© Getty Images

Amnionmembran verhindert perineurale Adhäsionen und Fibrose

<p class="article-intro">Perineurale Adhäsionen entstehen häufig nach Verletzungen und sind fibrotische Verbindungen, die den Nerv mit dem umliegenden Gewebe verkleben und dadurch starke, chronische Schmerzen verursachen können. Die bisher häufigste Behandlungs methode, die Neurolyse, ist oft nur eine temporäre Lösung, da die Adhäsionen häufig von Neuem entstehen. Unser Team konnte in einer experimentellen Studie nachweisen, dass die humane Amnionmembran eine sehr effektive Barriere gegen die Wiederentstehung von perineuralen Adhäsionen darstellt. </p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Adh&auml;sionen sind fibrotische Verbindungen, die Gewebe und Organe miteinander verkleben.</li> <li>Chirurgische Eingriffe stellen das h&ouml;chste Risiko f&uuml;r die Entstehung von Adh&auml;sionen dar.</li> <li>Adh&auml;sionen bilden sich nach chirurgischer Entfernung h&auml;ufig erneut.</li> <li>Die humane Amnionmembran erwies sich als sehr vielversprechende Barriere, um die Reformation von perineuralen Adh&auml;sionen zu verhindern.</li> </ul> </div> <p>Adh&auml;sionen, Entz&uuml;ndungen und Fibrose stellen schwerwiegende Komplikationen nach operativen Eingriffen dar. Adh&auml;sionen bestehen aus einer abnormen Anh&auml;ufung von fibrotischen Fasern, die aufgrund beeintr&auml;chtigter Heilungsprozesse nach Trauma nahezu unvermeidbar entstehen und Gewebe miteinander verkleben, die normalerweise unabh&auml;ngig voneinander agieren. Sie k&ouml;nnen nach beinahe jeglicher Art von Verletzung und Trauma entstehen, wobei chirurgische Eingriffe das h&ouml;chste Risiko f&uuml;r die Bildung solcher Verwachsungen darstellen. Obgleich sie in manchen F&auml;llen klinisch asymptomatisch bleiben, verursachen sie oft starke chronische Schmerzen, sogar Jahrzehnte nach ihrer Entstehung, und k&ouml;nnen somit zu einer drastischen Beeintr&auml;chtigung der Lebensqualit&auml;t f&uuml;hren.<br /> Solche Schmerzen entstehen h&auml;ufig durch Adh&auml;sionen um periphere Nerven, die aufgrund ihrer Einbindung in fibrotische Fasern ihre Gleitf&auml;higkeit verlieren, was zur Bewegungseinschr&auml;nkung bis hin zur Funktionsunf&auml;higkeit f&uuml;hren kann.<br />Die meistverwendete Therapie besteht aus der Resektion des vernarbten Gewebes und somit der Wiederfreilegung des Nervs, was als Neurolyse bezeichnet wird (Abb. 1). Jedoch bilden sich die Verwachsungen nach der chirurgischen Entfernung der fibrotischen Fasern h&auml;ufig als sekund&auml;re Adh&auml;sionen erneut. Obwohl die Verwendung verschiedener Materialien, inklusive Fettgewebe, Muskellappen oder Kollagenfolien, getestet wurde, um die Neuentstehung von Adh&auml;sionen zu verhindern, gibt es keine effektive Behandlung, die bereits routinem&auml;&szlig;ig in der Klinik verwendet wird.<br /> Das AUVA Forschungszentrum/Ludwig Boltzmann Institut f&uuml;r Experimentelle und Klinische Traumatologie testete im Zuge einer neuen Studie die Verwendung eines &bdquo;medizinischen Abfallmaterials&ldquo; als neuen Therapieansatz, n&auml;mlich die humane Amnionmembran (Abb. 2), um wiederkehrende Adh&auml;sionen zu verhindern. Diese kombiniert einige der Eigenschaften, die einer idealen Therapie zugeschrieben werden. Die Amnionmembran ist eine biokompatible, abbaubare Gleitstruktur, die antiinflammatorische und antifibrotische Eigenschaften aufweist und deren Transplantation keine starken Immunreaktionen hervorruft, sondern gut vertr&auml;glich ist. Au&szlig;erdem haben wir k&uuml;rzlich gezeigt, dass sie oberfl&auml;chenaktive Substanzen &auml;hnlich dem &bdquo;pulmonary surfactant&ldquo; in der Lunge produziert.<sup>1</sup> Zudem ist sie ein medizinisches Abfallprodukt, sodass f&uuml;r die Verwendung keine ethischen Bedenken bestehen.