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Einfache Risikoabschätzung könnte frühzeitige Intervention ermöglichen

Inflammation & Mangelernährung: Prognose- Scores für Herzinsuffizienzpatienten

<p class="article-intro">Unkompliziert zu erhebende inflammatorisch und nutritiv basierte Risiko-Scores könnten in der medizinischen Betreuung von Patienten mit Herzinsuffizienz mit reduzierter Auswurffraktion dabei helfen, Patienten mit einer schlechten Prognose ihrer Erkrankung zu identifizieren und erweiterte Therapieverfahren zeitnah zu etablieren.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Als wesentlicher Progressor bei der chronischen Herzinsuffizienz gilt eine erh&ouml;hte Aktivit&auml;t inflammatorischer Mediatoren.</li> <li>Mangelern&auml;hrung bei chronisch kranken Patienten ist h&auml;ufig und ein unabh&auml;ngiger Risikofaktor f&uuml;r Morbidit&auml;t und Mortalit&auml;t.</li> <li>Die Pr&auml;valenz einer Mangelern&auml;hrung liegt f&uuml;r Patienten mit Herzinsuffizienz bei etwa 25 % und steigt auf &uuml;ber 50 % f&uuml;r hospitalisierte Patienten.</li> <li>Scores wie der mGPS (Inflammation) und der PNI (Ern&auml;hrung) k&ouml;nnten dabei helfen, Herzinsuffizienzpatienten mit einer schlechten Prognose zu identifizieren.</li> </ul> </div> <p>Trotz erfreulicher Fortschritte in der Diagnostik und der Therapie der Herzinsuffizienz in den vergangenen Jahren ist die chronische Herzinsuffizienz mit weiterhin steigender Inzidenz nahezu als Volkskrankheit der westlichen Welt zu verzeichnen und zunehmend als Multisystemerkrankung erkannt. Als facettenreiches Syndrom inkludiert sie multiple Begleiterkrankungen wie An&auml;mie, Insulinresistenz, immunologische Dysfunktion und kardiale Kachexie.<sup>1, 2</sup> Im Synergismus f&uuml;hren diese pathologischen Mechanismen auf systemischer und myokardialer Ebene zu strukturellen und funktionalen Umbauprozessen und kumulieren in hom&ouml;ostatischer Imbalance und Krankheitsprogression.<sup>3</sup></p> <h2>Herzinsuffizienz und Inflammation</h2> <p>Als ein wesentlicher Progressor bei der chronischen Herzinsuffizienz gilt eine erh&ouml;hte Aktivit&auml;t inflammatorischer Mediatoren mit gesteigerter zellul&auml;rer und humoraler Immunaktivit&auml;t.<sup>4&ndash;6</sup> Durch lokale und systemische Stimuli wie oxidativen Stress kommt es zu einer &uuml;bersteigerten Leukozytenaktivierung bzw. Neutrophilenaktivit&auml;t.<sup>7</sup> Dies setzt die Aktivierungskaskade proinflammatorischer Zytokine in Gang. Diese chronische Expression inflammatorischer Mediatoren, auch sogenannte &bdquo;Zytokin- Hypothese&ldquo;, und Akute-Phase-Proteinen (u. a. C-reaktives Protein, CRP) f&uuml;hrt zu generalisierter Apoptose mit myokardialem Remodeling, folgender ventrikul&auml;rer Dysfunktion und prognostischer Verschlechterung. <sup>8, 9</sup> &Auml;hnliche Beobachtungen der &bdquo;sterilen Inflammation&ldquo; (ohne Einwirkung exogener Noxen)<sup>10</sup> sind auch f&uuml;r andere chronische Erkrankungen beschrieben und stehen im Zusammenhang mit nat&uuml;rlichen Alterungsprozessen, Mangelern&auml;hrung und k&ouml;rperlicher Frailty.<sup>11</sup> Die klinischen Daten sind limitiert, aber es bestehen Ans&auml;tze, das Level der inflammatorischen Aktivit&auml;t in der chronischen HFrEF als Marker der Krankheitsprogression zu erw&auml;gen.