
Dermatologen, Apotheker & AUVA starten Aufklärungsoffensive gegen das chronische Handekzem
Jatros
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15.09.2016
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<p class="article-intro">Berufsbedingte Hauterkrankungen sind die zweithäufigste Berufskrankheit in Österreich nach der Lärmschwerhörigkeit. Geschätzte 5–10 % der Österreicher leiden im Laufe ihres Lebens an Handekzemen.<sup>1</sup> 5–7 % der Fälle sind chronisch. Doch nur rund die Hälfte der Patienten sucht einen Facharzt auf.<sup>1</sup> Um das Bewusstsein für dieses Risiko zu schärfen, starten Dermatologen und Apotheker gemeinsam mit der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt (AUVA) eine Aufklärungskampagne. </p>
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<p class="article-content"><h2>Kein Winner</h2> <p>Das berufsbedingte (chronische) Hand­ekzem zählt zu den langwierigen, hartnäckigen und mühsam zu therapierenden Erkrankungen. Univ.-Prof. Dr. Werner Aberer, Vorstand der Universitätsklinik für Dermatologie und Venerologie des LKH-Universitätsklinikums Graz, erklärte, dass man oft lange Zeit keine zufriedenstellenden Lösungen findet und sowohl Ärzte wie auch Patienten ob der therapierefraktären Dermatose mitunter resignieren. Auch die Diagnosestellung ist nicht ganz einfach. Die Therapie muss konsequent durchgeführt werden und die Exposition gegenüber Noxen möglichst vermieden werden. Vieles hängt von der Compliance des Patienten ab. Enorme Beeinträchtigungen der Lebensqualität, Arbeitsplatzverlust, soziale Phobien und Rückzug aus dem alltäglichen Leben können die Folge sein. Die Therapie des chronischen Handekzems ist abhängig vom Schweregrad: „In den meisten Fällen werden Kortisonsalben und UV-Therapie zur Behandlung eingesetzt“, erläuterte Prof. Aberer. Wirkt die topische Therapie nicht ausreichend, können gemäß DDG-Leitlinie auch die Iontophorese, um das Schwitzen zu vermeiden, sowie Retinoide wie beispielsweise Alitretinoin (9-cis-Retinsäure) verbunden mit der Basistherapie zum Einsatz kommen.</p> <h2>Primärprävention großgeschrieben</h2> <p>Die AUVA hat den gesetzlichen Auftrag, Vorsorge für die Verhütung von Berufskrankheiten zu treffen. Das inkludiert Beratung, Risikobewertung, Schulung der Mitarbeiter, Schaffung von breiter Awareness, Bereitstellung von Foldern und Plakaten sowie Durchführung von Schwerpunktaktionen im Rahmen der Primärprävention. „Denn nicht selten wird das als Berufsrisiko einfach hingenommen“, erklärt Dr. Roswitha Hosemann, Fachärztin für Arbeitsmedizin, Unfallverhütung und Berufskrankheitenbekämpfung der AUVA. Besonders betroffen sind Friseure, Metaller, Reinigungskräfte sowie Arbeitnehmer aus dem Bau- und Baunebengewerbe, aus Gesundheitsberufen und aus der Lebensmittelbranche. Wird das Handekzem nicht rechtzeitig erkannt und adäquat behandelt, können Abbruch der Ausbildung bzw. Aufgabe des erlernten Berufes die Konsequenz sein. Dr. Hosemann: „Neben dem persönlichen Leidensdruck für die Betroffenen entstehen durch Arbeitsausfall und Produktionsrückgang enorme Folgekosten für die Wirtschaft und das Sozialsystem.“</p> <div id="rot"> <p>„Neben dem persönlichen Leidensdruck für die Betroffenen entstehen durch Arbeitsausfall und Produktionsrückgang enorme Folgekosten für die Wirtschaft und das Sozialsystem.“ - R. Hosemann, Graz</p> </div> <h2>Aufklärungsbroschüre und Wartezimmerposter in mehreren Sprachen</h2> <p>Die häufigste Ursache des Handekzems ist die ständige Reizung der Haut mit Wasser bzw. chemischen Schadstoffen, die die natürliche Schutzbarriere der Haut schwächen. Darunter fallen Bestandteile von Reinigungschemikalien bei Putzpersonal genauso wie Haarfärbemittel bei Friseuren oder auch Latexhandschuhe in medizinischen Berufen. „Personen, die in Nassberufen arbeiten oder ständig ihre Hände desinfizieren müssen, sind besonders anfällig für das chronische Handekzem. Durch die Feuchtarbeit trocknet die Haut aus und wird sehr empfindlich und empfänglich für andere Einflüsse von außen wie Bakterien, Pilze und allergieauslösende Stoffe“, betont Prof. Aberer. Auch Hausfrauen zählen zu den gefährdeten Personengruppen. Prof. Aberer: „Hausfrauen haben ständig Kontakt mit hautreizenden Stoffen, wie zum Beispiel säurehaltigen Flüssigkeiten, Reinigungssprays und Fettlösemitteln in Wasch- und Spülmitteln.