
Das neue Sterbeverfügungsgesetz
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Seit 1. Jänner 2022 ist es in Österreich zulässig, in bestimmten Fällen beim Suizid zu assistieren. Voraussetzung dafür ist die sogenannte Sterbeverfügung. Hier lesen Sie, wie eine solche errichtet wird und welche Aufgaben die Ärzteschaft dabei erwarten.
Mit Wirksamkeit 31.12.2021 hob der Verfassungsgerichtshof in § 78 StGB die Wortfolge „oder ihm dazu (bei der Selbsttötung) Hilfe leistet“ auf. Damit wurde eine Neuregelung notwendig. Ab 2022 ist nun das Sterbeverfügungsgesetz (StVfG) in Kraft, das hier näher vorgestellt werden soll.
Sterbeverfügungsgesetz
Im Sterbeverfügungsgesetz hat sich der Gesetzgeber für ein bereits aus dem Bereich der Patientenverfügungen oder der Vorsorgevollmachten bekanntes Rechtsinstrumentarium entschieden, die sogenannte Sterbeverfügung. Im Sterbeverfügungsgesetz werden die „Voraussetzungen und die Wirksamkeit von Sterbeverfügungen zum Nachweis eines dauerhaften, freien und selbstbestimmten Entschlusses zur Selbsttötung“ geregelt. Eine solche Sterbeverfügung soll in Österreich nur wirksam sein, wenn die sterbewillige Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich hat oder österreichischer Staatsangehöriger ist.
Frei und selbstbestimmt
In der Sterbeverfügung muss die sterbewillige Person festhalten, dass sie entschlossen ist, ihr Leben zu beenden. Die Sterbeverfügung hat auch die ausdrückliche Erklärung zu enthalten, dass dieser Entschluss frei und selbstbestimmt nach ausführlicher Aufklärung gefasst wurde. Es können auch bereits Hilfe leistende Personen angegeben werden. Die sterbewillige Person muss sowohl im Zeitpunkt der Aufklärung als auch im Zeitpunkt der Errichtung der Sterbeverfügung volljährig und entscheidungsfähig sein. Die Entscheidungsfähigkeit muss zweifelsfrei gegeben sein.
Eine Sterbeverfügung kann nur von einer Person errichtet werden, die an einer unheilbaren, zum Tod führenden Krankheit oder an einer schweren, dauerhaften Krankheit mit anhaltenden Symptomen leidet, deren Folgen die betroffene Person in ihrer gesamten Lebensführung dauerhaft beeinträchtigen. Die Krankheit muss für die sterbewillige Person einen Leidenszustand verursachen, der nicht anders als durch Selbsttötung abgewendet werden kann.
Aufklärung erforderlich
Der Errichtung einer Sterbeverfügung hat eine Aufklärung durch zwei ärztliche Personen voranzugehen, von denen eine eine palliativmedizinische Qualifikation aufzuweisen hat und die unabhängig voneinander bestätigen, dass die sterbewillige Person entscheidungsfähig ist und einen freien und selbstbestimmten Entschluss geäußert hat.
Inhalt und Umfang der Aufklärung werden im StVfG detailliert geregelt; die Aufklärung ist schriftlich zu dokumentieren und von allen beteiligten Personen zu unterschreiben. Wenn sich im Rahmen der ärztlichen Aufklärung ein Hinweis darauf ergibt, dass bei der sterbewilligen Person eine krankheitswertige psychische Störung vorliegt, deren Folge der Wunsch zur Beendigung ihres Lebens sein könnte, hat die ärztliche Person eine Abklärung dieser Störung einschließlich einer Beratung durch eine Fachärztin bzw. einen Facharzt für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin oder eine klinische Psychologin bzw. einen klinischen Psychologen zu veranlassen.
Zeitlicher Abstand
Die Sterbeverfügung kann frühestens zwölf Wochen nach der ärztlichen Belehrung errichtet werden. Hat eine ärztliche Person bestätigt, dass die sterbewillige Person an einer unheilbaren, zum Tod führenden Erkrankung leidet und in die terminale Phase eingetreten ist, so ist eine Errichtung nach zwei Wochen zulässig. Die Sterbeverfügung ist schriftlich vor einem Notar oder einer Notarin oder vor einem Patientenanwalt oder einer Patientenanwältin zu errichten und in ein Sterbeverfügungsregister einzutragen.
