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OSG-Prothetik via transfibulären Zugang
Leading Opinions
Autor:
PD Dr. med. Fabian Krause
Leitender Arzt Fuss- und Sprunggelenkschirurgie, Departement für Orthopädische Chirurgie<br> Inselspital, Universität Bern<br> E-Mail: fabian.krause@insel.ch
30
Min. Lesezeit
02.03.2017
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<p class="article-intro">Der Artikel berichtet über die ersten eigenen klinischen Erfahrungen und Ergebnisse einer erst vor ca. drei Jahren in Europa eingeführten neuen OSG-Prothese, welche über einen transfibulären Zugang implantiert wird. Die OP-Technik ist zwar gewöhnungsbedürftig und zeitaufwendiger als bei bisherigen Prothesendesigns, die ersten Ergebnisse sind aber vielversprechend.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Die TM-Zimmer-OSG-Prothese ist ein neuer, über eine Fibulaosteotomie von lateral her eingebrachter 3-Komponenten- «Fixed-bearing»-Gelenkersatz mit «Trabecular metal»-Oberflächenbeschichtung.</li> <li>Der transfibuläre Zugang bietet einige wesentliche Vorteile, die befürchteten Nachteile haben sich bisher nicht bestätigt.</li> <li>Die Operation benötigt mehr Zeit als andere Prothesendesigns, für das Zusammensetzen des Ausrichtungsrahmens ist in der Regel ein Repräsentant des Herstellers erforderlich.</li> <li>Die bisherigen nationalen und internationalen, allerdings lediglich kurzfristigen Ergebnisse sind vielversprechend.</li> </ul> </div> <p>Die TM-Zimmer-OSG-Prothese kam 2011 in den USA und 2014 in Europa auf den Markt. Sie hat ein «Fixed-bearing»- 3-Komponenten-Design, ist an den Oberflächen mit «trabecular metal» beschichtet und wird via Fibulaosteotomie von lateral her implantiert. Um der von der FDA vorgeschriebenen Zementierung zu genügen, verwenden die meisten amerikanischen Fusschirurgen lediglich einen PMMA-Streifen auf den querverlaufenden Schienen («rails») beider metallischer Komponenten. In Europa wird die Prothese in der Regel unzementiert eingesetzt.<br /> Der transfibuläre Zugang bietet gemäss Prothesenhersteller gegenüber dem anterioren Zugang Vorteile. Gerade bei voroperierten Patienten mit posttraumatischen OSG-Arthrosen sei die Wiederverwendung des anterioren Zugangs hinsichtlich Verletzungen der Gefäss-Nerven-Versorgung und Wundheilungsstörungen mit einer höheren Komplikationsrate vergesellschaftet. Der laterale Zugang erlaube eine direkte Aufsicht und Definierung des OSG-Rotationszentrums und damit eine akkurate Rekonstruktion des tibiotalaren Alignments in der Sagittalebene. Nur von lateral her könne die konkav-konvexe Anatomie des Tibiotalargelenkes bei der Knochenresektion berücksichtigt und so eine Minimierung des zu resezierenden Teils des Knochens erzielt werden. Das kurvierte Design führe gegenüber dem geraden Design zu einer insgesamt grösseren Auflagefläche der Komponenten auf einem – wegen der sparsamen Resektion – allseits festeren subchondralen Knochen. Über Verlängerungen und Verkürzungen der osteotomierten Fibula könne ein zusätzliches Realignment von Deformitäten in der Sagittal- und Koronarebene erreicht werden.<br /> Potenzielle Nachteile seien die Notwendigkeit der Fibulaosteotomie und die Durchtrennung von Lig. fibulotalare anterius (ATFL) und Syndesmose, die vor einer kompletten Wiederaufnahme aller Belastungen und Tätigkeiten stabil verheilt sein müsste.