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Keine Gleichberechtigung bei Diabetes

Risikofaktoren und Folgeerkrankungen bei Frauen anders gewichtet

<p class="article-intro">Anlässlich des Weltfrauentages am 8. März weist die Österreichische Diabetes Gesellschaft (ÖDG) auf die Geschlechtsunterschiede bei der Erkrankung und der Therapie hin. Auch wenn Frauen durchschnittlich etwas seltener von Diabetes betroffen sind, müssen sie bei einer bestehenden Erkrankung mit mehr Komplikationen und einer komplexeren Behandlung rechnen als Männer. Vor allem der Schwangerschaftsdiabetes als größter Risikofaktor für eine spätere Diabetes-Typ-2-Erkrankung muss viel ernster genommen werden.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Von Diabetes sind Frauen und M&auml;nner ungef&auml;hr gleich h&auml;ufig betroffen, M&auml;nner um eine Spur h&auml;ufiger. Trotzdem macht es Sinn, sich am Weltfrauentag spezifisch mit dem Thema Frauen und Diabetes auseinanderzusetzen, denn Frauen sind von der Krankheit anders und teilweise schwerer betroffen&ldquo;, erkl&auml;rt Univ.-Prof. Dr. Alexandra Kautzky-Willer von der Univ.-Klinik f&uuml;r Innere Medizin III, Abteilung f&uuml;r Endokrinologie und Stoffwechsel, Medizinische Universit&auml;t Wien, und Pr&auml;sidentin der &Ouml;DG. &bdquo;Sie verlieren mehr Lebensjahre und haben eine schlechtere Lebensqualit&auml;t!&ldquo;</p> <h2>&Ouml;strogen &ndash; ein Schutz auf Zeit</h2> <p>Frauen haben durch das Hormon &Ouml;strogen einen gewissen Schutz davor, an Typ-2-Diabetes zu erkranken, bei ihnen setzt Fett weniger am Bauch an, sie haben eine h&ouml;here Insulinempfindlichkeit und einen im Durchschnitt niedrigeren N&uuml;chternblutzucker und HbA<sub>1c</sub>-Wert. Sie erkranken oft erst in sp&auml;teren Lebensjahren &ndash; hier spielen die Menopause und die damit einhergehende Abnahme des &Ouml;strogenspiegels eine Rolle. In den Wechseljahren nimmt der Anteil an adip&ouml;sen Frauen aufgrund der hormonellen Umstellung und durch Bewegungsmangel stark zu. Damit steigt auch der Anteil der Frauen mit Typ-2-Diabetes. Eine fr&uuml;he Menopause bedeutet ein zus&auml;tzlich erh&ouml;htes Risiko f&uuml;r Typ-2-Diabetes. Allerdings wird auch bei j&uuml;ngeren Frauen vor allem durch Bewegungsmangel, Rauchen und Stress sowie damit assoziiert durch ungesunde Ern&auml;hrung und Gewichtszunahme ein Anstieg beobachtet.<br /> Kautzky-Willer erkl&auml;rt: &bdquo;Bei Frauen ist der Bauchumfang ein besonders wichtiger Indikator f&uuml;r ein Diabetesrisiko, insbesondere nach der Menopause, selbst wenn sonst Normalgewicht vorliegt. Ein Bauchumfang von mehr als 88cm gilt als erh&ouml;htes Risiko. Betroffene Frauen sollten regelm&auml;&szlig;ig ihren Blutzucker, Blutfette und Blutdruck kontrollieren lassen und ihren Lebensstil anpassen. Ern&auml;hrung und Bewegung sind daf&uuml;r die Schl&uuml;ssel. Gerade der Bewegungsmangel ist bei Frauen ein h&ouml;herer Risikofaktor als bei M&auml;nnern. Daf&uuml;r kann eine Lebensstil&auml;nderung mit sportlicher Bet&auml;tigung bei Frauen besonders gut vor Herz-Kreislauf-Komplikationen sch&uuml;tzen. Aber auch am Beginn der Geschlechtsreife gibt es einen Risikofaktor: Eine fr&uuml;he Menarche bedeutet ein um 20 Prozent h&ouml;heres Risiko f&uuml;r Typ-2-Diabetes.&ldquo;</p> <h2>Risikofaktor Nr. 1 f&uuml;r Frauen: Schwangerschaftsdiabetes</h2> <p>Der gr&ouml;&szlig;te Risikofaktor f&uuml;r Frauen, an Typ-2-Diabetes zu erkranken, ist der Schwangerschaftsdiabetes. 50 bis 70 % der Frauen mit Schwangerschaftsdiabetes erkranken in den darauf folgenden 10 bis 15 Jahren daran. Bei M&uuml;ttern mit Schwangerschaftsdiabetes, die ein M&auml;dchen geboren haben, ist dieses Risiko nochmals erh&ouml;ht; wobei aber das prim&auml;re Risiko, einen Schwangerschaftsdiabetes zu bekommen, h&ouml;her ist, wenn Frauen mit einem Buben schwanger sind.