshalb bei Männern stärker UV-abhängig. Sie werden später entdeckt, sind mit einem höheren Sterberisiko und einem aggressiveren Verlauf verbunden sowie mit Ulzerationen und Lymphknotenbeteiligung. Alleinstehende Männer sind besonders gefährdet.15,16
Geschlechtsaspekte bei Berufskrankheiten
An allergisch-obstruktiven Atemwegserkrankungen als Berufskrankheit erkranken Männer häufiger als Frauen. Auch die Auslöser unterscheiden sich, wie Bayerl ausführte: So seien bei Männern hauptsächlich Holzkomponenten, Stäube oder Farben verantwortlich, bei Frauen Haarprodukte, Kosmetika oder Nahrungsmittel.17 An schwerwiegenden oder rezidivierenden Hauterkrankungen leiden mehr Frauen: insbesondere jene, die in Feuchtberufen und mit Desinfektions- und Reinigungsmitteln arbeiten. Bei Männern sind bevorzugt Öl- und Schmierstoffe die Auslöser von Handekzemen (Abb. 2).17
Abb. 2: Anzahl bestätigter Fälle zweier Berufskrankheiten zwischen 2010 und 2014 in Deutschland. Allergisch-obstruktive Atemwegserkrankungen (Berufskrankheit [BK] 4301) treten bei Männern häufiger als Berufserkrankung auf als bei Frauen. Diese leiden hingegen öfter an schwerwiegenden oder rezidivierenden Hauterkrankungen (BK 5101; modifiziert nach Raulf M et al. 2017)17
Soziale Ansprüche
Auch gesellschaftliche Erwartungen können Dermatosen bei Frauen und Männern beeinflussen. Z.B. kann das Tragen geschlossener Hemdkrägen bei Männern zu Hautreizungen am Hals führen und der Wunsch nach Stärke und breiten Schultern zum Einsatz eiweissreicher Zusatzkost oder Anabolika verleiten. Letzteres kann die Therapie einer Akne erschweren.
Hormongesteuert bei Psoriasis: Therapieverträglichkeitund Symptome
Männer und Frauen unterscheiden sich auch bezüglich der Verträglichkeit von Medikamenten, etwa von Ciclosporin bei Psoriasis. Wie Bayerl anhand einer Studie zeigte, vertragen Frauen Ciclosporin besser, wenn sie einen hohen FSH-Spiegel haben, Männer, wenn sie einen hohen Dehydroepiandrosteron(DHEA)-Spiegel aufweisen.18 Darüber hinaus haben Frauen mit Psoriasis im Durchschnitt einen geringeren «Psoriasis Area and Severity Index»(PASI)-Score und seltener eine Nagelbeteiligung, jedoch häufiger Juckreiz, Depressionen, Herz-Kreislauf- und Stoffwechsel-Störungen. Allerdings mildern hohe Östrogenspiegel die Psoriasis bei Frauen. Auf eine Biologikatherapie reagieren sie häufiger mit Herpes und Pilzinfektionen, berichtete Bayerl.19
Dosisfindungsstudien sind laut Bayerl grösstenteils an Männern durchgeführt worden. Aktuell erhielten Frauen mit Psoriasis eher Lokaltherapien und kürzere systemische Therapien. Dies sei auf den möglichen Kinderwunsch bei jüngeren Frauen zurückzuführen. Gleichwohl gibt es Optionen, die auch in der Schwangerschaft eingesetzt werden könnten, betonte Bayerl.
Warum Genderstudien?
Zu den geschlechts- und genderspezifischen Unterschieden bei entzündlichen Dermatosen gibt je nach Krankheitsbild unterschiedlich viele Studien. Für die Psoriasis sind es laut Bayerl 49 Studien, für das Melanom8 und für Entzündungen, Infektionen und Autoimmunerkrankungen 5 Studien. Die Daten zeigen, dass Frauen auf Therapien meist schlechter ansprechen, allerdings gut auf Dupilumab.20 Um zu einem besseren Verständnis zu gelangen, braucht man also geschlechts- und genderspezifische Studien.
Weshalb Männer und Frauen an verschiedenen Dermatosen erkranken, erklärt man sich bisher über Unterschiede hinsichtlich der Hormone, des Körpergewichts, der Immunantwort sowie des Metabolismus und Lebermetabolismus. Zudem besteht ein Polymorphismus von Genen auf dem X-Chromosom und ein sexueller Dimorphismus der Hautimmunität, der sich auf angeborene lymphoide Typ-2-Zellen zurückführen lasse. Die Androgenproduktion führt zu einer Blockade im System der angeborenen lymphoiden Typ-2-Zellen und reguliert so die Immunabwehr herunter, konkret dendritische Zellen und T-Zellen. Dies ist bei Frauen nicht der Fall, sie sind deshalb immunologisch kompetenter, so Bayerl.21
Das Verhältnis zwischen Studienteilnahme und geschlechterspezifischer Prävalenz der untersuchten Krankheitsbilder sollte zwischen 0,8 und 1,2 liegen, erklärte Bayerl. Dies führt dazu, dass Männer und Frauen in einem Umfang repräsentiert werden, die der Krankheitsprävalenz in ihrem Geschlecht entspreche. Entgegen ihrer eigenen Erwartung sei die dermatologische Forschung hier durchaus fortschrittlich: Die geschlechtsspezifische Berücksichtigung bei den Krankheitsbildern Acne vulgaris, atopische Dermatitis, Basaliom und Melanom sowie bei der Antibiotikanutzung liegen durchaus im gewünschten Bereich, «bei der Psoriasis sind wir etwas schwach auf der Brust», so Bayerls Fazit. Hier könne man zukünftig noch etwas mehr genderspezifische Studien anlegen.22
Was Frauen wollen
Die Bedürfnisse von Patientinnen mit Psoriasis sind anhand von Daten aus dem deutschen PsoBest-Register ermittelt worden. Das Register bildet 24500 Krankheitsverläufe über 17 Jahre ab. In einer Studie wurden 2300 Frauen im gebärfähigen Alter (18–45 Jahre) mit einer Gruppe über 45-jähriger Frauen und einer Gruppe hinsichtlich des Alters passender Männer verglichen. Es zeigte sich, dass Frauen ein normales Berufsleben führen und sich in der Öffentlichkeit wohlfühlen wollen. Sie wünschen sich, in der Partnerschaft weniger belastet zu sein und ein normales Sexualleben zu haben.23 Dies sind basale Kriterien eines gesunden und glücklichen Soziallebens. Dermatologinnen und Dermatologen hätten die Kenntnisse dazu, diesen Anspruch zu erfüllen, so Bayerl.