</p> <h2>Herzinsuffizienz und Mangelern&auml;hrung</h2> <p>Frailty und Mangelern&auml;hrung chronisch kranker Patienten sind h&auml;ufig und z&auml;hlen als unabh&auml;ngige Risikofaktoren f&uuml;r Morbidit&auml;t und Mortalit&auml;t. Die Konditionen sind durch eine geringe Toleranz gegen&uuml;ber biologischen Stressoren gekennzeichnet. Die Pr&auml;valenz bei Patienten mit Herzinsuffizienz liegt bei etwa 25 % und steigt auf &uuml;ber 50 % unter hospitalisierten Patienten.<sup>12</sup> Neben der durch chronische Inflammation getriggerten katabolen Stoffwechsellage gilt v. a. bei der Herzinsuffizienz auch die vom Inflammationsstatus unabh&auml;ngige allgemeine Gefahr der Mangelern&auml;hrung.<sup>13</sup> Verst&auml;rkte Fl&uuml;ssigkeitseinlagerung, Aszites, die medikament&ouml;se Therapie und h&auml;ufig ein verminderter Antrieb mit depressiver Stimmungslage f&uuml;hren zu vermindertem Appetit und kardialer Kachexie.<sup>1, 2, 13</sup> Der K&ouml;rper steht durch die Erkrankung unter chronischem Stress, was ein katabol-anaboles Ungleichgewicht hervorruft.<sup>2</sup> Eine Assoziation zwischen Ern&auml;hrungszustand, Hospitalisationsdauer und Outcome ist in der Literatur f&uuml;r die Herzinsuffizienz beschrieben, gilt aber auch u. a. f&uuml;r onkologische und weitere chronische Erkrankungen.<sup>14&ndash;17</sup> Entwicklung und Implementierung von ern&auml;hrungs- und inflammationsbasierter prognostischer Risiko-Scores liegen vor und finden vor allem in der Onkologie Anwendung. Obgleich f&uuml;r andere chronische Erkrankungen untersucht, sind die Daten zum Einfluss des Ern&auml;hrungszustandes und der Immunaktivit&auml;t als Tool zur zuverl&auml;ssigen prognostischen Absch&auml;tzung bei der chronischen Herzinsuffizienz limitiert.</p> <h2>Prognose</h2> <p>Mit fortschreitender Erkrankung ist eine Risikostratifizierung chronisch erkrankter Patienten zur Entscheidungsfindung hinsichtlich der Prognose und des therapeutischen Managements mit gegebenenfalls der Implementierung erweiterter Therapieoptionen wesentlich. Vor allem in der Onkologie haben Inflammationsstatusbasierende Marker und Scores prognostische Wertigkeit erwiesen. Dazu z&auml;hlen das C-reaktive Protein (CRP)<sup>18</sup>, die Neutrophilen- zu-Lymphozyten-Ratio (NLR)<sup>19, 20</sup>, die Thrombozyten-zu-Lymphozyten-Ratio (&bdquo;platelet- to-lymphocyte ratio&ldquo;, PLR)<sup>20</sup> sowie der modifizierte Glasgow Prognostic Score (mGPS)<sup>21</sup>. Ein weiterer, vor allem auch den Ern&auml;hrungsstatus ber&uuml;cksichtigender Score ist der Nutritional Risk Index (NRI)<sup>22</sup>.<br /> F&uuml;r die akute Herzinsuffizienz konnte eine prognostische Signifikanz zwischen Neutrophilen-zu-Lymphozyten-Ratio (NLR) bei Aufnahme und der Rehospitalisierung innerhalb von 30 Tagen sowie der Gesamtmortalit&auml;t gezeigt werden.<sup>23</sup> Gleiches gilt f&uuml;r den NRI, mit signifikanter Korrelation zwischen Score, Dauer des Spitalsaufenthalts und Mortalit&auml;t.<sup>24</sup> In der stabilen chronischen Herzinsuffizienz sind genannte inflammatorisch und nutritiv basierte prognostische Scores und deren prognostische Validit&auml;t bis dato nicht untersucht.</p> <h2>Studie der Arbeitsgruppe Herzinsuffizienz</h2> <p>Die Arbeitsgruppe f&uuml;r Herzinsuffizienz der Medizinischen Universit&auml;t Wien (Leitung Univ.