<br /> &bdquo;Besonders wichtig f&uuml;r die weitere Risikoabsch&auml;tzung ist der orale Glukosetoleranztest (OGTT) sechs bis zehn Wochen nach der Geburt, der auch zur Neubeurteilung der Glukosetoleranz basierend auf Studien und internationalen Guidelines notwendig ist. Diese Nachbeobachtung ist im Mutter-Kind-Pass nicht geregelt. Bisher wird meist nur direkt nach der Geburt der Blutzucker kontrolliert, was auch bei unauff&auml;lligen Werten nicht bedeutet, dass die Mutter kein h&ouml;heres Diabetesrisiko hat. Die Compliance der frischgebackenen M&uuml;tter zur weiteren OGTT-Nachkontrolle ist in &Ouml;sterreich derzeit mit ungef&auml;hr 30 % sehr schlecht. Die meisten M&uuml;tter kommen erst wieder nach Jahren mit einem manifesten Diabetes oder Komplikationen zum Arzt. Eine gute M&ouml;glichkeit, um M&uuml;tter sechs bis zehn Wochen nach der Geburt zum Zuckerbelastungstest zu bringen, w&auml;re, f&uuml;r M&uuml;tter nach Schwangerschaftsdiabetes diese Untersuchung in den Mutter- Kind-Pass aufzunehmen. Mit der Untersuchung nach diesem Zeitraum, wenn sich erste Routinen eingestellt haben und die akuten Geburtsbelastungen weggefallen sind, l&auml;sst sich das Risiko f&uuml;r einen auf den Gestationsdiabetes folgenden Typ-2-Diabetes absch&auml;tzen und die daraus folgenden notwendigen Pr&auml;ventions- oder Interventionsma&szlig;nahmen k&ouml;nnen gut abgeleitet werden&ldquo;, erl&auml;utert Kautzky-Willer. Neben dem Schwangerschaftsdiabetes gibt es einen weiteren Risikofaktor f&uuml;r Typ-2-Diabetes, der nur Frauen betrifft: Das polyzystische Ovarsyndrom erh&ouml;ht das Risiko um 20 bis 30 % . Etwa 10 % aller geb&auml;rf&auml;higen Frauen bekommen ein polyzystisches Ovarsyndrom. Hierbei haben die Frauen erh&ouml;hte m&auml;nnliche Sexualhormone, die zwar bei M&auml;nnern sch&uuml;tzend wirken, aber bei Frauen ein erh&ouml;htes Diabetesrisiko mit sich bringen.</p> <h2>Herzinfarkt und Schlaganfall &ndash; bei Diabetes keine M&auml;nnerdom&auml;ne</h2> <p>Bei M&auml;nnern mit Diabetes ist das Herzinfarktrisiko um das Zwei- bis Dreifache h&ouml;her als bei Gesunden, bei Frauen mit Diabetes aber bis um das Vierfache. Frauen mit Diabetes haben im Vergleich mit M&auml;nnern mit Diabetes ein um 30 % erh&ouml;htes Risiko f&uuml;r Schlaganf&auml;lle und Herzinfarkte. Gerade bei Frauen mit Diabetes sind vor der Menopause auch Herzerkrankungen ohne nachweisbaren Gef&auml;&szlig;verschluss h&auml;ufig, aufgrund von Durchblutungsst&ouml;rungen der kleinsten Gef&auml;&szlig;e und Gef&auml;&szlig;verkrampfungen. Obwohl neue Untersuchungen zeigen, dass aufgrund der besseren Behandlung die Sterblichkeit an Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei Diabetes im letzten Jahrzehnt st&auml;rker r&uuml;ckl&auml;ufig war als bei Nichtdiabetikern, stirbt noch immer ungef&auml;hr die H&auml;lfte der Menschen mit Diabetes an Herzinfarkt, Schlaganfall, Herzschw&auml;che, Rhythmusst&ouml;rungen oder anderen Gef&auml;&szlig;komplikationen.<br /> Kautzky-Willer dazu: &bdquo;Auff&auml;llig ist dabei, dass gerade Frauen und junge Menschen mit Diabetes weniger von den Fortschritten bei den Behandlungsmethoden profitiert haben. Insgesamt ist bei Frauen mit Diabetes das relative Risiko, nach einem Herzinfarkt zu sterben, h&ouml;her als bei M&auml;nnern mit Diabetes. Frauen mit Diabetes, die wegen einer koronaren Herzkrankheit eine Stent-OP hatten, haben ein um 40 % h&ouml;heres Risiko, wieder ein koronares Ereignis zu haben. M&auml;nner haben dagegen ein um 30 % h&ouml;heres Risiko. Das Risiko f&uuml;r Tod durch ein kardiovaskul&auml;res Ereignis liegt bei Frauen mit Diabetes bei 30 % , bei M&auml;nnern mit Diabetes bei 15 % , wie eine aktuelle Studie unserer Abteilung in Kooperation mit dem Wilhelminenspital zeigte.