Adjuvante Therapie mit Laser und Botulinumtoxin A
Autoren:
Dr. med. (R) Robert Nienstedt1
Malgorzata Karwath1
Prof. Dr. med. Alexander Navarini2
Dr. med. Bettina Rümmelein1
Dr. Rümmelein AG
1 House of Skin & Laser Medicine, Zürich
2 Chefarzt Dermatologie, Universitätsspital Basel
E-Mail: b.ruemmelein@dr-ruemmelein.ch
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Hidradenitis suppurativa (HS) bzw. Acne inversa ist eine schwere chronische Hauterkrankung, die ca. 1% der Bevölkerung betrifft. Sie findet sich vor allem in den Intertrigines, also den Hautfalten wie Achselhöhlen, Leisten, Gesässfalte und bei Frauen in der Region unter den Brüsten. Es kommt zu abszessartigen Entzündungen, die schmerzhaft sind und schliesslich einschmelzen und vernarben. Fistelbildung und Narbenstränge können zu Bewegungseinschränkungen führen.
Keypoints
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Das komplexe Krankheitsbild der HS ist schwer zu behandeln. Adjuvante Therapien könnten einen wesentlichen Beitrag zur Symptomlinderung leisten.
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Da die HS den Terminalhaarfollikel und dessen Umgebung betrifft, kann davon ausgegangen werden, dass die Laserepilation einen direkten Einfluss auf das Krankheitsgeschehen hat.
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Das intertriginöse Schwitzen als wesentlicher Triggerfaktor für die HS kann besonders axillär durch die Injektion von BTX-A reduziert bzw. zeitlich begrenzt inhibiert werden.
Ätiopathogenese
Die Ursache der Erkrankung ist weitgehend ungeklärt, Heredität und Erbgang sind umstritten. Bei einem Teil der Patienten können follikuläre Hyperkeratosen nachgewiesen werden, welche die infundibuläre Okklusion und den Sekretstau erklären können. Es handelt sich primär nicht um eine bakterielle Infektion mit pathogenen Stämmen. In Abstrichen werden regelmässig Keime der normalen Hautflora nachgewiesen.
Risikofaktoren sind Rauchen (ca. 90% der Erkrankten), Übergewicht und starkes Schwitzen. Eng anliegende Kleidung und repetitive Rasur der Achsel- und Intimbehaarung wirken sich ebenfalls verschlechternd auf den Verlauf aus.
Unter dem Mikroskop lassen sich oft follikuläre Hyperkeratosen nachweisen, also Verhornungen der Haarfollikelöffnung. Diese führen durch Sekretrückstau, Einschluss von abgestorbenen Hornzellen im Haarfollikel und dann sekundär durch bakterielle Infektionen zur Zerstörung des gesamten Follikelorgans. In der Folge entsteht eine chronische, fibrosierende Entzündung, oft mit Absonderungen übelriechenden Sekretes. Es entstehen narbige Stränge, welche die Bewegung der betroffenen Gelenke einschränken.
Die Erkrankung ist mit einer starken Beeinträchtigung der Lebensqualität verbunden. Sozialer Rückzug, Arbeitslosigkeit und Depressionen mit Suizidgedanken können die Folge sein.1
Obschon der lateinische Name der Krankheit «Schweissdrüsen-Entzündung» bedeutet, sind diese Drüsen kaum betroffen – es sind vielmehr die apokrinen Duftdrüsen und die Talgdrüsen, welche den Haarfollikeln beigeordnet sind.
