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Jugendsexualität

Fragen Jugendlicher zur Sexualität offen besprechen

<p class="article-intro">Wenn Menschen im Rahmen der Pubertät ihre ersten sexuellen Erfahrungen machen, haben sie bereits mehr als ein Jahrzehnt sexuelle Erfahrungen hinter sich. Die Tatsache, dass sich erwachsene Personen erst ab diesem Zeitpunkt mit dem Thema Sexualität auseinandersetzen, ist lediglich durch einen Perspektivenwechsel begründet.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Jugendliche sind in ihrem sexuellen Gestaltungsverm&ouml;gen junge Erwachsene und ben&ouml;tigen daher auch erwachsenen Respekt.</li> <li>Informationsvermittlung f&uuml;r Jugendliche braucht immer den konkreten Bezug zur Handlungsebene.</li> <li>Um Mythen zu begegnen, bedarf es einer differenzierten und handlungsrelevanten Information.</li> </ul> </div> <p>Erst mit dem Eintritt in die erwachsene Sexualit&auml;t r&uuml;ckt diese auch in die Wahrnehmung erwachsener Personen. Auch davor haben Kinder bereits sexuelle Gef&uuml;hle, kennen k&ouml;rperliche Erregung und selbstverst&auml;ndlich verf&uuml;gen sie &uuml;ber die n&ouml;tigen Nervenbahnen, um den Erregungsreflex auszul&ouml;sen. Das alles ist nicht neu. Hinzu kommt lediglich, dass sie einerseits aufgrund der hormonellen Entwicklung zeugungsf&auml;hig werden und andererseits ihre sexuellen Anziehungscodes auch auf einer Erwachsenenebene erleben. Fragen, die von Erwachsenen oder auch von den Jugendlichen selbst an den Arzt gestellt werden, sind daher meist in Bezug auf diesen Perspektivenwechsel zu sehen.</p> <h2>Das erste Mal</h2> <p>Die Frage, in welchem Alter Jugendliche ihr &bdquo;erstes Mal&ldquo; erleben, geh&ouml;rt zu den h&auml;ufigsten Fragen zur Jugendsexualit&auml;t. Gemeint ist damit zumeist der erste penetrative heterosexuelle Geschlechtsverkehr. Die Ergebnisse aller korrekt erhobenen Studien im deutschsprachigen Raum weisen darauf hin, dass sich der Durchschnittswert in den letzten 30 Jahren nicht ver&auml;ndert hat. Das Durchschnittsalter f&uuml;r das &bdquo;erste Mal&ldquo; heutiger Jugendliche ist damit dasselbe wie das ihrer Elterngeneration und liegt zwischen 16 und 17 Jahren. In Bezug auf sexuelle Gesundheit ist das Lebensalter f&uuml;r den ersten Geschlechtsverkehr allerdings wenig relevant. Wichtiger ist die Bereitschaft auf emotionaler, kognitiver und k&ouml;rperlicher Ebene. Insbesondere das Fehlen von Informationen &uuml;ber die k&ouml;rperliche Ebene f&uuml;hrt zu dem Mythos, dass der erste vaginale Geschlechtsverkehr durch das Einrei&szlig;en des Hymens bei Frauen schmerzhaft sein muss. Studien belegen, dass das Hymen in der Mehrzahl aller F&auml;lle nicht rei&szlig;t. Voraussetzung f&uuml;r das Verst&auml;ndnis m&ouml;glicher Schmerzen ist vielmehr das Wissen um die Aktivit&auml;t des weiblichen K&ouml;rpers als Voraussetzung f&uuml;r Geschlechtsverkehr. Neben Vasokongestion und Lubrikation ist es insbesondere die Aktivit&auml;t der Beckenbodenmuskulatur, die sich bei k&ouml;rperlicher Bereitschaft entspannt und damit vaginales Aufnehmen erm&ouml;glicht. Das Wissen um die Aktivit&auml;t des weiblichen K&ouml;rpers ist eine wichtige Voraussetzung f&uuml;r die Entscheidungsf&auml;higkeit einer Frau. Schmerzen sind somit ein eindeutiger Hinweis auf fehlende k&ouml;rperliche Bereitschaft. Das Nichtbeachten dieser Ebene f&ouml;rdert die Pr&auml;valenz einer Dyspareunie.