</p> <h2>Erfahrungsbericht</h2> <p>Der Erfahrungsbericht basiert auf 22 haupt- und mitverantwortlichen Implantationen von TM-Zimmer-OSG-Prothesen. Alle Patienten wurden in Rückenlage mit angelegter Oberschenkelblutsperre und zumeist in Vollnarkose operiert.<br /> Die grossen Bedenken, dass die Durchtrennung der Syndesmose beim transfibulären Zugang zur Instabilität der Sprunggabel und verzögerten Knochenheilung der Fibula (v.a. bei valgischem Rückfussalignment) führen könnte, haben sich bisher nicht bestätigt. Nachdem anfänglich noch eine Stellschraubenstabilisation bzw. eine Refixation eines osteotomierten Chaput- Fragments durchgeführt worden ist, ist nun eine möglichst distale Fibulaosteotomie, die aber gerade noch die Resektion des tibialen Knochens erlaubt, die Methode der Wahl, um eine ausreichende Syndesmosenstabilität zu gewährleisten (Abb. 1). Die spärliche Durchblutung der distalen Fibula über die Ligg. fibulocalcaneare und fibulotalare posterius, die als einzige Weichteile nach der vollen Exposition noch am Knochen haften, scheint für eine Knochenheilung ausreichend zu sein.<br /> Für das Setzen eines 3,5cm breiten Hebels, der von posterior bis um den medialen Malleolus platziert wird, um beim Fräsen das tibiale Gefäss-Nerven-Bündel zu schützen, ist der Chirurg gezwungen, einen ausgiebigen posterioren Release durchzuführen. Sehr wahrscheinlich trägt dieser unausweichliche Release, der via anterioren Zugang in diesem Ausmass unmöglich ist, zu der generell guten bis sehr guten postoperativen OSG-Dorsalflexion bei.<br /> Die Applikation des Operationsrahmens ist zeitaufwendig und etwas mühsam, aber für das exakte Fräsen der talaren und tibialen Gelenkoberflächen unabdingbar. Für das korrekte Zusammensetzen des Rahmens ist in der Regel die Anwesenheit eines Repräsentanten des Herstellers oder einer für diese Operation speziell ausgebildeten konstanten OP-Pflegeperson erforderlich.<br /> Unterschenkel und Fuss werden dreidimensional im Rahmen ausgerichtet und stabil über Schanzschrauben fixiert. Insbesondere die Einstellung der Rotation, vornehmlich durch Positionieren des Fusses auf der medial 10° angulierten Bodenplatte, ist etwas vage, relevante Rotationsfehler traten bisher jedoch nicht auf. Die Sagittalebene wird anhand der Parallelität der Tibiavorderkante zu Längsstangen des Rahmens per Augenmass eingestellt, dies führte bei lediglich einem der ersten Fälle zu einem negativen Slope (zu wenig Extension) mit störendem anteriorem Impingement. Die bislang problemlose Ausrichtung in der Koronarebene erfolgt bildwandlergesteuert über eine Stange am Rahmen, die sich auf das Zentrum des OSG und des Kniegelenkes projizieren sollte. Über je eine Schanzschraube werden Kalkaneus und Talus und über zwei Schanzschrauben die Tibia am Rahmen fixiert. Varus-Valgus-Korrekturen sowie ein nach anterior oder posterior subluxierender Talus können durch Manipulation an den Schanzschrauben bildwandlerkontrolliert korrigiert werden.<br /> Nachdem die endgültige Implantatgrösse anhand des sagittalen Gelenkverlaufes mittels Schablonen gewählt worden ist (5 unterschiedliche Grössen vorhanden), wird recht einfach, aber exakt die ebenfalls am Rahmen kontrolliert gleitende korrespondierende Resektionslehre am anatomischen Rotationszentrum platziert. Die Manipulation an den Schanzschrauben, die Bestimmung des Rotationszentrums unter guter Aufsicht und das in der Sagittalebene kurvierte Prothesendesign tragen erheblich dazu bei, dass bisher immer ein gutes Alignment in der Sagittalebene ohne Persistenz eines subluxierenden Talus erreicht wurde.