Obwohl die Stadieneinteilung nach Hurley das komplexe Krankheitsgeschehen der HS nicht ausreichend abbildet und mittlerweile eine Reihe weiterer Einteilungssysteme vorgestellt wurden, von denen sich aber noch keines durchgesetzt hat, bleiben wir in diesem Artikel bei der klassischen Einteilung:
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Stadium I: einzelne Abszesse ohne Fistelbildung
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Stadium II: rezidivierende Abszesse mit Fistelbildung und Narbensträngen
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Stadium III: diffuser Befall mit Abszessen, Fistelgängen und nicht selten plattenartiger Narbenbildung
Therapie
Wir orientieren uns an der S1-Leitlinie der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG), den Swiss Practice Recommendation for the Management of HS und am aktuellen internationalen Konsensus der HS Alliance (internationale Expertengruppe aus Europa und Nordamerika) aus dem Jahr 2019.2 Die meisten evidenzbasierten Daten betreffen die topische und systemische Therapie mit Antibiotika sowie die Behandlung mit Biologika – insbesondere Adalimumab. Andere Optionen im Management der HS basieren auf Fallberichten, kleinen Kohortenstudien und Expertenmeinungen.
Topisches Clindamycin 1% in Form einer Lösung kann in den frühen Stadien von HS angewendet werden, wobei mittlerweile hohe Resistenzraten bekannt sind und die Wirksamkeit im Stadium Hurley II fraglich ist. Insbesondere ist das bei Staphylococcus aureus, Peptostreptococcus spp., Propionibacterium acnes sowie Escherichia coli, Proteus und Klebsiella der Fall. In den Stadien Hurley II/III werden systemische Antibiotika eingesetzt, obwohl für diese nur niedrige Evidenz vorhanden ist. Antibiotische Langzeitbehandlung wird generell nicht empfohlen, nicht selten aber mit Tetrazyklinen trotzdem durchgeführt. Bei Antibiotikatherapien ist es wichtig, gleichzeitig antiseptische Topika einzusetzen, um eine Resistenzentwicklung zu vermeiden. Am häufigsten wird Doxycyclin oder Limecyclin eingesetzt. Oft nehmen Dermatologen bei ihren HS-Patienten regelmässig Blut ab und führen Abstriche durch, um Antibiogramm-gerecht zu therapieren. Es gibt jedoch keine Evidenz dafür, dass die bakteriellen Infektionen ein Auslöser der HS seien. Die Antibiotika werden bei HS aufgrund ihrer antientzündlichen und nicht wegen der antibakteriellen Wirkung verschrieben. Antiseptika werden oft rezeptiert, obwohl es keine Evidenz für ihren Einsatz gibt, ausser dass sie den Fötor reduzieren.2 Die US Food and Drug Administration (FDA) empfiehlt Fluorochinolon nur bei Patienten mit akuten Infektionen, bei denen andere Methoden aufgrund von schlechtem Risiko-Nutzen-Verhältnis kontraindiziert sind. Systemische Einnahme von Clindamycin 2x 300mg und Rifampicin 2x 300mg pro Tag über 8–12 Wochen ist eine etablierte Kombination bei aktiver HS. Diese Strategie hat bei der HS Alliance den gleichen Evidenz-Score erreicht wie intravenöses Ertapenem.2
Das First-Line-Biologikum ist Adalimumab in folgender Dosierung: 160mg am Tag 1, 80mg am Tag 15 und ab der Woche 4 wöchentliche Injektionen von Adalimumab 40mg. Diese Dosierung ist höher als die bei der Psoriasis vulgaris.3 Ein weiteres Biologikum («off-label») ist Infliximab: 5mg/kg Körpergewicht (KG) am Tag 0, 2 und 6 und dann alle 8 Wochen. Anakinra wurde von der HS Alliance aufgrund der niedrigen Fallzahlen bei den Studien als Third-Line-Biologikum eingestuft.
