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Präventionsstrategien bei Kniegelenksverletzungen

<p class="article-intro">Präventionsprogramme können die Inzidenz an VKB-Rupturen verringern und damit auch Folgeverletzungen und Spätfolgen wie die sekundäre Gonarthrose verhindern. Metaanalysen konnten einen signi kanten klinischen Nutzen von Präventionsprogrammen zeigen, wobei dieser bei Frauen geringer als bei Männern ausfällt. Für den Au au von Präventions- programmen ist es wichtig, zwischen intrinsischen und extrinsischen Risikofaktoren einerseits und beein ussbaren und nicht beein ussbaren Faktoren andererseits zu unterscheiden. Die meisten Risken lassen sich beein ussen. Präventionsprogramme beinhalten eine Vielzahl von verschiedenen Trainingsaspekten, wobei auch ein adäquates Aufwärmtraining zur Verletzungsprävention zu berücksichtigen ist.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Eine rezente deutsche Untersuchung zeigt, dass es bei Mannschaftssportarten, im Speziellen Fu&szlig;ball, Volleyball und Basketball, &uuml;berm&auml;&szlig;ig h&auml;ufig zu Verletzungen der unteren Extremit&auml;ten kommt. Neben Zerrungen sind Bandverletzungen und Prellungen, gefolgt von Frakturen, die h&auml;ufigsten Verletzungen. Etwa 60 % dieser Verletzungen geschehen in Wettkampfsituationen, 40 % im Trainingssetting. Im Ballsport entstehen Knieverletzungen bei der Landung nach einem Sprung, w&auml;hrend schneller Richtungswechsel oder Abbremsbewegungen. Oft handelt es sich um kombinierte Verletzungen mit Meniskus-, Knochen- und Bandbeteiligung. Etwa jede Stunde kommt es zu einer Ruptur eines vorderen Kreuzbandes (VKB) in &Ouml;sterreich, wobei ca. 10 000 VKB-Rupturen j&auml;hrlich operiert werden.<br />VKB-Rupturen f&uuml;hren in vielen F&auml;llen zu einer instabilen Kniegelenkssituation. Mit einem instabilen Kniegelenk geht ein h&ouml;heres Risiko f&uuml;r Meniskus- und Knorpell&auml;sionen einher. Durch unbehandelte VKB-Rupturen, Instabilit&auml;t und Folgeverletzungen erh&ouml;ht sich die Inzidenz der Gonarthrose bzw. gilt das beschleunigte Auftreten einer Arthrose als erwiesen. <br />Durch einen Anstieg an Risikosportarten wurde bereits 2009 in einer Arbeit eine j&auml;hrliche Zunahme von 20 % an VKB-Rupturen postuliert. Daneben ist bekannt, dass vor allem bei j&uuml;ngeren Patienten einer von drei eine Reruptur innerhalb von 10 Jahren erleidet. Die Gesamtrezidivrate von VKB-Rupturen &uuml;ber alle Altersklassen hinweg wird mit bis zu 23 % beziffert. Dar&uuml;ber hinaus erleiden 7&ndash;24 % der Patienten auch eine Ruptur an der kontralateralen Seite. <br />Die steigenden Zahlen an Operationen, daraus folgenden Rehabilitationen, Krankenst&auml;nden der zumeist im Berufsleben stehenden Personen sowie Folgesch&auml;den nach VKB-Rupturen f&uuml;hren zu enormen Kosten, sodass in besonderem Ma&szlig;e auch eine sozio&ouml;konomische Relevanz der VKB-Ruptur in Betracht gezogen werden muss.<br />Aus den genannten Gr&uuml;nden kommt Pr&auml;ventionsma&szlig;nahmen eine wichtige Bedeutung zu, um die Zahl an VKB-Rupturen zu verringern, aber auch volkswirtschaftlich Kosten zu sparen. In diesem Zusammenhang konnte gezeigt werden, dass sich die entstehenden Kosten f&uuml;r relativ teure Pr&auml;ventionsprogramme aus Public-Health-Sicht durch entsprechende Einsparungen bei der Unfallvermeidung jedenfalls rentieren.</p> <h2>EBM von Pr&auml;ventionsstrategien</h2> <p>In der Vergangenheit konnte nach evidenzbasierten Kriterien mehrfach gezeigt werden, dass Pr&auml;ventionsprogramme in der Lage sind, Verletzungen im Bereich des Kniegelenks zu reduzieren. Auch die aktuellen S1-Leitlinien der DGU und der &Ouml;GU zur Therapie der VKB-Ruptur beinhalten Empfehlungen zur Pr&auml;vention, einschlie&szlig;lich der Etablierung von Pr&auml;ventionsprogrammen (Tab. 1). Dabei wird auch auf notwendige Programme speziell f&uuml;r Frauen und M&auml;dchen in Risikosportarten verwiesen, da bekannterma&szlig;en das weibliche Geschlecht bis zu viermal h&auml;ufiger von VKB-Rupturen betroffen ist. Auch Versicherer setzen auf Pr&auml;vention, wie beispielsweise die Verwaltungs-Berufsgenossenschaft (VBG), ein Tr&auml;ger der gesetzlichen Unfallversicherung in Deutschland.