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Plädoyer für mehr körperliche Bewegung

Vergangenen Dezember richtete das Universitätsinstitut für präventive und rehabilitative Sportmedizin der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität Salzburg das 1. Salzburger Symposium für Prävention und Rehabilitation – EU Take Heart Project – und auch die Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft für ambulante kardiologische Rehabilitation (AGAKAR) aus. Darauf folgte das 5. Österreichisch-Deutsche Symposium für Sportkardiologie, in dessen Rahmen auch die Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention (ÖGSMP) stattfand.


Unter den 331 Teilnehmern herrschte großes Interesse an den zwei Tage dauernden Veranstaltungen, bei denen Experten aus ganz Österreich, Deutschland und der Schweiz in ihren Vorträgen praxisnah klinische Fortschritte und aktuelle Forschungsergebnisse präsentierten. Es wurde über optimale Präventions- und Therapieansätze einschließlich der ambulanten und stationären Rehabilitation eingehend referiert. Auch berichteten Kardiologen und Sportmediziner über den aktuellen Stand in der Sportkardiologie.

Stellenwert der körperlichen Bewegung in Prävention und Therapie

Erfreulicherweise wird – jung oder alt, gesund oder krank – immer öfter ein aktiver und somit gesunder Lebensstil empfohlen, der ausreichend körperliche Aktivität beinhaltet. Wie in einer rezenten Studie betont wurde, kann dies auch nicht oft und laut genug gesagt werden. Denn tatsächlich ist langes Sitzen lebensgefährlich – außer man ist Sportler!
Von klein an üben wir uns in stundenlangem Sitzen und erlangen hierin spätestens zum Ende der Schulzeit wahre Perfektion. Ohne nennenswerte Unterbrechungen und jegliche Form der körperlichen Aktivität können wir den ganzen Tag sitzen: auf dem Weg zur Arbeit im Auto, Bus oder Zug, am Arbeitsplatz und dann am Abend zur „Erholung“ von den Strapazen des Alltags auf dem Sofa. Wer kurz in sich geht und die Stunden, die er sitzend verbringt, addiert, wird feststellen, dass nahezu jeder über 4 Stunden am Tag sitzend verbringt; der Großteil der Bevölkerung bringt es sogar auf 8 Stunden und mehr. Tatsächlich ist dies eine Qualifikation, die für viele Berufe eine Grundvoraussetzung ist – warum sonst hätten wir dies über so viele Jahre so konsequent einstudiert?
Nun mehren sich seit vielen Jahren zunächst zaghafte Hinweise, mittlerweile aber harte Fakten, dass langes Sitzen bzw. Bewegungsmangel nicht nur das Entstehen von Übergewicht, hohem Blutdruck, Diabetes mellitus und vielen anderen Risikofaktoren begünstigt, sondern dass darüber hinaus diese Risikofaktoren schließlich zu einer Zunahme der Zahl an Todesfällen aufgrund von Herzinfarkt, Krebs und Schlaganfall führen. Obwohl Bewegungsmangel für diese Erkrankungen ein genauso starker Risikofaktor ist wie das Rauchen, wird hierüber im Allgemeinen und beim Arztbesuch im Speziellen so gut wie nicht gesprochen. Während Werte von Blutzucker, Blutfetten und Blutdruck akribisch gemessen und gegebenenfalls auch medikamentös beeinflusst werden, wird die Leistungsfähigkeit des Einzelnen nur in Ausnahmefällen getestet – und das, obwohl die Fitness einen größeren Einfluss auf die Anzahl gesunder Lebensjahre und auch die Lebenserwartung insgesamt hat als die zuvor genannten Faktoren. Tatsächlich wäre ein jeder gut beraten, um seine körperliche Fitness insgesamt, aber auch im Vergleich zu Altersgenossen Bescheid zu wissen. Da man nur diejenigen Dinge ändert, die man auch misst, ist es längst an der Zeit, auch hier im Sinne der Vorsorge aktiv zu werden.
In einer rezenten großen und repräsentativen Studie wurde gezeigt, dass langes Sitzen mit einer höheren Sterbewahrscheinlichkeit einhergeht. Besonders ungünstig schnitt dabei das Sitzen vor dem Fernseher ab. Die gute Nachricht der Studie liegt darin, dass man sich vor dieser erhöhten Sterblichkeit nicht nur durch ein Vermeiden des vielen Sitzens schützen kann, sondern auch durch eine gute körperliche Fitness.
Die Autorengruppe hat die aktuelle Literatur durchforstet und in einem Kollektiv von über einer Million Frauen und Männern den Einfluss von Sitzen auf die Lebenserwartung untersucht. Verglichen wurde die Sterblichkeit von Personen, die weniger als 4 Stunden pro Tag saßen, mit solchen, die mehr als 8 Stunden am Tag sitzend verbrachten. Als „Sitzen“ wurde nicht nur das Sitzen am Arbeitsplatz, sondern das Sitzen insgesamt gewertet, also auch das auf dem Weg zur Arbeit im Auto/ Bus/Zug, während der Arbeit und auch am Abend in geselliger Runde oder vor dem Fernseher. Im Ergebnis konnte klar gezeigt werden, dass die Sterblichkeit mit der Anzahl der Stunden, die sitzend verbracht werden, kontinuierlich ansteigt. Hierbei fanden die Autoren heraus, dass 5 Stunden Sitzen vor dem Fernseher eine genauso hohe Sterblichkeit zur Folge hatten wie 8 Stunden Sitzen ohne Fernsehen. Im Vergleich zu einem weniger sitzenden Lebensstil war somit beides tödlich; die Gefahr, die im Sitzen vor dem Fernseher lauerte, war jedoch höher. Wenngleich die Autoren nicht nachweisen konnten, woran dies lag, so spekulierten sie, dass hierfür der Konsum von klassischer „Fernsehkost“ in Form von hochkalorischer, oft auch zu fetter Nahrung, wie z.B. Kartoffelchips und anderen als nicht gerade gesund eingestuften, aber für den Fernsehabend typischen Nahrungsmitteln, verantwortlich war, da diese Form der Kost vor dem Fernseher ihren „Stammplatz“, am Arbeitsplatz aber meist nichts zu suchen hat.
Wenngleich viele Stunden des Sitzens für alle als gesundheitlich ungünstig einzustufen war und die Sterblichkeit mit der Anzahl der „Sitzstunden“ kontinuierlich anstieg, so nahm dieser bedenkliche Effekt mit Umfang und Intensität der körperlichen Aktivität ab. Hatten Probanden, die nur 5 Minuten pro Tag körperlich aktiv waren, das höchste Sterblichkeitsrisiko sowohl in der Gruppe derer, die weniger als 4 Stunden, als auch in der Gruppe derjenigen, die 4–6 Stunden, 6–8 Stunden, 8 Stunden oder mehr im Sitzen verbrachten, so nahm das Risiko bei denen, die täglich 25–35, 50–65 bzw. 60–75 Minuten mit sportlicher Bewegung verbrachten, kontinuierlich ab. Tatsächlich bestand für diejenigen, die 60–75 Minuten pro Tag sportlich aktiv waren, kein erhöhtes Sterberisiko, selbst dann nicht, wenn sie mehr als 8 Stunden am Tag sitzend verbrachten. Somit konnte durch körperliche Fitness nahezu dosisabhängig der nachteilige Effekt, der durch das Sitzen verursacht wurde, ausgeglichen werden. Ein ähnliches Bild zeigte sich für die Zeit vor dem Fernseher. Allerdings war es auch den Fitten nicht möglich, den negativen Effekt des Sitzens vor dem Fernseher bzw. des damit einhergehenden Essverhaltens komplett auszugleichen.