Bei fehlendem Ansprechen auf systemische Antibiotika wird in einigen Fällen bei erwachsenen Frauen mit mittelschwerer HS und polyzystischem Ovarialsyndrom eine antiandrogene Therapie mit Ethinylestradiol in Kombination mit Cyproteronacetat eingeleitet.4,5 Isotretinoin ist in der Behandlung von HS sine effectu. Acitretin hingegen zeigt in einzelnen Fallberichten eine gute antientzündliche Wirkung.2,4
Gewichtsoptimierung und Tabakabstinenz gehören auch zu den therapeutischen Massnahmen. Da es kein Medikament gibt, welches bei allen HS-Patienten effizient und langfristig wirkt, sind oft chirurgische Exzisionen oder grossflächige Laserablationen mit anschliessender sekundärer Wundheilung indiziert. Spalthautdeckung kann die Liegedauer sehr stark verkürzen, weswegen diese im Zeitalter der begrenzten Spitalaufenthaltsdauer fast immer eingesetzt wird. Abszessspaltungen führen in fast 100% der Fälle zu Rezidiven.2,4,5 Eine interessante Methode für die Praxis bei Hurley I ist die Abdeckelung von Abszessen mit dem 6er-Punch ohne Primärverschluss.
Verschiedene Studien zeigen neben den klassischen Behandlungsmethoden eine signifikante Besserung unter dem Einsatz von lang gepulsten Lasersystemen.6–8 Das Prinzip der Laserepilation beruht auf der selektiven Photothermolyse. Das Melanin der Haare absorbiert die Energie des Lasers. Nur die Haare in der Wachstumsphase (anagene Phase) werden zerstört. Die Haare in der Ruhephase (telogen und katagen) werden nicht zerstört. Man nimmt an, dass dies mit einem niedrigeren Melaningehalt der Haare in der Ruhephase zu tun hat.9 Aus diesem Grund sind immer mehrere Behandlungen in einem Abstand von 6–8 Wochen nötig. Nach etwa 3 Sitzungen ist mit einer Haarreduktion von etwa 60% der Haare zu rechnen. Da sich das immunologische Geschehen bei der HS um den Terminalhaarfollikel abspielt, kann davon ausgegangen werden, dass die Laserepilation einen direkten Einfluss auf das Krankheitsgeschehen hat.
Die genaue Rolle der apokrinen Schweissdrüsen in der HS ist nicht ganz geklärt. Allerdings wird bei Patienten eine Überexpression von antimikrobiellen Peptiden beobachtet.9 Diese können Entzündungen auslösen und somit wieder die Acne inversa fördern. Botulinumtoxin A (BTX-A) setzt genau an diesem Ansatz an. Durch das Injizieren von BTX-A 100iUE Trockensubstanz aufgelöst in NaCl wird die intertriginöse Hyperhidrosis reduziert bzw. zeitlich begrenzt inhibiert. Studien belegen zusätzlich eine Atrophie der apokrinen Schweissdrüsen.10
Der Fall
Im Folgenden berichten wir von einem 41-jährigen männlichen Patienten mit einer seit 24 Jahren bekannten Acne inversa Hurley Grad II–III mit multiplen chirurgisch sanierten Fistelgängen (Abb. 1). Bisherige Behandlungen erfolgten leitliniengerecht, u.a. topisch mit Clindamycin, systemisch mit Clindamycin und Rifampicin sowie Acitretin und Dapson. Eine anderthalbjährige Therapie mit dem TNF-α-Blocker Adalimumab (Humira) verbesserte den Leidensdruck des Patienten zunächst, wurde jedoch nach Rückfall und Nichtansprechen abgesetzt. Bei der Vorstellung zeigte der Patient schmerzhafte Narben und multiple Abszesse mit eingeschränkter Mobilität axillär und inguinal.Der Patient ist übergewichtig mit einem BMI von 29,9 und schwitzt stark. Ein Abstrich zeigte eine Ansiedlung multiresistenter Keime mit Escherichia coli, Streptococcus agalactiae (β-hemolysierenden Streptokokken) und reichlich anaerober Mischflora.
Abb. 1: Patient mit Acne inversa Grad II–III
Zunächst behandelten wir den Patienten mit einem langgepulsten Nd:YAG-Laser, welcher sich für die Laserepilation bei dunklen kräftigen Haaren anbietet. Im Anschluss erfolgte eine Hyperhidrosebehandlung in den Axillen mit BTX-A, mit je 50iU pro Seite.