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Ortho_1805_Weblinks_s12_1.jpg" alt="" width="2150" height="1875" /><br />Studien zeigten, je mehr Pr&auml;vention ein Sportler betreibt, desto seltener ist er verletzt. In einer Arbeit konnte beispielsweise ein Training von 30 Minuten pro Woche das Verletzungsrisiko bez&uuml;glich einer VKB-Ruptur bereits um 70 % reduzieren. Metaanalysen von Pr&auml;ventionsprogrammen konnten mehrfach zeigen, dass es zu einer signifikanten Reduktion von Kreuzbandrupturen nach Pr&auml;ventionsprogrammen im Ausma&szlig; von durchschnittlich 27&ndash;51 % kommen kann. Eine Arbeit zeigte sogar eine Risikoreduktion durch Pr&auml;ventionsprogramme von bis zu 85 % bei M&auml;nnern, bei Frauen hingegen nur von 52 % .<br />Insgesamt ist die Ruptur des VKB in der Pr&auml;vention die am besten untersuchte Verletzung am Kniegelenk, weshalb dieser Artikel sich auch im Wesentlichen mit Pr&auml;ventionsstrategien zur Vermeidung von VKB-Verletzungen besch&auml;ftigt.</p> <h2>Verletzungsanalyse und Risikofaktoren</h2> <p>Um geeignete Pr&auml;ventionsstrategien entwickeln zu k&ouml;nnen, m&uuml;ssen Unfallursache und -hergang bekannt sein. Als Risikosportarten gelten &bdquo;Stop and go&ldquo;-Sportarten wie Ballsportarten, allen voran Fu&szlig;ball, Handball und Basketball, aber auch alpiner Schisport und Kampfsportarten wie Judo. 72&ndash;95 % der VKB-Verletzungen entstehen in sogenannten Nichtkontaktsituationen, das hei&szlig;t ohne Fremdeinwirkung. Interessanterweise zeigt eine aktuelle Arbeit, dass bei der Initialruptur h&auml;ufiger das linke Kniegelenk betroffen ist. Videoanalysen haben geholfen, die Unfallmechanismen, die im Wesentlichen immer auf einen von drei m&ouml;glichen Mechanismen zur&uuml;ckzuf&uuml;hren sind, und die K&ouml;rperposition mit den Krafteinwirkungen, die zur Ruptur f&uuml;hren, zu verstehen (Tab. 2). <br />Neben dem Unfallmechanismus m&uuml;ssen au&szlig;erdem Risken, die zu Verletzungen pr&auml;disponieren, bekannt sein, um sie nach M&ouml;glichkeit ausschalten oder reduzieren zu k&ouml;nnen. Dabei wird zwischen intrinsischen Faktoren, die das Individuum betreffen, und extrinsischen, d.h. &auml;u&szlig;eren, Umweltfaktoren unterschieden. In beiden F&auml;llen gibt es vermeidbare Risken, aber auch solche, die sich nicht reduzieren lassen (Tab. 3).<br />Wesentliche extrinsische Faktoren, welche die Rate an VKB-Rupturen beeinflussen, sind zum Beispiel Sportschuhe und der Spielbelag oder Wetterbedingungen. So konnte gezeigt werden, dass im American Football die Rate an VKB-Rupturen mit Schuhen mit einer hohen Anzahl an Stollen geringer war. Au&szlig;erdem kann beispielsweise im Fu&szlig;ball in der Pause durch W&auml;sserung der Spielfl&auml;che das Risiko f&uuml;r eine VKB-Ruptur reduziert werden. Die nicht beeinflussbaren intrinsischen Faktoren stellen vor allem f&uuml;r Frauen einen Nachteil dar. Bei den beeinflussbaren intrinsischen Faktoren ist es das Ziel, neuromuskul&auml;re Ungleichgewichte und biomechanische Probleme im Training in der Form auszugleichen, dass es im Wettkampf und Ernstfall korrekte, automatisierte Kontrollabl&auml;ufe gibt. Einer relativen Beeinflussbarkeit unterliegen zum Beispiel das K&ouml;rpergewicht und die Beinachse, die operativ korrigiert werden k&ouml;nnte. In Summe z&auml;hlt die Mehrzahl an Risken zu den beeinflussbaren Faktoren.<br />Der Vollst&auml;ndigkeit halber soll erw&auml;hnt sein, dass sportassoziierte Verletzungen durch das Risiko Sport per se vermieden werden k&ouml;nnen, wenn man keinen Sport aus&uuml;ben und somit eine gewisse &bdquo;Expositionsprophylaxe&ldquo; betreiben w&uuml;rde.