Widerruf
Eine Sterbeverfügung kann jederzeit widerrufen werden und verliert ihre Wirksamkeit außer bei Gesetzwidrigkeit oder Widerruf spätestens ein Jahr nach deren Errichtung.
Abgabe des letalen Präparats
Nach Vorlage einer wirksamen Sterbeverfügung darf (nicht muss) jede öffentliche Apotheke an die sterbewillige oder eine in der Sterbeverfügung namentlich genannte Hilfe leistende Person ein letales Präparat abgeben. Dieses ist für andere Personen als die sterbewillige oder Hilfe leistende Personen unerreichbar aufzubewahren und im Falle der Aufgabe des Wunsches zu sterben zurückzugeben. Es kann auch nur einmal bezogen werden.
Freiwilligkeit
Ausdrücklich festgehalten wird im StVfG, dass niemand dazu gezwungen werden kann, an der Errichtung einer Sterbeverfügung, an der gebotenen Aufklärung oder gar an der Selbsttötung mitzuwirken, sohin auch nicht Ärzte. Umgekehrt darf auch niemandem ein Nachteil aus einer allfälligen Mitwirkung erwachsen.
Verhinderung der Geschäftemacherei
Ein striktes Werbeverbot und das Verbot der Annahme eines über den Ersatz des tatsächlichen Aufwandes hinausgehenden wirtschaftlichen Vorteils sollen Geschäftemacherei verhindern. Es ist jedoch zulässig, eine sterbewillige Person auf die Möglichkeit der Errichtung einer Sterbeverfügung hinzuweisen.
Verstöße gegen das StVfG sind mit Verwaltungsstrafen bis zu EUR 30 000,–, im Wiederholungsfall mit bis zu EUR 60 000,– strafbar.
Weiterführende Informationen finden Sie unter Gespräche zum assistierten Suizid .
Ein Blick in die Schweiz
In unserem Nachbarland gibt es eine „über 35-jährige Praxis der Freitodbegleitung“, berichtet uns der Verein „DIGNITAS – Menschenwürdig leben – Menschen- würdig sterben“. Seit seiner Gründung 1998 berät er Patienten, hilft ihnen Rechte durchzusetzen und betreibt
Suizidversuchsprävention sowie Suizidbegleitung. In der Schweiz gelten als juristische Grundlagen des ärztlichen assistierten Suizids „Gesetz, Rechtsprechung und ärztliches Standesrecht“, so DIGNITAS. „Die Tätigkeiten und die Voraussetzungen für den Zugang zu Vereinsmitgliedschaft und Freitodbegleitung orientieren sich an dieser Rechtslage.“ Durchschnittlich begleitet der Verein seit 2010 jährlich etwa 210 Personen beim Suizid, davon 5 aus Österreich. Insgesamt nehmen laut Bundesamt für Statistik fast 1200 Personen im Jahr assistierten Suizid in Anspruch. Hinter diesen Zahlen stehen laut DIGNITAS keine „Sterbewilligen“, sondern „Leidensmüde“. Ihnen die Option auf einen assistierten Suizid zu ermöglichen habe in der Schweiz zu positiven Entwicklungen geführt. „Der Abbau des Suizidtabus und ein liberaler Zugang zur Möglichkeit professionalisierter Freitodbegleitung verbessern die Lebensqualität, mindern den Leidensdruck sowie Suizidversuche und schützen dadurch Leben.“ Die Botschaft ist klar: „Nicht Verbote und Einschränkung, sondern Einfühlung, ergebnisoffenes Gespräch und Wahlfreiheit helfen den Menschen.“ Für die Prävention müssen laut DIGNITAS vor allem Tabus aufgehoben werden. „Man muss Menschen mit Suizidwunsch ernst nehmen, sie nicht etikettieren oder stigmatisieren, ihnen auf Augenhöhe begegnen und ergebnisoffen und sachlich über Suizid und Suizidversuche sprechen.“ (H. Gabriel)
Unser Gesprächspartner: DIGNITAS – Menschenwürdig leben – Menschenwürdig sterben
E-Mail: dignitas@dignitas.ch
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