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„Liquid biopsy“ beim Lungenkarzinom
Jatros
30
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14.07.2016
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<p class="article-intro">Im Rahmen der European Lung Cancer Conference (ELCC), die vom 13. bis 16. April 2016 in Genf stattgefunden hat, stellte Dr. Oliver Gautschi, Kantonsspital Luzern, die Ergebnisse der Studie SAKK19/09 vor. Darüber hinaus spricht er im Interview über die neuesten Entwicklungen im Bereich der „liquid biopsy“ und über den Nachweis der Resistenzmutation EGFR T790M im Blut von Bronchuskarzinompatienten.</p>
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<p class="article-content"><p><strong>Was waren für Sie die Höhepunkte der ELCC?</strong> <br /> <br /><strong> O. Gautschi:</strong> Mein persönliches Highlight war, dass ich die Resultate der Studie SAKK19/09 vorstellen durfte. Davon abgesehen waren es neue Therapien und „liquid biopsy“. <br /> <br /><strong> Was waren die Ergebnisse der Studie SAKK19/09?</strong> <br /> <br /> <strong>O. Gautschi:</strong> In dieser Phase-II-Studie wurde die Gabe von Bevacizumab (B) + Pemetrexed (P) versus P alleine verglichen. Es handelt sich um eine Zwei-Kohorten-Studie. In der ersten Kohorte wurden 77 Patienten über 4 Zyklen mit Cisplatin 75mg/m<sup>2</sup>, P 500mg/m<sup>2</sup> und B 7,5mg/kg alle drei Wochen behandelt, gefolgt von einer Maintenance mit B + P bis zur Progression nach RECIST-Kriterien. In einer zweiten Kohorte wurden 52 Patienten mit demselben Regime abzüglich B behandelt. Der primäre Endpunkt war das progressionsfreie Überleben, weitere Endpunkte waren das Gesamtüberleben, das Ansprechen, unerwünschte Ereignisse und die Therapiekosten.<br /> Unsere Schweizer Studie hat ergeben, dass die Hinzugabe von Bevacizumab zu einer Pemetrexed-Erhaltungstherapie einen kleinen Nutzen bringt. Die Hinzugabe von B zu einer Erhaltungstherapie mit P verlängert zwar das PFS (6,9 vs. 5,6 Monate), nicht aber das OS.<br /> Jetzt warten wir gespannt auf die Resultate der amerikanischen Phase-III-Studie ECOG 5508.<br /> <br /><strong> Zurück zur „liquid biopsy“. Worum geht es dabei genau?</strong> <br /> <br /> <strong>O. Gautschi:</strong> Unter „liquid biopsy“ verstehen wir die Entnahme von Körperflüssigkeiten zur Analyse von tumorspezifischen Veränderungen. Am weitesten fortgeschritten ist der Nachweis von Tumormutationen aus zirkulierender Tumor-DNA (ctDNA) im Blutplasma.<br /> <br /><strong> Was ist der direkte Nutzen für Patienten mit Lungenkrebs?</strong><br /> <br /> <strong>O. Gautschi:</strong> Momentan dreht sich alles um den Nachweis der Resistenzmutation EGFR T790M im Blut mittels Plasma-EGFR-Mutationstests. Diese Mutation zeigt sich bei etwa 50 % der Lungenkrebspatienten unter Therapie mit einem Inhibitor der ersten oder zweiten Generation. Tumoren mit EGFR T790M können neuerdings mit Inhibitoren der dritten Generation, wie z.B. Osimertinib (Tagrisso®), behandelt werden. <br /> <br /><strong> Was sind die Vorteile eines Plasmatests gegenüber der konventionellen Gewebeentnahme?</strong> <br /><br /> <strong>O. Gautschi:</strong> Der Plasmatest wird von den Patienten besser akzeptiert und eignet sich für serielle Anwendungen. Je nach Analysemethode erhält man das Resultat schneller und spart Kosten, da der invasive Eingriff entfällt (Tab. 1).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Onko_1603_Weblinks_Seite16.jpg" alt="" width="846" height="737" /></p> <p><strong>Welche Analysemethoden eignen sich?