</p> <h2>Pr&auml;ventionszeitpunkte</h2> <p>In der Pr&auml;vention kann zwischen Prim&auml;r-, Sekund&auml;r- und Terti&auml;rpr&auml;vention unterschieden werden. Die Prim&auml;rpr&auml;vention von VKB-Rupturen hat das Ziel, die Entstehung von VKB-Rupturen zu vermeiden, und bildet somit den Gro&szlig;teil der Pr&auml;ventionsprogramme. Durch eine Vielzahl von verschiedenen Trainingsprogrammen, die sich aus mehreren Aspekten zusammensetzen (siehe unten), soll das Entstehen einer VKB-Ruptur g&auml;nzlich verhindert werden. Die Sekund&auml;rpr&auml;vention soll das Fortschreiten der Erkrankung verhindern, also durch eine fr&uuml;hzeitige Entdeckung der Pathologie Folgesch&auml;den minimieren. Die Terti&auml;rpr&auml;vention beinhaltet die R&uuml;ckfallprophylaxe und die Verringerung der Schwere und Ausweitung des Zustandsbildes. In der Regel handelt es sich dabei um bereits operierte Patienten, die dieselben &Uuml;bungen durchf&uuml;hren wie Patienten in der Prim&auml;rpr&auml;vention.</p> <h2>Screeningtests</h2> <p>Mithilfe von definierten Screeningtests, beispielsweise dem Drop Jump Screening Test, kann das Risiko f&uuml;r verschiedene Sportler &ndash; wie wahrscheinlich ein VKB-Verletzungsereignis ist &ndash; bestimmt werden. Damit wird festgestellt, ob der Sportler von einem Pr&auml;ventionsprogramm profitiert. Diese Screeningtests k&ouml;nnen initial und dann auch im Verlauf zur Beurteilung des Erfolges der Pr&auml;ventionsprogramme eingesetzt werden. Unterst&uuml;tzend k&ouml;nnen hier Videoanalysen eingesetzt werden.</p> <h2>Aufbau von Pr&auml;ventions&shy;programmen</h2> <p>Die meisten Pr&auml;ventionsprogramme haben einen standardisierten Aufbau. Dieser Aufbau beinhaltet f&uuml;nf wichtige Schl&uuml;sselpunkte (Tab. 4). Dabei f&auml;llt der Schulung und Aufkl&auml;rung &uuml;ber Unfallursachen sowie der Modifikation potenziell gef&auml;hrdender Bewegungsmuster eine besondere Bedeutung zu. Das Krafttraining hat die h&ouml;chste Priorit&auml;t, wobei vor allem die Knieflexoren, H&uuml;ftabduktoren und Rumpfstabilisatoren trainiert werden. Die Rumpfkr&auml;ftigung erh&ouml;ht die Kontrollfunktion. Auch ein gutes Aufw&auml;rmtraining vermag Knieverletzungen um ca. 27 % und spezifisch VKB-Verletzungen sogar um 50 % zu reduzieren. Mittlerweile gibt es eine Vielzahl an etablierten Programmen. Exemplarisch sind einige der bekanntesten in Tabelle 5 aufgef&uuml;hrt.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Ortho_1805_Weblinks_s12_2.jpg" alt="" width="2150" height="537" /><br />Eine heuer publizierte Arbeit konnte zeigen, dass das FIFA-11-Programm einen gr&ouml;&szlig;eren biomechanischen Effekt bei j&uuml;ngeren weiblichen Patienten erzielte als bei &auml;lteren Adoleszenten. Gemeinsames Ziel aller Programme ist die sorgf&auml;ltige und regelm&auml;&szlig;ige Kontrolle eines korrekten Bewegungsablaufes unter bewusster Vermeidung von Positionen und Stellungen, die Verletzungen nach sich ziehen k&ouml;nnen. Besonderes Augenmerk wird dabei auf einen dynamischen Knievalgus, eine ausw&auml;rtsrotierte Fu&szlig;stellung sowie einen zu aufrechten Oberk&ouml;rper gelegt. Die verwendeten Techniken dabei sind neuromuskul&auml;res Training, Gleichgewichtstraining (beispielsweise mit einem Kreisel), Plyometrietraining (eine spezielle Art von Schnellkrafttraining, welches die Valgusstellung vermindert), Krafttraining sowie Beweglichkeits- und Agilit&auml;tstraining. Einige neuere Techniken wie Partnertraining, Videofeedback, visuelle Simulation und inertialsensorbasiertes Echtzeit-Feedback konnten das motorische Lernen weiter verbessern. Durch einen externen Aufmerksamkeitsfokus lassen sich die automatische Bewegungskontrolle und die Gesamtleistung weiter verbessern. Gem&auml;&szlig; der &bdquo;Constrained action&ldquo;-Hypothese wird durch einen Fokus auf den Bewegungseffekt die Nutzung unbewusster, automatischer Prozesse beg&uuml;nstigt. Der externe Fokus f&uuml;hrt durch eine Automatisierung des Transfers von der &Uuml;bung zur Anwendung im Sport zu einem langfristigen Erfolg.</p></p>
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