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„Liquid biopsy“ beim Lungenkarzinom

<p class="article-intro">Im Rahmen der European Lung Cancer Conference (ELCC), die vom 13. bis 16. April 2016 in Genf stattgefunden hat, stellte Dr. Oliver Gautschi, Kantonsspital Luzern, die Ergebnisse der Studie SAKK19/09 vor. Darüber hinaus spricht er im Interview über die neuesten Entwicklungen im Bereich der „liquid biopsy“ und über den Nachweis der Resistenzmutation EGFR T790M im Blut von Bronchuskarzinompatienten.</p> <hr /> <p class="article-content"><p><strong>Was waren f&uuml;r Sie die H&ouml;hepunkte der ELCC?</strong> <br /> <br /><strong> O. Gautschi:</strong> Mein pers&ouml;nliches Highlight war, dass ich die Resultate der Studie SAKK19/09 vorstellen durfte. Davon abgesehen waren es neue Therapien und &bdquo;liquid biopsy&ldquo;. <br /> <br /><strong> Was waren die Ergebnisse der Studie SAKK19/09?</strong> <br /> <br /> <strong>O. Gautschi:</strong> In dieser Phase-II-Studie wurde die Gabe von Bevacizumab (B) + Pemetrexed (P) versus P alleine verglichen. Es handelt sich um eine Zwei-Kohorten-Studie. In der ersten Kohorte wurden 77 Patienten &uuml;ber 4 Zyklen mit Cisplatin 75mg/m<sup>2</sup>, P 500mg/m<sup>2</sup> und B 7,5mg/kg alle drei Wochen behandelt, gefolgt von einer Maintenance mit B + P bis zur Progression nach RECIST-Kriterien. In einer zweiten Kohorte wurden 52 Patienten mit demselben Regime abz&uuml;glich B behandelt. Der prim&auml;re Endpunkt war das progressionsfreie &Uuml;berleben, weitere Endpunkte waren das Gesamt&uuml;berleben, das Ansprechen, unerw&uuml;nschte Ereignisse und die Therapiekosten.<br /> Unsere Schweizer Studie hat ergeben, dass die Hinzugabe von Bevacizumab zu einer Pemetrexed-Erhaltungstherapie einen kleinen Nutzen bringt. Die Hinzugabe von B zu einer Erhaltungstherapie mit P verl&auml;ngert zwar das PFS (6,9 vs. 5,6 Monate), nicht aber das OS.<br /> Jetzt warten wir gespannt auf die Resultate der amerikanischen Phase-III-Studie ECOG 5508.<br /> <br /><strong> Zur&uuml;ck zur &bdquo;liquid biopsy&ldquo;. Worum geht es dabei genau?</strong> <br /> <br /> <strong>O. Gautschi:</strong> Unter &bdquo;liquid biopsy&ldquo; verstehen wir die Entnahme von K&ouml;rperfl&uuml;ssigkeiten zur Analyse von tumorspezifischen Ver&auml;nderungen. Am weitesten fortgeschritten ist der Nachweis von Tumormutationen aus zirkulierender Tumor-DNA (ctDNA) im Blutplasma.<br /> <br /><strong> Was ist der direkte Nutzen f&uuml;r Patienten mit Lungenkrebs?</strong><br /> <br /> <strong>O. Gautschi:</strong> Momentan dreht sich alles um den Nachweis der Resistenzmutation EGFR T790M im Blut mittels Plasma-EGFR-Mutationstests. Diese Mutation zeigt sich bei etwa 50 % der Lungenkrebspatienten unter Therapie mit einem Inhibitor der ersten oder zweiten Generation. Tumoren mit EGFR T790M k&ouml;nnen neuerdings mit Inhibitoren der dritten Generation, wie z.B. Osimertinib (Tagrisso&reg;), behandelt werden. <br /> <br /><strong> Was sind die Vorteile eines Plasmatests gegen&uuml;ber der konventionellen Gewebeentnahme?</strong> <br /><br /> <strong>O. Gautschi:</strong> Der Plasmatest wird von den Patienten besser akzeptiert und eignet sich f&uuml;r serielle Anwendungen. Je nach Analysemethode erh&auml;lt man das Resultat schneller und spart Kosten, da der invasive Eingriff entf&auml;llt (Tab. 1).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Onko_1603_Weblinks_Seite16.jpg" alt="" width="846" height="737" /></p> <p><strong>Welche Analysemethoden eignen sich?