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Ortho_1804_Weblinks_jatros_ortho_1804_s57_abb1+2.jpg" alt="" width="1417" height="1200" /></p> <h2>Material und Methoden</h2> <p>Um die Wirksamkeit der Amnionmembran pr&auml;klinisch zu testen, wurde ein Rattenmodell verwendet, in dem Fibrosen und wiederkehrende, starke Adh&auml;sionen am Nervus ischiadicus hervorgerufen wurden.<sup>2</sup> Um die klinische Situation nachzuahmen, wurde eine externe Neurolyse durchgef&uuml;hrt und somit das gesamte fibrotische Narbengewebe um den Nerv entfernt. Anschlie&szlig;end wurde die humane Amnionmembran als antiadh&auml;sives Gleitgewebe um den Nerv gelegt (Abb. 2, rechts); in der Kontrollgruppe wurde der Nerv nicht behandelt. &Uuml;ber zw&ouml;lf Wochen hinweg wurde die Reformation der Adh&auml;sionen und der Fibrose untersucht.</p> <h2>Ergebnisse</h2> <p>Die Transplantation der humanen Amnionmembran verhinderte zu allen Zeitpunkten effektiv die Wiederkehr von starken perineuralen Adh&auml;sionen. Der st&auml;rkste Unterschied zwischen den experimentellen Gruppen konnte vier Wochen nach der externen Neurolyse festgestellt werden (Abb. 3, 4). Die behandelten Ratten wiesen nur schwache Adh&auml;sionen auf, wohingegen sich bei den unbehandelten Kontrollen &uuml;berwiegend starke Verwachsungen gebildet hatten. Zudem wiesen die behandelten Nerven weit weniger fibrotische Bereiche auf als die der Kontrollen.<br /> Diese Ergebnisse spiegelten sich au&szlig;erdem in der Analyse des Funktionsindexes, der anhand des Gangbildes berechnet wird, wider (Abb. 4 rechts). Es ist klar ersichtlich, dass die Nervenfunktion der Ratten, denen die humane Amnionmembran transplantiert wurde, schneller wie derkehrte als bei den Ratten ohne Behandlung. Diese Studie wurde unl&auml;ngst in &bdquo;Acta Biomaterialia&ldquo; ver&ouml;ffentlicht.<sup>3</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Ortho_1804_Weblinks_jatros_ortho_1804_s58_abb3+4.jpg" alt="" width="1417" height="1709" /></p> <h2>Zusammenfassung</h2> <p>In dieser Studie, die am AUVA Forschungszentrum/Ludwig Boltzmann Institut f&uuml;r Experimentelle und Klinische Traumatologie in Wien durchgef&uuml;hrt wurde, wurde die humane Amnionmembran als antiadh&auml;sive Gleitstruktur in der Ratte getestet, um wiederkehrende perineurale Verwachsungen zu verhindern. Es konnte nachgewiesen werden, dass die Transplantation von Amnion einen sehr effektiven, neuen therapeutischen Ansatz darstellt. Es konnte nicht nur die Reformation von starken Adh&auml;sionen um den Nervus ischiadicus verhindert werden, sondern zudem ein proregenerativer Effekt im Gangbild der behandelten Ratten festgestellt werden.<br /> Da die humane Amnionmembran bereits als kryokonserviertes Produkt, beispielsweise bei der Gewebebank des Ober&ouml;sterreichischen Roten Kreuzes in Linz, verf&uuml;gbar und zugelassen ist, kann das Amnion schon am Patienten verwendet werden.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Lemke A et al.: Human amniotic membrane as newly identified source of amniotic fluid pulmonary surfactant. Sci Rep 2017; 7(1): 6406 <strong>2</strong> Lemke A et al: A novel experimental rat model of peripheral nerve scarring: reliably mim icking post-surgical complications and recurring adhesions. Dis Model Mech 2017; 10(8): 1015-25 <strong>3</strong> Lemke A et al.: Transplantation of human amnion prevents recurring adhesions and ameliorates fibrosis in a rat model of sciatic nerve scarring. Acta Biomater 2018; 66: 335-49 <strong>4</strong> Bain JR et al.: Functional evaluation of complete sciatic, peroneal, and posterior tibial nerve lesions in the rat. Plast Reconstr Surg 1989; 83(1): 129-38</p> </div> </p>
Back to top