
Update und Trends in Prävention und Rehabilitation
Jatros
30
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10.05.2018
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<p class="article-intro">Fach- und berufsgruppenübergreifende Vernetzung spielt in der modernen Medizin eine immer größer werdende Rolle. Zum „4. Fachtag Prävention, Rehabilitation & Physikalische Medizin“ wurden daher Experten verschiedener medizinischer Fachrichtungen sowie auch Vertreter der Gesundheitspolitik als Referenten geladen.</p>
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<p class="article-content"><h2>Aus Sicht der Ärztekammer</h2> <p>Prof. Dr. Thomas Szekeres, Präsident der Österreichischen Ärztekammer, plädierte für Präventionsmaßnahmen, die bereits im Kindesalter ansetzen müssten. Denn der Gesundheitszustand der Jugendlichen in Österreich sei alles andere als gut: Übergewicht, Bewegungsarmut, Nikotin- und Alkoholkonsum sind laut OECD-Statistik schon bei den 15-Jährigen weit verbreitet.<br /> Ein Hinführen zu einer gesunden Lebensweise, gezielte Bewegungstherapien und gegebenenfalls psychotherapeutische Unterstützung stellen bei Jung und Alt die Rehabilitationsmaßnahmen der Wahl dar, wobei ein besonderes Augenmerk auf deren Nachhaltigkeit gelegt werden müsse: „Es gibt sehr gute Ansätze, aber das Follow- up nach Rehabilitationen lässt teilweise zu wünschen übrig“, so Szekeres. „Nur durch bessere Vernetzung der Einrichtungen wird es gelingen, die Patienten rechtzeitig einer zielgerichteten Therapie zuzuführen und später eine nachhaltige Lebensstiländerung zu bewirken.“</p> <h2>Aus Sicht des Hauptverbands</h2> <p>Auch Hauptverband-Vorsitzender Dr. Alexander Biach sprach sich für eine Forcierung der Gesundheitsförderung und Prävention aus, um chronische Erkrankungen hintanzuhalten. Wirksame Prävention könne aber nur dann gelingen, wenn alle Akteure an gemeinsamen Lösungen arbeiten. Dazu müssten auch Partner aus anderen Politikbereichen gewonnen werden: „Gesundheit wird nicht nur im Gesundheitsbereich hergestellt“, so Biach. „Andere Politikbereiche wie Bildung, Soziales und Wirtschaft spielen hierbei eine wichtige Rolle.“<br /> Mit den österreichischen Gesundheitszielen und der Gesundheitsförderungsstrategie haben sich die Akteure aus unterschiedlichsten Politikbereichen auf den Weg gemacht, diese Herausforderungen gemeinsam zu meistern, sagte Biach. Nun müssten diese Ziele mit konkreten und breit getragenen Maßnahmen „zu den Menschen gebracht werden“.</p> <h2>„Gesundheitsvorsorge Aktiv“ statt Kur</h2> <p>Die Kur hat in Österreich Tradition und wird gern in Anspruch genommen. Die Effizienz dieses Angebots wird aber zunehmend hinterfragt, unter dem Aspekt, ob sich ein medizinischer Nutzen ableiten lässt. Grundsätzlich werde die Kur als Präventivmaßnahme mit dem Schwerpunkt der Sekundärprävention angeboten, sagt Prim. Dr. Christian Wiederer (Klinikum am Kurpark Baden, Kurhaus Bad Gleichenberg). Präventivcharakter habe bei genauerer Betrachtung die Verbesserung des Lebensstils. Da dieses Thema nicht immer im Vordergrund der bisherigen Kuranwendungen gestanden sei, hat die PVA vor über drei Jahren ein Pilotprojekt mit der Bezeichnung „Gesundheitsvorsorge Aktiv“ (GVA) in 8 Kuranstalten in Österreich gestartet. „Die Evaluation nach 2 Jahren hat sehr positive Ergebnisse gebracht“, berichtet Wiederer. „Die Kurgäste haben die GVA angenommen und konnten entsprechende Inhalte zur Verbesserung der wesentlichen lebensstilmodifizierenden Faktoren mitnehmen.“ Nach einer Überarbeitung und Erweiterung sowie einer Neuausschreibung wird die GVA derzeit in den österreichischen Kurhäusern institutionalisiert.</p> <h2>Onkologische Rehabilitation und „cancer survivorship“</h2> <p>ÖGPMR-Präsident Prof. Dr. Richard Crevenna ging auf die onkologische Rehabilitation im Kontext der „cancer survivorship“ ein. Dank moderner Krebsbehandlungen sind die Überlebensraten von Krebspatienten und damit der Stellenwert der onkologischen und lymphologischen Rehabilitation höher geworden. Im Zusammenhang mit der Formulierung restaurativer, supportiver, präventiver und manchmal auch palliativer Rehabilitationsziele wird auf die beim Patienten auftretenden Symptome, Defizite und Funktionseinschränkungen fokussiert. Diese können allgemeiner Natur sein, wie Fatigue, oder spezifisch für gewisse Tumorentitäten, wie z.B. Schluckstörungen oder Inkontinenz.