&ldquo;</p> <h2>Stress und Diabetesdisstress &ndash; leider eine Frauendom&auml;ne</h2> <p>Psychosozialer Stress ist bei Frauen ein st&auml;rkerer Risikofaktor als bei M&auml;nnern. Schlafmangel, Schichtarbeit, Doppelbelastung, niedriger Sozialstatus und schlechte Bildung sind Faktoren, die psychosozialen Stress und das Diabetesrisiko verst&auml;rken. Frauen sind auch h&auml;ufiger von psychischen Problemen einschlie&szlig;lich Essst&ouml;rungen als Komplikation des Diabetes betroffen, wodurch das Risiko f&uuml;r weitere Komplikationen steigt, denn bei psychosozialem Stress liegen die Priorit&auml;ten anderswo, der Diabetes wird vernachl&auml;ssigt, die Einstellung der Therapie wird schlechter und die Behandlung durch zunehmende Insulinresistenz und vom Gehirn gesteuerte hormonelle Ver&auml;nderungen schwieriger. Depressionen liegen bei Frauen mit Diabetes fast doppelt so h&auml;ufig wie bei M&auml;nnern vor, was die Prognose wiederum verschlechtert.<br /> Diabetes ist zus&auml;tzlich eine Erkrankung mit relativ hohen organisatorischen Anforderungen. Die Betroffenen m&uuml;ssen oft mehrmals t&auml;glich Blutzucker messen, ihre Ern&auml;hrung auf die Behandlung abstimmen und ausreichend Bewegung in ihren Alltag einbauen. Das st&auml;ndige &bdquo;Einhalten-M&uuml;ssen&ldquo; dieser Anforderungen kann selbst zu einer emotionalen &Uuml;berlastung f&uuml;hren &ndash; dem sogenannten Diabetesdisstress. &bdquo;Diabetesdisstress f&uuml;hrt wieder zu schlechterer F&uuml;rsorge in Bezug auf den eigenen Diabetes und dadurch zu schlechterer Stoffwechselkontrolle. Die Folge sind Akutkomplikationen bis hin zu chronischen Folgen mit mehr Sp&auml;tsch&auml;den &ndash; je nach Dauer der Disstress-Phase. Zwischen 20 und 45 % aller Menschen mit Diabetes sind von dieser Art von Stress betroffen. Von den Betroffenen sind drei Viertel Frauen und ein Viertel M&auml;nner&ldquo;, erkl&auml;rt Kautzky-Willer.</p> <h2>Typ-1-Diabetes &ndash; weniger Frauen, aber komplizierter</h2> <p>Normalerweise sind Frauen h&auml;ufiger von Autoimmunerkrankungen betroffen, aber von Typ-1-Diabetes sind insgesamt mehr M&auml;nner betroffen. Jedoch erkranken bis zur Pubert&auml;t mehr M&auml;dchen, danach mehr Buben. Wenn M&auml;dchen vor ihrem 10. Lebensjahr an Typ-1-Diabetes erkranken, verlieren sie im Durchschnitt 18 Lebensjahre. Wenn Buben vor ihrem 10. Lebensjahr an Typ-1-Diabetes erkranken, verlieren sie im Durchschnitt 14 Lebensjahre. Bei Frauen mit Typ-1-Diabetes schwanken durch die Menstruation die Blutzuckerwerte zus&auml;tzlich. Kurz davor sind h&ouml;here Mengen Insulin notwendig, mit Beginn der Menstruation niedrigere. Der weibliche Stoffwechsel ist komplexer, das macht es aufwendiger, die richtige individuelle Therapieeinstellung zu finden.</p> <h2>Diabetestherapie &ndash; Frauen haben es schwerer</h2> <p>Bei den verf&uuml;gbaren Therapieoptionen bestehen f&uuml;r Frauen mit Diabetes ebenfalls h&ouml;here Risiken, die man in der Therapie beachten muss. So f&uuml;hren SGLT2- Hemmer bei Frauen zu vermehrten Harnwegsinfekten und Pilzinfektionen. Diese Medikamente k&ouml;nnen auch zur gef&auml;hrlichen Ketoazidose f&uuml;hren und davon sind wiederum Frauen h&auml;ufiger betroffen. Allerdings profitieren Frauen auch besonders von Vorteilen dieser Substanzklasse, wie Gewichtsabnahme, Verminderung der Herz-Kreislauf-Sterblichkeit und weniger Unterzuckerungen. Bei der Gruppe der Glitazone wiederum sind Frauen im Vergleich zu M&auml;nnern von einem h&ouml;heren Risiko f&uuml;r Knochenbr&uuml;che betroffen. Unter Insulintherapie bei Typ-2-Diabetes besteht f&uuml;r Frauen eine h&ouml;here Gefahr f&uuml;r Hypoglyk&auml;mien &ndash; oft haben sie weniger Gewicht als M&auml;nner, die Dosierung ist bei ihnen schwieriger, es kommt leichter zu einer Unterzuckerung w&auml;hrend des Schlafes.</p></p> <p class="article-quelle">Quelle: Presseaussendung der Österreichischen Diabetes Gesellschaft, 6. März 2019 </p>
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