Quelle:
«Frauenhaut und Männerhaut», Vortrag von Prof. Dr. med. Christiane Bayerl, Wiesbaden, im Rahmen der Session «Geschlechtersensible Dermatologie und skin of color» anlässlich der DDG-Tagung am 1. Mai 2025 in Berlin
Literatur:
1 Feijó LM et al.: Sex-specific effects of gender identification on pain study recruitment. J Pain 2018; 19(2): 178-85 2 Garmany A et al.: Global healthspan-lifespan gaps among 183 World Health Organization member states. AMA Netw Open 2024; 7(12): e24502413 Luebberding S et al.: Skin physiology in men and women: in vivo evaluation of 300 people including TEWL, SC hydration, sebum content and skin surface pH. Int J Cosmet Sci 2013; 35(5): 477-83 4 Luebberding S et al.: Mechanical properties of human skin in vivo: a comparative evaluation in 300 men and women. Skin Res Technol 2014; 20(2): 127-35 5 Luebberding S et al.: Quantification of age-related facial wrinkles in men and women using a three-dimensional fringe projection method and validated assessment scales. Dermatol Surg 2014; 40(1): 22-32 6 Tsukahara K et al.: Gender-dependent differences in degree of facial wrinkles. Skin Res Technol 2013; 19(1): e65-71 7 Farhadian JA et al.: Male aesthetics: a review of facial anatomy and pertinent clinical implications. J Drugs Dermatol 2015; 14(9): 1029-34 8 Salasche SJ et al.: Cycle therapy of actinic keratoses of the face and scalp with 5% topical imiquimod cream: An open-label trial. J Am Acad Dermatol 2002; 47(4): 571-7 9 Del Rosario E et al.: Randomized, placebo-controlled, double-blind study of oral tranexamic acid in the treatment of moderate-to-severe melasma. J Am Acad Dermatol 2018; 78(2): 363-9 10 Schmidt JB et al.: Treatment of skin aging with topical estrogens. Int J Dermatol 1996; 35(9): 669-674 11 Rittié L et al.: Induction of collagen by estradiol: difference between sun-protected and photodamaged human skin in vivo. Arch Dermatol 2008; 144(9): 1129-40 12 Chen W et al.: Gender aspects in skin diseases. J Eur Acad Dermatol Venereol 2010; 24(12): 1378-85 13 Kasperska-Zajac A et al.: Sex hormones and urticaria. J Dermatol Sci 2008; 52(2): 79-86 14 Damian DL et al.: UV radiation-induced immunosuppression is greater in men and prevented by topical nicotinamide. J Invest Dermatol 2008; 128(2): 447-54 15 Erikson H et al.: Later stage at diagnosis and worse survival in cutaneous malignant melanoma among men living alone: a nationwide population-based study from Sweden. J Clin Onkol 2014; 32(13): 1356-64 16 Liu-Smith F et al.: Gender differences in the association between the incidence of cutaneous melanoma and geographic UV exposure. J Am Acad Dermatol 2016; 76(3): 499-50517Raulf M et al.: Gender-related aspects in occupational allergies – Secondary publication and update. World Allergy Organ J 2017; 10: 1-10 18 Colombo D et al.: The GENDER ATTENTION observational study: gender and hormonal status differences in the incidence of adverse events during cyclosporine treatment in psoriatic patients. Adv Ther 2017; 34(6): 1349-63 19 Guillet C et al.: The impact of gender and sex in psoriasis: what to be aware of when treating women with psoriasis. Int J Womens Dermatol 2022; 8(2): e010 20 Preis S et al.: A systematic review of sex and gender differences in treatment outcome of inflammatory skin diseases: is it time for new guidelines? J Eur Acad Dermatol Venereol 2025; 39(3): 512-28 21 Chi L et al.: Sexual dimorphism in skin immunity is mediated by an androgen-ILC2-dendritic cell axis. Science 2024; 384(6692): eadk6200 22 Ding J et al.: Representation of sex, race, and ethnicity in pivotal clinical trials for dermatological drugs. Int J Women’s Dermatol 2021; 7(4): 428-34 23 da Silva Burger N et al.: Patient needs in women of childbearing age with psoriasis: retrospective analysis from the German PsoBest registry. Int J Women’s Dermatol 2024; 10(3): e176
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