“ <br /> Oft beginnt das Handekzem mit milden Anzeichen, etwa mit trockener, schuppender Haut. „Mit der Zeit können sich die Probleme verstärken, häufig kommt es in der Folge zu schmerzhaften Rissen und starkem Juckreiz.“ Spätestens dann wäre es höchste Zeit, einen Hautarzt oder den Arbeitsmediziner des Betriebes aufzusuchen, um sich entsprechend behandeln zu lassen. Laut Schätzungen verzichten allerdings rund die Hälfte der Betroffenen auf einen Arztbesuch<sup>1</sup> und riskieren so ein Fortschreiten der Erkrankung bis hin zur Berufsunfähigkeit: „Daher begrüße ich es sehr, dass mit der neuen Aufklärungsbroschüre ‚Hautschutz. Handschutz‘ leicht verständlich aufbereitetes Informationsmaterial zur Verfügung steht, das Ärzte und Apotheker Betroffenen und gefährdeten Personen mit nach Hause geben können“, so Univ.-Prof. Aberer. Ein Wartezimmerposter in den Arztordinationen macht auf die Broschüre aufmerksam und informiert auch in ungarischer, türkischer, serbischer, kroatischer und bosnischer Sprache, durch welche Vorsichtsmaßnahmen Handekzeme vermieden werden können. <br /> <br /> „Die richtige und konsequente Pflege der Haut ist eine wichtige Basis zur Vorbeugung“, betont Mag. pharm. Claudia Hannak, Wien. Spezielle Hautschutzpräparate werden vor der Arbeit aufgetragen, Hautpflegeprodukte mit einem besonders hohen Fettanteil von 30 bis 40 % sind nach Beendigung der Arbeit sinnvoll, um eine Regeneration der Barrierefunktion der Haut zu ermöglichen. Zusätzlich sollten Baumwollhandschuhe unter den eigentlichen Schutzhandschuhen getragen werden. Waschöle mit rückfettenden Inhaltsstoffen sind bei häufigem Händewaschen ratsam.</p> <div id="rot"> <p>„Ich begrüße es sehr, dass mit der neuen Aufklärungsbroschüre ‚Hautschutz. Handschutz‘ leicht verständlich aufbereitetes Informationsmaterial zur Verfügung steht.“ - W. Aberer, Graz</p> </div> <h2>Sekundärprävention</h2> <p>Nach Meldung der Berufskrankheit, die manchmal aus Angst vor Verlust des Arbeitsplatzes auf Bitten des Patienten unterlassen wird, erfolgt in einer „Hautsprechstunde“ die Abklärung, ob die Hautveränderung berufsbedingt verursacht worden ist. Ziel der Hautsprechstunde ist die Klärung der für die Beschwerden ursächlichen Faktoren und des Bezugs zur beruflichen Tätigkeit. Hierzu erfolgen eine ausführliche Anamnese und Arbeitsplatzerhebung durch Arbeitsmediziner und Hautärzte und bei Bedarf die Planung weiterer diagnostischer Maßnahmen. Bestätigt sich die Hauterkrankung als beruflich bedingt, wird der Patient auf Kosten der AUVA zu einem eintägigen Intensivseminar eingeladen, dessen Inhalte weiterführende Beratung und Unterstützung sind. Ziel des Seminars sind das Erkennen beruflicher Hautbelastungen und die richtige Anwendung der geeigneten persönlichen Schutzausrüstung. Diese wird den Versicherten für zwei Monate zur Verwendung am Arbeitsplatz von der AUVA zur Verfügung gestellt.</p> <h2>Tertiärprävention</h2> <p>Bei schweren chronischen Handekzemen sind Behandlungen im Rahmen eines 3-wöchigen stationären Aufenthalts in der Rehabilitationsklinik Tobelbad vorgesehen. Behandlungsschwerpunkte umfassen u.a. die Diagnostik, Allergietestung, intensive therapeutische Maßnahmen, Stressbewältigung und Entspannungsmaßnahmen, die Vermeidung von Risikofaktoren und ein Arbeitssimulationstraining mit der persönlichen Schutzausrüstung. Im Anschluss daran ist eine dreiwöchige Arbeitskarenz vorgesehen.</p> <h2>Fazit</h2> <p>Für die Vorbeugung berufsbedingter Hauterkrankungen bietet die AUVA Arbeitgebern und Arbeitnehmern ein umfassendes Präventionsprogramm an: Dazu zählen Infofolder für viele Berufsgruppen, betriebliche Beratungen, Mitarbeiterschulungen und Hautschutzseminare, die über konkrete Risikofaktoren sowie individuelle Hautschutzmaßnahmen in Beruf und Freizeit aufklären, die Durchführung diagnostischer Maßnahmen sowie ein stationärer Aufenthalt in einer Rehabilitationsklinik. In Kooperation mit der Medizinischen Universität Graz erfolgt die medizinische und wissenschaftliche Begleitung.</p></p>
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
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<p>Die Aufklärungsmaßnahmen wurden mit Unterstützung von GSK – GlaxoSmithKline Pharma GmbH umgesetzt.<br /><br /><strong>1</strong> Diepgen TL et al: Management von Handekzemen. Leitlinie JDDG 2009<br /><br /></p>
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