<br /> Die stationäre onkologische Rehabilitation zeigt laut Crevenna in Österreich sehr zufriedenstellende Ergebnisse. Die ambulante onkologische Rehabilitation befindet sich mit einigen Pilotprojekten und Anlaufstellen im stetigen Aufbau. Crevenna wies insbesondere auf das weltweit einzigartige Tumorboard für onkologische Rehabilitation des Comprehensive Cancer Center in Wien hin, wo Patientenfälle mit besonderen kardiovaskulären, orthopädischen oder neurologischen Risiken in einem interdisziplinären und multiprofessionellen Setting besprochen werden.<br /> Onkologische und lymphologische Rehabilitation führen bei den Rehabilitanden zur Verbesserung des funktionellen Status, der Lebensqualität und der Partizipation. „Das spielt im Kontext von Arbeitsfähigkeit und Wiedereingliederung nach langem Krankenstand eine wichtige Rolle“, so Crevenna – ein Thema, das durch das im Vorjahr in Kraft getretene Wiedereingliederungsteilzeitgesetz an Bedeutung gewonnen habe.</p> <h2>Krafttraining für Krebspatienten: „Hürden sind nur im Kopf“</h2> <p>Univ.-Ass. Mag. Timothy Hasenöhrl, Medizinische Universität Wien, ging auf die Bedeutung des Krafttrainings für onkologische und lymphologische Patienten ein. Körperliche Aktivität wurde lange Zeit als potenzielle Bedrohung für den Regenerationsprozess gesehen. Den Patienten wurden daher Ruhe und Schonung empfohlen. „Diese Empfehlungen sind nicht mehr zeitgemäß“, so Hasenöhrl. „Es gibt mittlerweile den Konsensus, dass mit körperlichem Training den Nebenwirkungen der Primärtherapie – sei es auf physiologischer, psychologischer oder sozialer Ebene – wirksam begegnet werden kann.“<br /> Gegenüber dem Ausdauertraining ist das Krafttraining für onkologische Patienten noch nicht so gut erforscht, aber, so Hasenöhrl: „Auch wenn viele Details der optimalen Zusammenstellung eines spezifischen Krafttrainingsprogramms für Krebspatienten noch unklar sind, zeigt sich in der bestehenden Literatur, dass Krebspatienten von Krafttraining profitieren und kein erhöhtes Gesundheitsrisiko besteht.“ Das sei speziell für Prostata- und Brustkrebs gut belegt, für andere Krebsentitäten fehle noch höherwertige Evidenz.<br /> Jede Trainingsmethode könne so adaptiert werden, dass sie für Krebspatienten geeignet und verträglich ist, meint Hasenöhrl: „Die Hürden sind nur im Kopf.“</p> <h2>Orthopädische Rehabilitation</h2> <p>Exemplarisch für die orthopädische Rehabilitation führte Prim. Dr. Peter Machacek, Rehaklinik Baumgarten, Wien, die Rehabilitation nach Knietotalendoprothese an. Es zeigt sich, dass hier vor allem das sensomotorische Training für eine erfolgreiche rasche Mobilisation ausschlaggebend ist. An physikalischen Anwendungen sind zunächst die Kryotherapie sowie Kompressionen und Lymphdrainage zielführend, zusätzlich bewähren sich Schwellstromtherapie und TENS.<br /> Beim chronischen unspezifischen Kreuzschmerz ist die Umsetzung eines „functional restoration program“ mit engmaschigen aktivierenden und edukativen Einheiten erstrebenswert.<br /> Die Zukunft der Rehabilitation am Bewegungsapparat liegt laut Machacek unter anderem auch in den Möglichkeiten der modernen Medien und Techniken. Die Telerehabilitation zum Beispiel zeige gute Evidenz nach Hüft- und Knietotalendoprothetik, bei Eingriffen an der oberen Extremität ist die Evidenz mäßig (Pastora-Bernal JM et al.: J Med Internet Res 2017). In der „Rückenstudie Baumgarten“ wird derzeit ein technologisch unterstütztes Heimtraining nach stationärer Rehabilitation bei Patienten mit chronischer Lumbalgie untersucht.</p></p>
<p class="article-quelle">Quelle: 4. Fachtag Prävention, Rehabilitation & Physikalische Medizin,
9. März 2018, Wien
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