
Ein Foto ist nicht genug
Ordensklinikum Linz Elisabethinen
E-Mail: Birgit.Weindl@ordensklinikum.at
Jeder Arzt kennt das – das private Handy piepst und offenbart die Ankunft einer neuen Textnachricht samt Fotos von schwer zu identifizierenden Körperteilen mit der dringlichen Bitte, sich das „mal schnell“ anzusehen und zu sagen, „was das ist und was man da jetzt machen soll“. – Ist das schon Telemedizin?
Durchaus! Denn definitionsgemäß ist „Telemedizin ... die Anwendung digitaler Technologien zum Austausch medizinischer Informationen über eine Distanz“.1 Das mag zwar simpel klingen, jeder, der jemals eine derartige Handynachricht bekommen hat, weiß aber, dass ein unscharfes Foto, noch dazu ohne ausreichende klinische Information, für eine korrekte Diagnose nicht ausreicht.
Die Dermatologie als großteils visuelles und deskriptives Fach bietet sich an, die Möglichkeiten und Grenzen der Telemedizin auszuloten.
Warum betreiben wir überhaupt Teledermatologie?
Die Dermatologische Abteilung des Ordensklinikums Linz Elisabethinen versorgt unter anderem auch das Klinikum Pyhrn- Eisenwurzen, Standort Kirchdorf. Bis vor etwa einem Jahr war dazu eine wöchentliche Autofahrt von insgesamt 120 km notwendig, um die stationären Patienten im Krankenhaus Kirchdorf dermatologisch versorgen zu können. In einem Pilotprojekt versuchen wir nun, einen Großteil der stationären Patienten in Kirchdorf von Linz aus per Videoübertragung in Echtzeit teledermatologisch zu begutachten.
Was auch hier einfach klingt, erweist sich in der Realität als durchaus herausfordernd: Technische Voraussetzungen (verschlüsselte Datenübertragung über österreichische Server, standardisiertes Equipment und eine hochauflösende Kamera) müssen geschaffen werden, Räumlichkeiten in beiden Krankenhäusern müssen adaptiert werden (Sichtschutz, Beleuchtung etc.) und zusätzliches Pflegepersonal muss bereitgestellt werden.
Vor allem die Pflegeperson „am anderen Ende der Leitung“ spielt eine enorm wichtige Rolle: Sie ist das erweiterte Auge, die erweiterte Hand und die erweiterte Nase des Dermatologen. Ihre Informationen zur Anamnese, zu klinischen Befunden und besonders zur Morphologie der Hautveränderungen (Überwärmung, Kolorit, Schuppung, Erhabenheit etc.) sind für den begutachtenden Arzt unverzichtbar. Daher muss diese Pflegeperson erfahren und dermatologisch geschult sein, um dem Arzt die benötigten Informationen korrekt übermitteln zu können.
Unsere Erfahrung hat auch gezeigt, dass nicht alle dermatologischen Krankheitsbilder über die Videokamera gleich gut beurteilbar sind: Diagnosen wie Erysipele, Herpesläsionen, Ekzeme oder Ulzera können meist problemlos gestellt werden. Schwieriger gestalten sich die Unterscheidungen zwischen Krusten, Schuppen, Einblutungen und Nekrosen. Auch Exantheme bereiten Probleme, da die Kamera die verschiedenen Rottöne nicht gut abbilden kann. Je heller das Exanthem, desto schwieriger ist es, dessen Morphologie und Ausdehnung zu beurteilen. Mit unserem derzeitigen Equipment nicht möglich ist eine auflichtmikroskopische Beurteilung von Hautveränderungen wie z. B. Pigmentläsionen. Auch fehlt im Rahmen der Telemedizin die Möglichkeit einer unmittelbaren Intervention (Kryotherapie, Abtragung von Belägen, Entnahme von Probebiopsien etc.) seitens des Dermatologen.
Dem gegenüberzustellen ist der aus unserer Sicht grösste Vorteil der Teledermatologie, nämlich die Möglichkeit, stationäre Patienten aus anderen Krankenhäusern auf Anfrage („on demand“) zeitnah telemedizinisch zu begutachten. Damit wird die dermatologische Versorgung der Patienten optimiert.
Die Teledermatologie trägt dazu bei, Ressourcen zu schonen, eine gute dermatologische Versorgung von Patienten aus auswärtigen Häusern zu gewährleisten und dringliche Begutachtungen zeitnah zu ermöglichen. Sie stellt jedoch an alle Beteiligten spezielle Herausforderungen und bedarf der Erfahrung und einer guten interdisziplinären Zusammenarbeit aller beteiligten Berufsgruppen. Unserer Erfahrung nach kann mithilfe einer geschulten Pflegeperson der Großteil der Diagnosen korrekt gestellt werden, die Teledermatologie kann jedoch die ärztliche Begutachtung vor Ort nicht zu 100 % ersetzen.
1 Praxis der Teledermatologie – Leitfaden der deutschsprachigen Dermatologen; Augustin et al; Deutsche Dermatologische Gesellschaft (DDG); published by John Wiley & Sons Ltd.; JDDG 1610 – 0379/2018/16
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