
©
Getty Images
Stellenwert der Arthroskopie bei Bandinstabilität des OSG
Jatros
Autor:
Dr. Madeleine Willegger
Univ.-Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, Medizinische Universität Wien
Autor:
Priv.-Doz. Dr. Reinhard Schuh
Leiter Zentrum für Fuß- und Sprunggelenkschirurgie der Maximalversorgung<br> Abteilung für Kinderorthopädie und Fußchirurgie, Orthopädisches Spital Speising, Wien<br> E-Mail: ordination@orthopaede-drschuh.at
30
Min. Lesezeit
10.05.2018
Weiterempfehlen
<p class="article-intro">Bandläsionen des oberen Sprunggelenks (OSG) stellen ein häufiges Krankheitsbild insbesondere bei sportlich aktiven Patienten dar. Die Arthroskopie im Bereich des OSG erfuhr in den letzten Jahren eine deutliche Weiterentwicklung. Im Rahmen dieses Artikels wird ihr aktueller Stellenwert bei der Behandlung von Bandinstabilitäten erläutert.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Die Arthroskopie des OSG ist ein hilfreiches und verlässliches Instrument zur Diagnostik von Bandinstabilitäten im Bereich des OSG.</li> <li>Die Arthroskopie dient zur Erkennung und Therapie artikulärer Begleitpathologien.</li> <li>In den letzten Jahren wurden arthroskopische Bandrekonstruktionstechniken popularisiert.</li> </ul> </div> <p>Durch die Weiterentwicklung von Technik und Instrumentarien kam es im vergangenen Jahrzehnt zu einer Zunahme des Stellenwerts der Arthroskopie im Bereich des Sprunggelenks und Rückfußes. Dies betrifft sowohl diagnostische als auch therapeutische Aspekte. Ein differenzierteres Verständnis diverser Krankheitsbilder in diesem Bereich führte auch zu einer Erweiterung der Indikationen arthroskopischer Eingriffe.<br /> Ligamentäre Instabilitäten im Bereich des OSG sind insbesondere bei sportlich aktiven Patienten ein sehr häufiges Krankheitsbild. Je nach betroffener Struktur kann nach medialer Instabilität, lateraler Instabilität (bei Kombination rotatorischer Instabilität) und Syndesmoseninstabilität unterschieden werden. Die jeweiligen Krankheitsbilder können isoliert oder in Kombination auftreten. Ausschlaggebend für die Entwicklung von Instabilitäten im Bereich des OSG ist ein auslösendes traumatisches Ereignis. Bei insuffizienter Narbenheilung oder der Unmöglichkeit, durch propriozeptive Fähigkeiten die mechanische Instabilität zu kompensieren, kommt es zur Situation der chronischen Instabilität. Diese ist vor allem durch artikulären Schmerz und eine Instabilitätssymptomatik („giving way“) charakterisiert. Durch die Instabilität besteht in vielen Fällen eine deutliche Beeinträchtigung der sportlichen Aktivität. Bei Fehlschlagen konservativer Therapiemaßnahmen stellen operative Verfahren die Methode der Wahl dar.<br /> Oftmals sind Bandinstabilitäten im Bereich des OSG mit Begleitverletzungen assoziiert. Diese werden oftmals in schichtbildgebenden Verfahren nicht suffizient abgebildet. Dementsprechend stellt die Arthroskopie neben den entsprechenden therapeutischen Optionen auch ein wichtiges Verfahren zur Diagnostik artikulärer Pathologien dar.</p> <h2>Chronische laterale Instabilität</h2> <p>Die chronische Instabilität des lateralen Bandapparats, welcher aus Lig. fibulotalare anterius (LTFA), Lig. fibulocalcaneare (LFC) und Lig. talofibulare posterius (LTFP) besteht, stellt die häufigste Form ligamentärer Instabilitäten des OSG dar. Die akute Sprunggelenksdistorsion betrifft zu 85 % den lateralen Bandapparat. Insbesondere sportlich aktive Patienten, die „Stop and go“-Sportarten betreiben, sind vom Krankheitsbild betroffen. Die Hauptrisikosportarten diesbezüglich stellen Fußball, Tennis und Volleyball dar. In der sportlich aktiven Population liegt die Chronifizierungsrate nach neuesten Erkenntnissen bei bis zu 60 % . Neben der Beeinträchtigung der Lebensqualität stellt das Krankheitsbild auch eine Präarthrose dar, aus der sich eine ligamentäre Varusarthrose des OSG entwickeln kann. Dementsprechend sind die adäquate Diagnostik und Therapie von entscheidender Bedeutung.