</p> <h2>Verh&uuml;tung</h2> <p>Die Vermeidung einer unerw&uuml;nschten Schwangerschaft hat f&uuml;r Jugendliche besondere Bedeutung. Dabei wird die Sicherheit eines bestimmten Verh&uuml;tungsmittels weniger durch den Pearl-Index als vielmehr durch die M&ouml;glichkeit der sicheren Anwendbarkeit bestimmt und ist daher ausschlie&szlig;lich auf einer individuellen Ebene zu kl&auml;ren. Ein niedriger Pearl-Index der Pille ist beispielsweise auf einer individuellen Sicherheitsebene wenig relevant, wenn die betreffende Frau die regelm&auml;&szlig;ige Einnahme der Pille nicht schafft. Ein weiterer Faktor f&uuml;r die Entscheidung f&uuml;r ein bestimmtes Verh&uuml;tungsmittel ist ein m&ouml;gliches Bed&uuml;rfnis nach Flexibilit&auml;t, wodurch Langzeitverh&uuml;tung oftmals als weniger geeignet erscheint.<br /> Bei Informationen &uuml;ber m&ouml;gliche Verh&uuml;tungsvarianten sollte daher nicht die Aufz&auml;hlung von Verh&uuml;tungsmitteln im Vordergrund stehen, sondern eine Auswahl an geeigneten Kontrazeptionsm&ouml;glichkeiten besprochen werden. In jedem Fall m&uuml;ssen Verh&uuml;tungsvarianten anwendungsbezogen und handlungsnah erkl&auml;rt werden. Auch Informationen &uuml;ber den Zyklus und Basiswissen &uuml;ber den K&ouml;rper erh&ouml;hen die Verh&uuml;tungskompetenz und verhindern Mythen. Beispielsweise kann das fehlende Wissen &uuml;ber getrennte Ausg&auml;nge von Vagina und Urethra zu der immer wieder geh&ouml;rten Idee f&uuml;hren, man k&ouml;nne eine Schwangerschaft nach einem ungesch&uuml;tzten Geschlechtsverkehr durch anschlie&szlig;endes Urinieren verhindern. Es ist daher wesentlich, auch Informationen, die f&uuml;r Erwachsene oder Fachpersonen als selbstverst&auml;ndlich erscheinen, in das Informationsgespr&auml;ch zu integrieren und beispielsweise darauf hinzuweisen, dass die Pille auch in der einnahmefreien Woche ihre schwangerschaftsverh&uuml;tende Wirkung beh&auml;lt.<br /> Bei der Verwendung eines Kondoms ist besonders die Anwendungskompetenz in einer Lustsituation Voraussetzung f&uuml;r dessen Sicherheit. Die Besprechung der Anwendung des Kondoms sollte daher neben einer konkreten Anwendungsanleitung den Hinweis auf die Wichtigkeit des &Uuml;bens im Lustkontext (bei der Masturbation) beinhalten.</p> <h2>Pornografie</h2> <p>Der Wunsch, f&uuml;r sich selbst und den Partner oder die Partnerin erf&uuml;llten und lustvollen Sex zu haben, findet sich nicht nur bei Erwachsenen, sondern gleicherma&szlig;en auch bei Jugendlichen. Es ist daher weder unmoralisch noch verwerflich, wenn Jugendliche ihre Informationen dort holen, wo sie leicht zug&auml;nglich, benutzungsfreundlich aufbereitet und lustvoll eingebettet sind. Tats&auml;chlich hat guter Sex etwas mit Erfahrung zu tun und kann daher auch gelernt werden. Allerdings finden diese Lernerfahrungen auf einer ganz anderen Ebene statt, als es mediale Vorgaben zu liefern imstande sind. Insbesondere Jugendliche brauchen daher auch Informationen dar&uuml;ber, dass die meisten medialen Aufbereitungen von Sexualit&auml;t nicht den Anspruch erheben, wirklichkeitsnahe zu sein, sondern konstruierte Fantasien oder Beispiele f&uuml;r Ungew&ouml;hnliches sind. Die Vermittlung von Medienkompetenz erleichtert es Jugendlichen, Pornografie richtig einordnen zu k&ouml;nnen, in einer sexuellen Situation Stimmungen und Gef&uuml;hle ernst zu nehmen und sich auf das einzulassen, was der Moment bietet.<br /> Solange Erwachsene nicht bereit sind, mit Jugendlichen &uuml;ber all jene Fragen zu sprechen, die sie tats&auml;chlich interessieren, und stattdessen stellvertretende Themen wie Krankheit und Verh&uuml;tung aufgreifen, wird Pornografie ihre Bedeutung als Informationsquelle unangefochten behalten.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p>bei den Verfassern</p> </div> </p>
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