© Beatrice Stouvenel

Gesundheit und Forschung

Elektrostimulation bringt Gelähmten Bewegungsfreiheit zurück

Lausanne - Drei Querschnittsgelähmte haben dank gezielter Elektrostimulation ihres Rückenmarks wieder gehen, Rad fahren und schwimmen können. Das berichtet ein Team unter Leitung der ETH und des Unispitals Lausanne im Fachmagazin «Nature Medicine».

Ende 2018 liessen Bilder von David Mzee aufhorchen: Der Sportlehrer, der seit einem schweren Sportunfall im Jahr 2010 Tetraplegiker ist, konnte wieder einige Schritte gehen – dank eines Chips in seinem Rückenmark, der seine Nerven elektrisch stimuliert. Entwickelt wurde die Therapie von Grégoire Courtine von der ETH Lausanne (EPFL) und Jocelyne Bloch vom Universitätsspital Lausanne (CHUV).

Gemeinsam mit ihren Kollegen zeigen sie, dass eine Lähmung nicht ganz so endgültig sein muss wie bisher gedacht: Drei Patienten mit vollständiger sensomotorischer Lähmung konnten innerhalb eines einzigen Tages lernen, mit Körpergewichtsentlastung im Labor aufzustehen, bis zu 300 Schritte zu gehen, auf einem Liegerad zu fahren und Rumpfübungen durchzuführen.

Bein- und Rumpfmuskeln aktivieren

Nach einem mehrmonatigen Rehabilitationstraining verbesserte sich die Leistung «dramatisch», wie die Forschenden schreiben: Die Männer, die zwischen 29 und 41 Jahre alt waren, konnten dank spezifischer Stimulationsprogramme sogar draussen selbstständig stehen, mit einer Gehhilfe gehen sowie Liegerad und Kanu fahren. Schmerzen habe die Stimulation keine verursacht, die Nebenwirkungen der Therapie seien sehr gering, so das Forscherteam.

Die Therapie beruht auf der sogenannten epiduralen Elektrostimulation. Hierzu werden den Patienten chirurgisch in der Wirbelsäule Elektroden eingepflanzt, die die motorischen Nerven im Rückenmark stimulieren.

Mit den bisherigen Stimulationsansätzen wurden jedoch nicht alle Nerven im Rückenmark, die mit Bein- und Rumpfbewegungen verbunden sind, aktiviert. Diese Hürde scheint das Lausanner Team nun überwunden zu haben, indem es längere und grössere Elektroden nutzte und diese präzise, auf den jeweiligen Patienten zugeschnitten platzierte.

«2018 haben wir die Methode erstmals beschrieben und den konzeptionellen Beweis für diese Art der Therapie erbracht», sagte der Neurowissenschaftler Courtine während eines Online-Medientermins zur Studie. Nun sei die Methode präziser, schneller und man könne Patienten mit schlimmeren Rückenmarksverletzungen helfen.

Keine Wunderheilung, Regeneration begrenzt

Dennoch: Die Therapie sei keine Wunderheilung auf Knopfdruck, betonen die Forschenden. Es brauche viel Training, Geduld und Motivation. Zudem müssten die Stimulationsprogramme, mit denen sich die spezifischen Muskelbewegungen über ein Tablet steuern lassen, immer laufen. Eine willkürliche Muskelansteuerung funktioniere nicht. So führe die Therapie denn auch nicht zu einer Heilung – man könne eine gewisse Regeneration beobachten, doch diese sei begrenzt.

Diese jüngsten Ergebnisse sind Teil einer klinischen Studie mit zehn Patienten. Wie vielversprechend und wie breit anwendbar die Therapie tatsächlich sein wird, müssen nun grössere Untersuchungen zeigen. (sda/red)

Weitere Infos: Originalpublikation

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