<br /> Der subchondral häufig sehr harte Knochen wird vor dem eigentlichen Fräsvorgang mit einem Bohrer unter ständiger Wasserkühlung perforiert und anschliessend mit einer Hochgeschwindigkeitsfräse äusserst exakt reseziert. Die vorgesehene Limitierung des halbkreisförmigen Fräsradius, insbesondere nach anterior, muss unbedingt korrekt eingestellt werden, da ein Fräsen in den Talushals in Kombination mit dem Bohrloch für die Schanzschraube zur Talushalsfraktur führen könnte. Trotz Vergessen der Limitierung und Schwächung des Talushalses um mehr als ein Drittel während einer Operation kam es bislang nicht zu dieser Komplikation.<br /> Das Prothesendesign ist mit je zwei Oberflächenschienen in der Koronarebene ausgerüstet, die für eine Primärstabilität sorgen. Nachdem die Probekomponenten in der Koronar- und v.a. in der Sagittalebene bildwandlergesteuert für eine optimale Abdeckung der knöchernen Oberflächen korrekt ausgerichtet worden sind, werden die Löcher für die Schienen der Komponenten gebohrt. Durch Lösen der Bodenplatte können mediale Aufklappbarkeit, OSGBeweglichkeit und die Dicke des hochvernetzten Polyethylens bestimmt werden.<br /> Die definitiven Implantate und das auf der Tibiaplatte montierte Polyethylen werden über das asphärische Design der Oberflächenschienen «press-fit» in die runden vorgebohrten Knochenlöcher seitlich eingeschlagen und erlauben so meist eine gute Primärstabilität. Zuletzt wird die osteotomierte Fibula anatomisch oder korrigierend fixiert. Der Hersteller empfiehlt dazu eine Verriegelungsplatte, eine 3,5mm-Synthes- Drittelrohrplatte war aber bisher für eine adäquate Knochenheilung stets ausreichend (Abb. 2a–d). Die Operationsdauer betrug im Mittel ca. 2:45 Stunden (2:15 bis 3:45 Stunden).<br /> Um Fibulapseudarthrosen und Syndesmoseninsuffizienzen vorzubeugen, aber auch eine gute Osteointegration des «trabecular metal» zu ermöglichen, ist die Ruhigstellung deutlich länger und vorsichtiger zu wählen als vom Hersteller empfohlen. Ein negativer Einfluss auf die ausnahmslos überraschend gute OSG-Beweglichkeit wurde jedoch nicht gesehen. Je nach intraoperativ erreichter Stabilität der Fibulaosteotomie umfasst die Nachbehandlung daher eine Gipsruhigstellung von 4–6 Wochen mit Teilbelastung nach Wundheilung, gefolgt von einer 10–20kg-Teilbelastung im hohen Künzli-Stabilschuh mit Bewegungsübungen über weitere 4 Wochen. Möglicherweise würde eine Verriegelungsplatte eine frühere Mobilisation erlauben, die Notwendigkeit erscheint jedoch zum jetzigen Zeitpunkt nicht evident.<br /> Leider steht bislang kein TM-Zimmer- Revisionsimplantat zur Verfügung. Der Hersteller ist sich dessen bewusst und verspricht, nach dem bisherigen Erfolg des Primärimplantates, die Entwicklung als ein vordringliches Projekt.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Leading Opinions_Ortho_1701_Weblinks_lo_ortho_1701_s50_abb1.jpg" alt="" width="685" height="1134" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Leading Opinions_Ortho_1701_Weblinks_lo_ortho_1701_s51_abb2.jpg" alt="" width="2150" height="2006" /></p> <h2>Ergebnisse</h2> <p>In der Schweiz überblicken wir seit Januar 2015 bis Januar 2017 26 primäre TMZimmer- OSG-Prothesen aus dem Inselspital Bern (12), Spital STS AG Thun (7), Kantonsspital Winterthur (3), Lindenhofspital Bern (2), Spitalzentrum Biel (1) und Hôpital Riviera-Chablais Monthey (1). An Komplikationen sind intraoperative mediale