<br /> Als diagnostische Maßnahme steht an erster Stelle die klinische Untersuchung. Aus apparativer Sicht sind zur Überblicksdarstellung Projektionsröntgenaufnahmen möglich. Die Sinnhaftigkeit von Stressaufnahmen wird gegenwärtig diskutiert. Die Bedeutung des Ultraschalls ist sehr gerätund untersucherabhängig, er erlaubt allerdings eine dynamische Bewertung. Schichtbildgebend ist vor allem die Magnetresonanzsonografie (MRT) hilfreich, wobei deren Sensitivität und Spezifität nur bedingt zufriedenstellend ist.<br /> Die Anzahl von Begleitverletzungen bei chronischer lateraler Instabilität ist sehr hoch. So fanden Hua et al. bei Arthroskopien von 87 Patienten mit chronischer lateraler Instabilität in 86,2 % der Fälle Synovitis mit konsekutivem Weichteilimpingement, in 37,9 % Knorpelschäden, in 26,4 % ventrale tibiale Osteophyten mit konsekutivem ossärem Impingement und in 6,9 % der Fälle begleitende Syndesmosenverletzungen. Die Sensitivität der MRT zur Detektion der Begleitverletzungen ist dabei relativ gering. So liegt sie bei freien Gelenkskörpern, Knorpelläsionen und Pathologien der Peronealsehnen bei 40– 89 % . In einer eigenen Studie zeigte sich bei 30 Patienten mit chronischer lateraler Instabilität des OSG, welche einer Arthroskopie und lateralen Bandrekonstruktion unterzogen wurden, insgesamt 72 (arthroskopisch) und 73 (MRT) artikuläre Begleitverletzungen. Sämtliche Patienten wurden durchschnittlich 3,9 Monate präoperativ einer MRT unterzogen und die arthroskopischen Befunde hinsichtlich Begleitverletzungen mit den bildgebenden Befunden verglichen. Die Sensitivität der MRT reichte von 89 % für Peronealsehnenverletzungen bis lediglich 28 % für zusätzliche Läsionen am Bandapparat des OSG. Insbesondere für Knorpelläsionen und anterolaterales Impingement bestand eine sehr schwache Korrelation zwischen intraoperativem Arthroskopiebefund und der MRT, wobei Letztere vor allem das Ausmaß unterbewertete.<br /> Aus diesen Gründen stellt die Arthroskopie bei chronischer lateraler Instabilität das diagnostische Verfahren der Wahl dar, um einerseits die Bandpathologie und Instabilität unter relaxierten Verhältnissen de facto zu beurteilen und andererseits artikuläre Begleitpathologien zu detektieren. Letztere können im Großteil der Fälle arthroskopisch adressiert werden (z.B. Mikrofrakturierung/retrograde Bohrung bei Knorpelläsionen, Entfernung freier Gelenkskörper, Synovektomie, Osteophytenabtragung etc.).<br /> Neben der diagnostischen Relevanz sowie jener in der Behandlung von Begleitverletzungen bei chronischer lateraler Instabilität wurden in den letzten Jahren auch arthroskopische respektive arthroskopisch assistierte Rekonstruktionsverfahren popularisiert. Dabei können die Operationsverfahren in anatomische Reparationstechniken und Rekonstruktionstechniken unterteilt werden.<br /> Erstere orientieren sich an dem in offener Technik am häufigsten angewandten Broström-Verfahren mit seinen Modifikationen. Die 1966 erstmals beschriebene Technik stellt eine Raffung der narbigen Anteile des LTFA dar. 1980 wurde durch Gould die Technik um eine Augmentation mittels inferioren Extensorretinakulums erweitert. Die jeweiligen Techniken werden mit Standard-Kleingelenksarthroskopieinstrumentarien durchgeführt. Als Zugänge dienen das anteromediale, anterolaterale und gegebenenfalls akzessorische anteriore Portal.