-Doz. Dr. Martin H&uuml;lsmann) hat die prognostische Wertigkeit etablierter prognostischer Scores unter Ber&uuml;cksichtigung von inflammatorischer Aktivit&auml;t und inflammationsassoziiertem Ern&auml;hrungszustand bei HFrEF-Patienten analysiert. Die Daten wurden am Kongress der Europ&auml;ischen Gesellschaft f&uuml;r Kardiologie 2019 (ESC) in Paris vorgestellt.<br /> An der Medizinischen Universit&auml;t Wien ambulant betreute Patienten mit stabiler chronischer Herzinsuffizienz mit reduzierter Auswurffraktion (HFrEF) wurden prospektiv in ein Register eingeschlossen. Mortalit&auml;t aus jeglichem Grund galt als prim&auml;rer Endpunkt. Zu den analysierten Risiko-Scores z&auml;hlten:</p> <ul> <li>modifizierter Glasgow Prognostic Score (mGPS) 0/1/2 basierend auf C-reaktivem Protein (CRP) und Albumin</li> <li>Neutrophilen/Lymphozyten-Ratio (NLR)</li> <li>Monozyten/Lymphozyten-Ratio (MLR),</li> <li>Thrombozyten/Lympozyten-Ratio (PLR)</li> <li>Nutritional Risk Index: NRI = (1519 &times; Serum-Albumin, g/dl) + (41,7 &times; aktuelles K&ouml;rpergewicht (kg)/ideales K&ouml;rpergewicht (kg)</li> <li>Prognostic Nutritional Index: PNI = Albumin (g/l) &times; Gesamt-Lymphozytenzahl &times; 10<sup>9</sup>/l)</li> </ul> <p>Die Assoziation zwischen erfassten Scores, dem Schweregrad der Herzinsuffizienz und dem Impact auf das Gesamt&uuml;berleben wurde analysiert.</p> <h2>Ergebnisse</h2> <p>Daten von 443 Patienten unter leitliniengerechter Herzinsuffizienztherapie und &uuml;berwiegend in stabilem &bdquo;New York Heart Association (NYHA)&ldquo;-Stadium II&ndash;III wurden analysiert.<br /> Alle analysierten Risiko-Scores korrelierten mit dem Schweregrad der Herzinsuffizienz, gemessen am NT-proBNP (p&lt;0,001 f&uuml;r alle) und dem NYHA-Stadium (p&lt;0,001 f&uuml;r alle).<br /> Eine signifikante Assoziation zwischen Mortalit&auml;t und Score konnte im univariaten Modell f&uuml;r alle untersuchten Risiko- Scores gezeigt werden. Im multivariaten Modell blieben die zwei Risiko-Scores PNI und mGPS auch unabh&auml;ngig vom NT-proBNP signifikant mit dem prim&auml;ren Endpunkt Mortalit&auml;t assoziiert (p&lt;0,05 f&uuml;r mGPS und PNI; Abb. 1).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Kardio_1904_Weblinks_jatros_kardio_1904_s23_abb1_arfsten.jpg" alt="" width="550" height="708" /></p> <h2>Schlussfolgerungen</h2> <p>Es kann geschlussfolgert werden, dass verst&auml;rkte inflammatorische Prozesse und Mangelern&auml;hrung h&auml;ufig bei Herzinsuffizienz mit reduzierter Auswurffraktion (HFrEF) auftreten und mit dem Schweregrad der Erkrankung zunehmen. Unter den etablierten Risiko-Scores sind in der vorliegenden Studie mGPS und PNI mit dem &Uuml;berleben von stabilen HFrEF-Patienten assoziiert. Diese Assoziation ist unabh&auml;ngig vom aktuellen Schweregrad der Erkrankung &ndash; erhoben mittels NT-proBNP und NYHA-Stadium &ndash; und unterstreicht daher die Bedeutung der individuellen subklinischen Entz&uuml;ndungsprozesse f&uuml;r die Prognose der Patienten.</p> <h2>F&uuml;r die Praxis</h2> <p>Unkompliziert zu erhebende und in anderen Erkrankungen bereits evaluierte Scores wie der mGPS und der PNI k&ouml;nnten auch in der medizinischen Betreuung von HFrEF-Patienten dabei helfen, Patienten mit einer schlechten Prognose ihrer Erkrankung zu identifizieren und wom&ouml;glich erweiterte Therapieverfahren zeitnah zu etablieren.