Malleolarfrakturen mit komplikationsloser Osteosynthese (2), posteriore tibiale Komponentensinterung bei schwerer rheumatoider Arthritis mit Komponentenwechsel und Knochen- bzw. Zementaugmentation (1), anteriores Impingement bei zu wenig Extension der tibialen Komponente, bisher ohne Revision (1), oberflächlicher Wundinfekt mit Débridement (1), tiefer Infekt bei Wundheilungsstörung mit Débridements und zweizeitigem Komponentenwechsel (1), Nachresektion des medialen Gelenkspaltes bei Impingement (1) und Metallentfernung Fibula (1) zu nennen. Berücksichtigt man die steile Lernkurve, sind Anzahl und Umfang der Komplikationen vergleichbar mit anderen Prothesendesigns. Alle Fibulaosteotomien sind in einem Zeitraum zwischen 6 Wochen und 3 Monaten verheilt. Ligamentäre Instabilitäten, insbesondere der Syndesmose, oder relevante radiologische Lysesäume wurden im allerdings noch kurzen Beobachtungszeitraum nicht dokumentiert.<br /> Es liegen auch erste internationale kurzfristige Ergebnisse nach Implantation einer grösseren Anzahl von TM-Zimmer-OSGProthesen vor. Usuelli et al präsentierten im August 2016 die Ergebnisse von 67 Patienten mindestens 12 Monate nach primärer OSG-TP, welche zwischen Mai 2013 und Mai 2015 operiert wurden. Der mittlere American Orthopaedic Foot & Ankle Score (AOFAS) stieg von 33 auf 85 Punkte (max. 100) signifikant an, die mittlere VAS (0–10) für Schmerzen fiel signifikant von 8 auf 2 Punkte und im SF 12 stieg die physikalische Komponente von 32 auf 43 und die mentale Komponente von 45 auf 54 Punkte im Mittel jeweils signifikant an.<br /> Ebenfalls aus dem letzten Jahr, veröffentlicht von Tan et al, stammen die Ergebnisse von 20 OSG-Prothesen-Implantationen durchschnittlich 18 Monate postoperativ (Januar 2013 bis Juni 2014). 12 Monate postoperativ lagen weder eine Fibulapseudarthrose noch ein Implantatversagen vor, eine leichte tibiale Lysezone wurde verzeichnet und 4 Patienten mussten ein weiteres Mal wegen anterioren OSG-Impingements (1), tiefen Infekts und störenden Fibulaimplantats (1) bzw. nur wegen störender Fibulaimplantate (2) operiert werden. Die mittlere VAS für Schmerzen (0– 10) fiel signifikant von 8 auf 2 Punkte, während die VAS für Funktion (0–10) signifikant von 3 auf 7 anstieg.<br /> Auf dem amerikanischen Kongress für Fusschirurgie 2016 berichteten Barg et al von 56 Patienten durchschnittlich 20 Monate nach TM-Zimmer-OSG-Prothesen- Implantation, die zwischen Oktober 2012 und November 2014 operiert worden waren. In der 1-Jahres-Kontrolle gab es keine Fibulapseudarthrosen, 2 Patienten benötigten einen Wechsel der tibialen Prothesenkomponente wegen schmerzhafter Lockerung. Leichte und asymptomatische Lysesäume wurden je nach Zone, vor allem tibial, in bis zu einem Drittel der Fälle radiologisch dokumentiert.</p> <h2>Zusammenfassung</h2> <p>Der transfibuläre Zugang bietet Vorteile für die korrekte Platzierung der Prothesenkomponenten, minimiert die Knochenresektion und ist nicht mit einer höheren Komplikationsrate vergesellschaftet. Berücksichtigt man die steile Lernkurve, sind Anzahl und Ausmass der Komplikationen vergleichbar mit anderen Prothesendesigns. Langzeitergebnisse hinsichtlich Patientenzufriedenheit und Prothesenstandzeiten stehen noch aus.</p></p>
<p class="article-footer">
<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
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<p>beim Verfasser</p>
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