<br /> Bei rein arthroskopischen Reparationsverfahren werden die narbigen Anteile des LFTA mittels Faden armiert und in weiterer Folge an den naiven Footprint oder leicht kranial davon mit einem Fadenanker fixiert. Dies ermöglicht eine Raffung des LFTA. Voraussetzung für die Anwendbarkeit dieser Technik sind allerdings adäquate Remnants des LFTA.<br /> Auch das Broström-Gould-Verfahren kann rein arthroskopisch/endoskopisch durchgeführt werden. Es erfolgt die Raffung des LFTA mit Fadenankern. Ferner wird über ein zusätzliches Portal das inferiore Extensorretinakulum endoskopisch dargestellt und unter direkter Sicht armiert. In weiterer Folge erfolgt die Fixation mit Fadenankern Footprint-nahe.<br /> Ein technisch einfacheres, allerdings anatomisch weniger exaktes Verfahren stellt die arthroskopisch assistierte Broström- Gould-Operation dar. Diese Technik ist eine Kombination aus arthroskopischem und perkutanem Verfahren. Nach arthroskopischer Darstellung des LFTAFootprints und Platzierung zweier Fadenanker wird das inferiore Extensorretinakulum von artikulärseitig mittels Hohlnadel durchstochen. Zuvor ist eine Markierung der adäquaten Ausstichstelle erforderlich. Die exakte Kenntnis der Anatomie ist bei diesem Schritt von großer Bedeutung, da einerseits das Retinakulum nicht direkt visualisiert wird und andererseits eine enge Lagebeziehung zum lateralen Ast des Nervus peroneus superficialis besteht. In weiterer Folge werden die Fäden aus den zuvor platzierten Ankern perkutan geshuttelt und verknüpft.<br /> Neben den Reparationsverfahren können auch Rekonstruktionsverfahren arthroskopisch oder arthroskopisch assistiert durchgeführt werden. Hierbei wird ein homologes/autologes Sehnengraft als Ersatz für LFTA und LFC herangezogen. Es werden die Bohrkanäle an den entsprechenden Footprints gesetzt. In weiterer Folge wird das armierte Sehnengraft eingezogen und mit Interferenzschrauben oder „suture button“ fixiert.<br /> Vergleichende klinische Studien zwischen offenen und arthroskopischen Verfahren zur lateralen Bandstabilisation am OSG sind derzeit in geringer Anzahl vorhanden. Yeo et al. fanden 2016 in einer prospektiven, randomisiert kontrollierten Studie bei 48 Patienten hinsichtlich klinischer Parameter und Stabilität ein Jahr nach der Operation keinen signifikanten Unterschied zwischen offenem und arthroskopischem „All inside“- Verfahren. Guelfi et al. fanden 2018 in einem systematischen Review zu 505 Patienten (offene Technik) gegenüber 216 Patienten (arthroskopische Technik) ebenfalls keine signifikanten Unterschiede.</p> <h2>Syndesmoseninstabilität</h2> <p>Verletzungen der Syndesmose werden zum größten Teil durch Eversionstraumata verursacht. Dieser Verletzungsmechanismus stellt 1 % der Sprunggelenksdistorsionen dar. Grundsätzlich kann zwischen isolierten Syndesmosenläsionen und solchen in Verbindung mit Sprunggelenksfrakturen unterschieden werden. Aus einer nicht entsprechend behandelten akuten Läsion kann eine chronische Instabilität resultieren. Eine Dysfunktion der Syndesmose führt zu intraartikulären Druckspitzen und hohen Scherkräften und damit zu rascher Degeneration des Gelenkknorpels.<br /> Insbesondere die Diagnostik der isolierten und chronischen Syndesmosenläsionen ist aufgrund des dynamischen Charakters der Pathologie herausfordernd. Neben der klinischen Untersuchung stellen auch hier belastete Projektionsaufnahmen die Grundlage dar. Schichtbildgebende Verfahren (v.a. MRT) sind hilfreich, aber nicht zwingend beweisend. Stressuntersuchungen (Fluoroskopie, Ultraschall) können in diesem Fall aufschlussreicher sein.