</strong><br /> <br /> <strong>O. Gautschi:</strong> Man unterscheidet hierbei PCR („polymerase chain reaction“)- und NGS („next generation sequencing“)-basierte Methoden. Die Wahl richtet sich nach der Fragestellung. Im Falle von EGFR reicht PCR, für mehrere Gene wird NGS bevorzugt. Für Plasma-EGFR-Mutationen beträgt die Übereinstimmung zwischen „Real time“-PCR (cobas®) und NGS (MiSeq®) 91 % (ELCC: 134O_PR).<br /> <br /><strong> Wie gut stimmen die Resultate einer Flüssigbiopsie und die Resultate einer Tumorbiopsie überein?</strong><br /> <br /> <strong>O. Gautschi:</strong> Mit dem cobas®-Test beträgt die Übereinstimmung 90 % für del19/L858R und 65 % für T790M (ELCC: 135O_PR). Das heißt, dass sich mit dem Plasmatest zwei Drittel der Rebiopsien zum Nachweis von T790M einsparen lassen.<br /> <br /><strong> Was bedeutet dies für die Praxis?</strong><br /> <br /> <strong>O. Gautschi:</strong> Bei Tumorprogress unter einem EGFR-Inhibitor der ersten oder zweiten Generation kann man eine „liquid biopsy“ veranlassen und bei Nachweis von T790M direkt auf einen Inhibitor der dritten Generation wechseln. Bei fehlendem Nachweis ist eine Gewebeentnahme angezeigt. Fällt diese ebenfalls negativ aus, sollte man die „liquid biopsy“ nach einiger Zeit wiederholen. Zusätzlich dient „liquid biopsy“ zur Überwachung einer EGFR-gezielten Therapie. Patienten mit persistierender del19/L858R oder ansteigender T790M profitieren möglicherweise von einer Therapieänderung, bevor die Krankheit klinisch progredient wird. Hierzu laufen derzeit neue Studien.<br /> <br /><strong> Was sind Ihre persönlichen Erfahrungen?</strong><br /> <br /> <strong>O. Gautschi:</strong> Ich beschäftige mich seit 2002 mit „liquid biopsy“ in der Forschung. 2015 hatten wir den ersten Patienten weltweit, der dank einer „liquid biopsy“ eine erfolgreiche Therapie mit Osimertinib erhielt.<sup>2</sup> Inzwischen verwendet unser Pathologie­institut für Plasma-EGFR-Mutationen routinemäßig den oben genannten „Real time“-PCR-Test, weil er zweckmäßig, preiswert und schnell ist. Für die Forschung verwenden wir weiterhin NGS und nehmen an einer Studie teil, die den klinischen Nutzen prospektiv untersucht.<br /> <br /><strong> Und wohin könnte es in Zukunft gehen?</strong><br /> <br /> <strong>O. Gautschi:</strong> Bei Patienten mit EGFR-Tumormutation wird die „liquid biopsy“ rasch Einzug in die Praxis halten. Mittelfristig wird der klinische Nutzen für andere gezielte Therapien gezeigt, vielleicht auch für die Immuntherapie. Damit sie sich langfristig für die Tumordiagnose, Früherkennung und Nachsorge eignet, muss die Technologie noch stark verbessert werden.<br /> <br /><strong> Vielen Dank für das Gespräch!</strong></p> <p><em>Bemerkungen: Der Interviewte hat keinerlei Interessenkonflikte mit Firmen, die oben genannte Produkte herstellen. Die Kosten für „liquid biopsy“ variieren stark und die Rückvergütung ist nicht einheitlich geregelt. Es empfiehlt sich deshalb vorher eine Abklärung durch den behandelnden Arzt.</em></p></p>
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p><strong>1</strong> Jenkins S et al: Plasma ctDNA analysis for detection of EGFR T790M mutation in patients (pts) with EGFR mutation-positive advanced non-small cell lung cancer (aNSCLC). J Thorac Oncol 2016; 11(Suppl 4): S57-S166. S1556-0864(16)X0004-4, ELCC 2016, Abstract 1340_PR<br /><strong>2</strong> Gautschi O et al: Successful AZD9291 therapy based on circulating T790M. J Thorac Oncol 2015; 10(12): e122-3<br /><br /></p>
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