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Intramedulläre Verlängerung trotz Femurpseudoarthrose
Jatros
Autor:
Dr. Wolfgang Kienzl
LKH Kirchdorf<br> E-Mail: wolfgang.kienzl@gespag.at
Autor:
Prim. Dr. Robert Pehn
LKH Kirchdorf
30
Min. Lesezeit
13.07.2017
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<p class="article-intro">Bei einem 48-jährigen Patienten bei Zustand nach Motorradunfall mit Femurpseudoarthrose und Achsenfehlstellung in 2 Ebenen wurde alternativ zur Behandlung mit Fixateur externe eine Achsenkorrektur und Pseudoarthrosenbehandlung mittels Osteosynthesenplatte und anschließender intramedullärer Verlängerung (Typ Precice<sup>®</sup>) durchgeführt.</p>
<hr />
<p class="article-content"><p>Der Patient hatte sich im Rahmen eines Motorradunfalls eine komplexe drittgradig offene Oberschenkeltrümmerfraktur mit begleitender Patellafraktur zugezogen. Er wurde primär in einem auswärtigen Krankenhaus behandelt und kam zur Verlaufskontrolle 4 Monate nach dem Trauma in unsere Ambulanz, da sich die Schmerzen seit der Operation nicht reduziert hatten. Ein erster Therapieversuch durch den Patienten selbst war eine Behandlung mit einem niederenergetisch gepulsten Ultraschallgerät für zu Hause. Der erwartete Effekt einer schnelleren Knochenheilung blieb jedoch aus.</p> <p>Beim Erstgespräch und der klinischen Untersuchung präsentierte sich der Patient mit Stützkrücken und einer Schuherhöhung um 7cm auf der rechten Seite. Die Kniebeweglichkeit war mit S 0-0-30 eingeschränkt. Die Schmerzen fokussierten sich vorwiegend auf den Bereich der Oberschenkelmuskulatur. Im ersten Kontrollröntgen zeigte sich eine laterale Oberschenkelplatte mit deutlicher Trümmerzone und Retrokurvation von 20 Grad. Die kanülierte Verschraubung der Patella war bereits knöchern konsolidiert.<br /> Zur Beurteilung der Frakturheilung wurde nach 6 Monaten eine CT-Untersuchung durchgeführt. Es zeigte sich keine knöcherne Durchbauung bei unveränderter Schmerzsymptomatik des Patienten, sodass eine Operation oder eine Ossatronbehandlung indiziert war.</p> <p>Aufgrund der zunehmenden Varisierung entschieden wir uns für eine operative Sanierung. Bei der Operation erfolgten eine Entfernung des gesamten Osteosynthesematerials am distalen Oberschenkel sowie die Entfernung der kanülierten Schrauben aus der Kniescheibe. Die Pseudoarthrose wurde reseziert und 4 x 14mm bikortikale Zylinder aus dem kontralateralen Beckenkamm als Spongiosaplastik eingebracht. Eine neuerliche Reposition mit Varusaufhebung und Retrokurvationsverbesserung wurde durchgeführt und eine laterale Oberschenkelplatte („less invasive stabilization system“, LISS) implantiert. Abschließend wurde mit Spongiosa und aktivierten Thrombozyten (GPS) aufgefüllt.</p> <p>Das Nachbehandlungskonzept wurde mit 10kg Teilbelastung für 6 Wochen und 30kg Teilbelastung bis zur 9. postoperativen Woche festgelegt. Motorschiene, Heilgymnastik und Lymphdrainagen kamen ab dem 3. postoperativen Tag zum Einsatz.<br /> Die CT-Kontrolle 5 Monate postoperativ zeigte eine zunehmende Überbrückung der Fraktur und sichtbare Kallusbildung. Der Patient berichtete über eine Schmerzreduktion und es wurde eine Kniebeweglichkeit von S 0-0-80 Grad festgestellt.</p> <p>Aufgrund der kortikalen Durchbauung und der Schmerzreduktion wurde beim Patienten eine Folgeoperation mit Verlängerung des Femurs intramedullär vom Typ Precice<sup>®</sup> geplant und 2 Monate später durchgeführt. Präoperativ erfolgte eine Ganzbeinaufnahme zur Bestimmung der auszugleichenden Längenverhältnisse.</p> <p>Bei dieser Operation wurde die laterale Femurplatte entfernt. Nachfolgend wurde eine intraoperative Stabilitätsüberprüfung durchgeführt. Des Weiteren erfolgten eine Osteotomie und Aufbohrung des Markraumes von proximal bis auf 14,5mm. Ein 245mm langer und 12,5mm starker Precice<sup>®</sup>-Verlängerungsmarknagel wurde eingebracht. Proximal und distal wurde der Marknagel mit jeweils 2 gut sitzenden Verriegelungsschrauben verankert. Beim Einführen wurde die Osteotomie komplettiert. Am Ende der Operation wurde eine Probedistraktion von 1mm vorgenommen, um die Funktion des Nagels zu prüfen.</p> <p>Die Nachbehandlung begann mit einer 10kg Teilbelastung und wurde nach 6 wochen auf maximal 20kg Teilbelastung bis zum Abschluss der Konsolidierungsphase gesteigert. Eine Vollbelastung konnte ab Woche 3 nach Beendigung der Distraktion erfolgen. Der Patient wurde instruiert, die Verlängerung täglich bis 1mm selbstständig durchzuführen. Zuerst wurden wöchentliche Röntgenkontrollen durchgeführt, danach wurde das Intervall auf 2 Wochen verlängert.</p> <h2>Diskussion</h2> <p>Bei vorliegender Pseudoarthrose und Achsenfehlstellung eines Röhrenknochens wird häufig eine Verlängerung mit einem externen Fixateur nach Ilizarov durchgeführt. Aufgrund vieler möglicher Komplikationen wie Pinlockerung und Infektion und, nicht zu vergessen, auch wegen der psychischen Belastung für den Patienten haben wir uns für zwei Folgeoperationen mit einer intramedullären Verlängerungsmethode entschieden. Bei der letzten klinischen Kontrolle zeigte sich der Patient ohne Stützkrücken mit einem unauffälligen Gangbild und einer Kniebeweglichkeit von S 0-0-105. Insgesamt verlief die Therapie für den Patienten sehr zufriedenstellend, da die Schmerzen auf ein Minimum reduziert waren und ein Tragen von Schuherhöhungen nicht mehr erforderlich war.</p> <p>In bereits vorausgegangenen Operationen einschließlich des hier dargestellten Falls mit dem intramedullären Precice<sup>®</sup>- Verlängerungsmarknagel fiel bei der Distraktionsphase und Nachbehandlung dasselbe Schmerzmuster auf. Alle Patienten tolerierten die ersten 2,5cm Verlängerung ohne nennenswerte Schmerzäußerungen. Eine darüber hinausgehende Verlängerung führte kontinuierlich zu einer Steigerung des Schmerzempfindens. Welche Faktoren (Knochen, Sehnen-, Nervenund/ oder Gefäßdehnung) diesem Anstieg der Schmerzen zugrunde liegen, konnte bis dato nicht eruiert werden.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Ortho_1704_Weblinks_ortho_1704__s66_abb1+2+3+4.jpg" alt="" width="2150" height="1570" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Ortho_1704_Weblinks_ortho_1704__s67_abb5+6+7.jpg" alt="" width="2150" height="1361" /></p></p>
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