Keinen Sport zu treiben ist so ungesund wie Rauchen!

Bewegung und Sport haben sich bei vielen Krankheitsbildern als ein ernst zu nehmendes, die Medikation ergänzendes und dieser teilweise überlegenes Therapeutikum etabliert. Tatsächlich hat die körperliche Fitness einen größeren Einfluss auf die Lebenserwartung als Blutzucker, Blutdruck, Blutfett und Übergewicht. Wesentlich hierbei ist aber, dass man die eigenen gesundheitlichen Stärken und Schwächen kennt. Es stellt sich nämlich nicht die Frage, ob man gesund genug ist zum Sporttreiben, sondern es geht darum, herauszufinden, welche Bewegungsform/ Sportart in welcher Dosierung ausgeübt werden darf und soll.

Die Angst, keinen Sport mehr treiben zu dürfen, gehört der Vergangenheit an. Sie betrifft lediglich akute Erkrankungen und ist somit vorübergehender Natur. Denn wer sich nicht körperlich betätigt, tritt in eine Teufelsspirale ein, wo Schonung zu Dekonditionierung und diese zu weiterer Leistungseinbuße führt, welche Symptome verstärkt und oft auch die Prognose verschlechtert!

Obwohl die Wahrscheinlichkeit, an einer koronaren Herzkrankheit zu sterben, dank des medizinischen Fortschritts gesunken ist, nimmt die Zahl der Neuerkrankungen weiterhin zu und so stellen Herz- Kreislauf-Erkrankungen unverändert die Haupttodesursache sowohl bei Frauen als auch bei Männern dar. Trotz dieser erdrückenden Dynamik unterscheidet sich die koronare Herzkrankheit von vielen anderen Erkrankungen durch eine erfreuliche Eigenschaft: Sie ist zum Großteil verhinderbar, meist aufschiebbar und bei intensivem Training sogar teilweise reversibel.

Flächendeckende Präventionsund Rehabilitationsprogramme erforderlich

Sowohl ihre erste Manifestation als auch das Voranschreiten der Erkrankung können durch vorbeugende Maßnahmen verhindert bzw. aufgeschoben werden. Die Lebensstilmodifikation durch regelmäßiges körperliches Training, eine herzgesunde Ernährung und die Entwöhnung vom Rauchen spielt dabei eine tragende Rolle.
Dies wird nur gelingen, wenn leitlinienkonforme Präventions- bzw. Rehabilitationsprogramme flächendeckend, berufsbegleitend und somit wohnortnah angeboten werden. Denn nicht zuletzt ist bei Fitten die Erhaltung und bei Unfitten das Aufbauen von Beweglichkeit, Kraft und Ausdauer unabdingbar, um nicht nur den Krankheitsverlauf zu verlangsamen, sondern auch um die Arbeitsfähigkeit, Lebensqualität und Selbstständigkeit im Alter zu erhalten bzw. zu schaffen. Schon viel zu lange wird dieses Potenzial nicht ausgenutzt, wenngleich wiederholt belegt wurde, dass eine Investition in Prävention und Rehabilitation sich leicht rechnet. Weder körperlich Inaktive noch Patienten schaffen es alleine, zu einem aktiveren Lebensstil zu finden. Dies wird nicht zuletzt durch den jährlich steigenden BMI der Bevölkerung dokumentiert. Dies zwar zur Kenntnis zu nehmen, aber keine Programme aufzulegen, die evidenzbasiert dem entgegensteuern, ist für Gesunde und für Patienten buchstäblich fatal und auf lange Sicht für die Gesellschaft nicht finanzierbar. Es ist längst an der Zeit, dass Selbsthilfegruppen, aber auch Vertreter der medizinischen Fachgesellschaft für dieses Ziel mit Politikern und Versicherern in einen konstruktiven Dialog eintreten.

beim Verfasser

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