</strong><br /> <br /> <strong>O. Gautschi:</strong> Man unterscheidet hierbei PCR (&bdquo;polymerase chain reaction&ldquo;)- und NGS&thinsp;(&bdquo;next generation sequencing&ldquo;)-basierte Methoden. Die Wahl richtet sich nach der Fragestellung. Im Falle von EGFR reicht PCR, f&uuml;r mehrere Gene wird NGS bevorzugt. F&uuml;r Plasma-EGFR-Mutationen betr&auml;gt die &Uuml;bereinstimmung zwischen &bdquo;Real time&ldquo;-PCR (cobas&reg;) und NGS (MiSeq&reg;) 91 % (ELCC: 134O_PR).<br /> <br /><strong> Wie gut stimmen die Resultate einer Fl&uuml;ssigbiopsie und die Resultate einer Tumorbiopsie &uuml;berein?</strong><br /> <br /> <strong>O. Gautschi:</strong> Mit dem cobas&reg;-Test betr&auml;gt die &Uuml;bereinstimmung 90 % f&uuml;r del19/L858R und 65 % f&uuml;r T790M (ELCC: 135O_PR). Das hei&szlig;t, dass sich mit dem Plasmatest zwei Drittel der Rebiopsien zum Nachweis von T790M einsparen lassen.<br /> <br /><strong> Was bedeutet dies f&uuml;r die Praxis?</strong><br /> <br /> <strong>O. Gautschi:</strong> Bei Tumorprogress unter einem EGFR-Inhibitor der ersten oder zweiten Generation kann man eine &bdquo;liquid biopsy&ldquo; veranlassen und bei Nachweis von T790M direkt auf einen Inhibitor der dritten Generation wechseln. Bei fehlendem Nachweis ist eine Gewebeentnahme angezeigt. F&auml;llt diese ebenfalls negativ aus, sollte man die &bdquo;liquid biopsy&ldquo; nach einiger Zeit wiederholen. Zus&auml;tzlich dient &bdquo;liquid biopsy&ldquo; zur &Uuml;berwachung einer EGFR-gezielten Therapie. Patienten mit persistierender del19/L858R oder ansteigender T790M profitieren m&ouml;glicherweise von einer Therapie&auml;nderung, bevor die Krankheit klinisch progredient wird. Hierzu laufen derzeit neue Studien.<br /> <br /><strong> Was sind Ihre pers&ouml;nlichen Erfahrungen?</strong><br /> <br /> <strong>O. Gautschi:</strong> Ich besch&auml;ftige mich seit 2002 mit &bdquo;liquid biopsy&ldquo; in der Forschung. 2015 hatten wir den ersten Patienten weltweit, der dank einer &bdquo;liquid biopsy&ldquo; eine erfolgreiche Therapie mit Osimertinib erhielt.<sup>2</sup> Inzwischen verwendet unser Pathologie&shy;institut f&uuml;r Plasma-EGFR-Mutationen routinem&auml;&szlig;ig den oben genannten &bdquo;Real time&ldquo;-PCR-Test, weil er zweckm&auml;&szlig;ig, preiswert und schnell ist. F&uuml;r die Forschung verwenden wir weiterhin NGS und nehmen an einer Studie teil, die den klinischen Nutzen prospektiv untersucht.<br /> <br /><strong> Und wohin k&ouml;nnte es in Zukunft gehen?</strong><br /> <br /> <strong>O. Gautschi:</strong> Bei Patienten mit EGFR-Tumormutation wird die &bdquo;liquid biopsy&ldquo; rasch Einzug in die Praxis halten. Mittelfristig wird der klinische Nutzen f&uuml;r andere gezielte Therapien gezeigt, vielleicht auch f&uuml;r die Immuntherapie. Damit sie sich langfristig f&uuml;r die Tumordiagnose, Fr&uuml;herkennung und Nachsorge eignet, muss die Technologie noch stark verbessert werden.<br /> <br /><strong> Vielen Dank f&uuml;r das Gespr&auml;ch!</strong></p> <p><em>Bemerkungen: Der Interviewte hat keinerlei Interessenkonflikte mit Firmen, die oben genannte Produkte herstellen. Die Kosten f&uuml;r &bdquo;liquid biopsy&ldquo; variieren stark und die R&uuml;ckverg&uuml;tung ist nicht einheitlich geregelt. Es empfiehlt sich deshalb vorher eine Abkl&auml;rung durch den behandelnden Arzt.</em></p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Jenkins S et al: Plasma ctDNA analysis for detection of EGFR T790M mutation in patients (pts) with EGFR mutation-positive advanced non-small cell lung cancer (aNSCLC). J Thorac Oncol 2016; 11(Suppl 4): S57-S166. S1556-0864(16)X0004-4, ELCC 2016, Abstract 1340_PR<br /><strong>2</strong> Gautschi O et al: Successful AZD9291 therapy based on circulating T790M. J Thorac Oncol 2015; 10(12): e122-3<br /><br /></p> </div> </p>
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