Bei der Wiedervorstellung nach 20 Wochen zeigten sich bei dem Patienten deutlich weniger Entzündungen (Abb. 2). Die Therapie wurde wiederholt. Beim nächsten Termin, weitere 20 Wochen später konnte man eine Verbesserung von über 60% sehen. Der Patient berichtete bereits bei dem ersten Kontrolltermin von einer Verbesserung der Symptomatik. Weniger Schmerzen ermöglichten ihm mehr Beweglichkeit und die Aufnahme sportlicher Aktivitäten war wieder möglich. Der Patient lebt im Ausland. Die Laserepilationsbehandlungen werden alle 6 Monate zusammen mit BTX-A-Injektionen fortgesetzt.
Abb. 2: Derselbe Patient 20 Wochen nach einmaliger Laserepilation in Kombinationstherapie mit Botulinumtoxin A zeigt deutlich eine Schweissreduktion und weniger Entzündungen
Wir möchten darauf hinweisen, dass – falls in derselben Sitzung gewünscht – die Behandlung mit BTX-A im Anschluss zur Laserepilation und nicht davor durchzuführen ist, da die Gefahr eines Denaturierungsprozesses durch die Hitzeentwicklung möglich ist. Dies könnte den Therapieerfolg reduzieren.
Fazit
Wie in diesem Fall erfolgreich durchgeführt, ist die Injektion von Botulinumtoxin A in HS-Arealen eine mögliche adjuvante Therapie, um das Behandlungsareal trockenzulegen. Es ist bekannt, dass Schweiss und okklusive Faktoren den Verlauf der Erkrankung verschlechtern. Wir empfehlen ferner die konsequente Laserepilation aller behaarten HS-Areale, da sich hierdurch die potenziell entzündeten Terminalhaarfollikel reduzieren lassen.
Abb. 3: Der Befund zehn Monate nach zweimaliger Laserepilation in Kombinationstherapie mit BTX-A
Literatur:
1 Sabat R et al.: Hidradenitis suppurativa. Nat Rev Dis Primers 2020; 6(1): 18 2 Zouboulis CC et al.: Hidradenitis suppurativa/acne inversa: a practical framework for treatment optimization - systematic review and recommendations from the HS ALLIANCE working group. J Eur Acad Dermatol Venereol 2019; 33(1): 19-31 3 Hunger RE et al.: Swiss Practice Recommendations for the management of hidradenitis suppurativa/acne iInversa. Dermatology 2017; 233(2-3): 113-19 4 Zouboulis CC et al.: European S1 guideline for the treatment of hidradenitis suppurativa/acne inversa. J Eur Acad Dermatol Venereol 2015; 29(4): 619-44 5 Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF), Ständige Kommission Leitlinien. AWMF-Regelwerk «Leitlinien». 1. Auflage, 2012. Verfügbar unter http://www.awmf.org/leitlinien/awmf-regelwerk.html (Zugriff am 11.08.2021) 6 Tierney E et al.: Randomized control trial for the treatment of hidradenitis suppurativa with a Neodymium-doped Yttrium Aluminium garnet laser. Dermatol Surg 2009; 35(8): 1188-98 7 Mahmoud BH et al.: Prospective controlled clinical and histopathologic study of hidradenitis suppurativa treated with the long-pulsed neodymium:yttrium-aluminium-garnet laser. J Am Acad Dermatol 2010; 62(4): 637-45 8 Highton L et al.: Treatment of hidradenitis suppurativa with intense pulsed light: a prospective study. Plast Reconstr Surg 2011; 128(2): 459-66 9 Sadighha A, Mohaghegh Zahed G.: Meta-analysis of hair removal laser trials. Lasers Med Sci 2009; 24(1): 21-5 10 Lindsay SL et al.: Innervation and receptor profiles of the human apocrine (epitrichial) sweat gland: routes for intervention in bromhidrosis. Br J Dermatol 2008; 159(3): 653-60
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