<br /> Im Rahmen der Diagnostik erlaubt die Arthroskopie eine direkte Visualisierung und Stressuntersuchung. Hierbei findet der „Hook-Test“ Anwendung. Dabei wird die Spitze des Tasthäkchens in den tibiofibulären Gelenksspalt eingeführt und gewendet. Ist dies möglich und ist eine Diastase von >3mm provozierbar, gilt die Syndesmoseninstabilität als gesichert.<br /> Als Stabilisationsmethoden bei akuter und chronischer Instabilität stehen je nach Ausmaß diverse Stabilisationsverfahren zur Verfügung. Kommt es bei grundsätzlich stabilen Verhältnissen (Hook-Test negativ) lediglich zu einer Impingementproblematik durch Narbengewebe, ist das alleinige arthroskopische Débridement ausreichend. Bei Instabilität werden Narbenanteile arthroskopisch reseziert und der tibiofibuläre Gelenksaspekt wird angefrischt. Die Stabilisation kann mit „suture button“ oder Stellschraube erfolgen. Rezente Studien haben gezeigt, dass Ersterer biomechanische und klinische Vorteile bietet.</p> <h2>Mediale Instabilität</h2> <p>Die mediale Instabilität des OSG kann isoliert, jedoch häufiger in Kombination mit lateraler Instabilität (rotatorisch) auftreten. Die Häufigkeit ist wesentlich geringer als jene der bereits genannten Instabilitäten. Hinsichtlich Diagnostik und Therapie ist der Stellenwert der Arthroskopie mit jenem bei lateraler Instabilität vergleichbar. Auch hier besteht die Möglichkeit der arthroskopischen Bandrekonstruktion (tibiotalarer Anteil des Lig. deltoideum). Studien zu arthroskopischen Rekonstruktionsverfahren sind allerdings nur vereinzelt vorhanden. Vergleichende Studien fehlen gegenwärtig noch.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Ortho_1803_Weblinks_ortho_1803_s28_abb1.jpg" alt="" width="2149" height="629" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Ortho_1803_Weblinks_ortho_1803_s29_abb2.jpg" alt="" width="2149" height="591" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Ortho_1803_Weblinks_ortho_1803_s30_abb3.jpg" alt="" width="1417" height="636" /></p> <h2>Zusammenfassung</h2> <p>Die Arthroskopie ist bei operativer Therapie von Bandläsionen im Bereich des OSG aktuell von immanenter Bedeutung. Dies bezieht sich einerseits auf diagnostische Aspekte, andererseits auf die Behandlung von artikulären Begleitverletzungen. Zusätzlich wurden in den letzten Jahren auch arthroskopische Rekonstruktionstechniken populär. Direkte Vergleiche der klinischen Ergebnisse mit offenen Verfahren sollten noch intensiviert werden.</p></p>
<p class="article-footer">
<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p>• Anderson RB et al.: Management of common sports-related injuries about the foot and ankle. J Am Acad Orthop Surg 2010; 18(9): 546-56 • Attenborough AS et al.: Chronic ankle instability in sporting populations. Sports Med 2014; 44(11): 1545-56 • Guelfi M et al.: Open and arthroscopic lateral ligament repair for treatment of chronic ankle instability: a systematic review. Foot Ankle Surg 2018; 24(1): 11-8 • Hua Y et al.: Combination of modified Broström procedure with ankle arthroscopy for chronic ankle instability accompanied by intra-articular symptoms. Arthroscopy 2010; 26(4): 524-8 • Staats K et al.: Preoperative MRI is helpful but not sufficient to detect associated lesions in patients with chronic ankle instability. Knee Surg Sports Traumatol Arthrosc 2017 [Epub ahead of print] • Vega J et al.: Combined arthroscopic all-inside repair of lateral and medial ankle ligaments is an effective treatment for rotational ankle instability. Knee Surg Sports Traumatol Arthrosc 2017 [Epub ahead of print] • Yeo ED et al.: Comparison of all-inside arthroscopic and open techniques for the modified Broström procedure for ankle instability. Foot Ankle Int 2016; 37(10): 1037-45</p>
</div>
</p>