</p></p> <p class="article-quelle">Quelle: Die Ergebnisse wurden auch auf dem ESC-Kongress 2019, 31. August bis 4. September 2019 in Paris, vorgestellt. </p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Mijan-de-la-Torre A: Recent insights on chronic heart failure, cachexia and nutrition. Curr Opin Clin Nutr Metab Care 2009; 12: 251-7 <strong>2</strong> Anker SD, Sharma R.: The syndrome of cardiac cachexia. Int J Cardiol 2002; 85: 51-66<strong> 3</strong> Mill JG et al.: Remodeling in the ischemic heart: the stepwise progression for heart failure. Braz J Med Biol Res 2011; 44: 890-8 <strong>4</strong> Chen D et al.: Cytokines and acute heart failure. Critical Care Medicine 2008; 36: S9-16 <strong>5</strong> Tousoulis D et al.: Conflicting effects of nitric oxide and oxidative stress in chronic heart failure: potential therapeutic strategies. Heart Fail Rev 2012; 17: 65-79 <strong>6</strong> Frangogiannis NG: Regulation of the inflammatory response in cardiac repair. Circ res 2012; 110: 159-73 <strong>7</strong> Delcea C et al.: The neutrophil to lymphocyte ratio in heart failure: a comprehensive review. Romanian Journal of Internal Medicine 2019. https://doi. org/10.2478/rjim-2019-0018 <strong>8</strong> Jiang L et al.: Cardiomyocyte apoptosis is associated with increased wall stress in chronic failing left ventricle. Eur Heart J 2003; 24: 742-51 <strong>9</strong> Hartupee J, Mann DL: Positioning of inflammatory biomarkers in the heart failure landscape. J Cardiovasc Transl Res 2013; 6: 485-92 <strong>10</strong> Nishida K, Otsu K.: Sterile inflammation and degradation systems in heart failure. Circ J 2017; 81: 622-8 <strong>11</strong> Bellumkonda L et al.: Pathophysiology of heart failure and frailty: a common inflammatory origin? Aging Cell 2017; 16: 444-50 <strong>12</strong> Stollhof LE et al.: The continuous downgrading of malnutrition in the german DRG system: possible effects on the treatment of patients at risk for malnutrition. EXCLI Journal 2019; 18: 370-81 <strong>13</strong> Jacobsson A et al.: Emotions, the meaning of food and heart failure: a grounded theory study. J Adv Nurs 2004; 46: 514- 22 <strong>14</strong> Paccagnella A et al.: Early nutritional intervention improves treatment tolerance and outcomes in head and neck cancer patients undergoing concurrent chemoradiotherapy. Supportive Care Cancer 2010; 18: 837-45 <strong>15</strong> Cotogni P et al.: Nutritional therapy in cancer patients receiving chemoradiotherapy: Should we need stronger recommendations to act for improving outcomes? J Cancer 2019; 10: 4318-25 <strong>16</strong> Ivers LC et al.: Hiv/aids, undernutrition, and food insecurity. 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Clinical nutrition (Edinburgh, Scotland) 2019 <strong>22</strong> Bouillanne O et al.: Geriatric nutritional risk index: a new index for evaluating atrisk elderly medical patients. Am J Clin Nutr 2005; 82: 777- 83 <strong>23</strong> Uthamalingam S et al.: Utility of the neutrophil to lymphocyte ratio in predicting long-term outcomes in acute decompensated heart failure. Am J Cardiol 2011; 107: 433-8 <strong>24</strong> Aziz EF et al.: Malnutrition as assessed by nutritional risk index is associated with worse outcome in patients admitted with acute decompensated heart failure: an ACAP-HF data analysis. Heart Int 2011; 6: e2</p> </div> </p>
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