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„Direct anterior approach“ (DAA) durch den ilioinguinalen Zugang in der Hüftendoprothetik
Jatros
Autor:
Dr. Mohammad Azizbaig Mohajer
LKH Stolzalpe E-Mail: mohammad.azizbaigmohajer@lkh-stolzalpe.at
30
Min. Lesezeit
17.11.2016
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<p class="article-intro">Der DAA mit Bikini-Inzision ist nicht nur eine Modifikation der Hautschnittführung im anterioren Zugang, er ist auch eine innovative und zugleich ästhetische Lösung. Der Operateur ist dabei weder auf einen Extensionstisch noch auf weitere aufwendige Instrumentarien angewiesen. Ferner kann er über diesen Zugang nach Belieben sowohl die Kurzschaft- als auch die Standardschaftprothese implantieren. Die Minimalinvasivität dieser Methode, insbesondere die Erhaltung des Tractus iliotibialis und der Außenrotatoren, sorgt für die exzellente postoperative Stabilität des Gelenkes. Somit kann hier eine Fast-Track-Chirurgie mit positivem Einfluss auf die Krankenhausverweildauer angewendet werden.</p>
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<p class="article-content"><p>Je nach ethnischer Herkunft wird die Inzidenz der Coxarthrose zwischen 0,001 % und 2 % , die Prävalenz zwischen 0,5 % und 36 % geschätzt.<sup>1</sup> In Europa findet sich eine bereits klinisch symptomatische Coxarthrose bei mehr als 8 % der Bevölkerung im Alter von 50–70 Jahren.<sup>2</sup> Die Tatsache, dass der Anteil der an Cox­arthrose erkrankten jungen und aktiven Patienten zunimmt, verlangt nicht nur operative Lösungen, die die Anwendung von Fast-Track-Chirurgie ermöglichen, sondern erfordert auch neue Überlegungen kosmetischer Art.</p> <h2>Neue Ideen für ein bekanntes Konzept</h2> <p>In der Hüftendoprothetik gewinnt der kosmetische Aspekt der Operation neben den verbesserten frühfunktionellen Ergebnissen, dem postoperativen Beinlängenausgleich, der Verminderung des intraoperativen Blutverlustes und der Reduktion des postoperativen Analgetikaverbrauchs zunehmend an Bedeutung. Es ist bereits bekannt, dass der anteriore Zugang sowohl die Muskulatur (v.a. die Abduktoren) als auch den Tractus iliotibialis verschont, dem eine Schlüsselrolle im postoperativen funktionellen Ergebnis zugeschrieben wird. Bei einer Verletzung des Tractus iliotibialis kommt es nicht selten auch zur Verletzung des darunter liegenden M. tensor fasciae latae (TFL). Das führt zu Hypertrophie des TFL, die lokale Schmerzen verursachen kann.<sup>3</sup> Mit dem anterioren ilioinguinalen Zugang hat man zusätzlich einen ästhetischen Vorteil, da der Hautschnitt entlang der Hautfalte der Leiste gesetzt wird, daher auch bekannt als Bikini-Inzision (Abb. 1). Das scheint vor allem für junge Patientinnen eine attraktive Lösung zu sein. Zwei weitere Vorteile dieser Methode: a) Man benötigt hier keinen Extensionstisch und somit keine aufwendige Investitionen. b) Dieser Zugang eignet sich sowohl für die Implantation von Kurzschäften als auch von Standardschäften.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2016_Jatros_Ortho_1606_Weblinks_s56.jpg" alt="Abb. 1,2" width="1912" height="843" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2016_Jatros_Ortho_1606_Weblinks_s57.jpg" alt="Abb. 3" width="868" height="868" /></p> <h2>Lagerung und OP-Technik</h2> <p>Die Operation erfolgt in Rückenlagerung des Patienten, das kontralaterale Bein wird in einer mäßigen Flexion und Abduktion auf einer gynäkologischen Schale gelagert; diese Lagerung ist bereits von der MIS-Technik der Stolzalpe bekannt. An der kontralateralen Seite des OP-Tisches und auf der Höhe des Kniegelenkes wird ein abklappbarer Halterungsbügel fixiert, durch dessen Hoch- und Wegklappen das zu operierende Bein in Position 4 fixiert werden bzw. frei beweglich bleiben kann (Abb. 2). Um den N. cutaneus femoris lateralis zu schützen,<sup>4</sup> erfolgt unter dem querverlaufenden Hautschnitt in der Leiste der Muskelfaszienschnitt des M. tensor fasciae latae kraniokaudal, entlang der Muskelfaser (Abb. 3). Für die weitere Präparation muss zunächst der mediale Gefäßpedikel des M. tensor fasciae latae (ein Ast der A. circumflexa fem. lat.) aufgesucht, unterbunden und anschließend durchtrennt werden. Nur so verschafft man sich einen ungehinderten Zugang zur anterioren Gelenkskapsel, die exzidiert wird. Hierbei wird der laterale Anteil des Muskelbauches des M. rectus femoris nach medial gehalten und bleibt somit verschont. Findet man aber ein kräftiges, sich weit nach kaudal ausbreitendes Caput reflexum des M. rectus femoris vor, kann dieses teils gekerbt werden, um einen perfekten Zugang zur Gelenkskapsel zu ermöglichen. Für die Femurschaftpräparation und Prothesenschaftimplantation wird das zu operierende Bein, nach Abklappen der Beinplatten und Hochklappen des Halterungsbügels am OP-Tischrand, in Position 2 gebracht, zugleich überstreckt und anschließend fixiert (Abb. 4). Die Fixation erfolgt durch das Herumführen des Fußrückens um den Halterungsbügel. Durch den Release der dorsalen Kapsel und des Abduktorenansatzes am Trochanter major, unter gleichzeitigem Schutz der Außenrotatoren,<sup>5</sup> gelingt eine weitere Mobilisierung des proximalen Femurs nach ventral (Abb. 5). Nach dem Release der medialen Anteile der Kapsel (Lig. pubofemorale) wird die Sicht bis zum Trochanter minor frei. So kann man, zur optimalen Reproduktion der präoperativen Planung, den Abstand zwischen dem Trochanter minor und der Schnittebene am Femurhals mit einem kleinen Maßband messen.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2016_Jatros_Ortho_1606_Weblinks_s57_2.jpg" alt="Abb. 4,5" width="2150" height="830" /></p> <h2>Eigene Erfahrung</h2> <p>Im Zeitraum von September 2015 bis August 2016 (12 Monate) führten wir im LKH Stolzalpe bei einer kleinen Gruppe von 30 Patienten mit Coxarthrose die Hüftprothesenimplantationen durch den DAA-Zugang mit Bikini-Inzision durch. Hier kamen sowohl die zementfreien Kurzschäfte (28x) als auch Standardschäfte (2x) zum Einsatz.</p> <h2>Demografie</h2> <p>Wir verwendeten diese Technik bei 25 weiblichen und 5 männlichen Patienten mit Coxarthrose. Wir notierten 24 primäre und 6 sekundäre Coxarthrosen. Der Altersdurchschnitt der Patienten war zur Zeit der Operation 68 Jahre (55–87 Jahre), der mittlere BMI war 26 (23–27).</p> <h2>Ergebnisse</h2> <p>Die durchschnittliche OP-Dauer war bei den ersten 5 Operationen ca. 100min, bei den darauffolgenden 11 Operationen 70min und bei den letzten 14 Operationen 60min. Analog zur OP-Dauer war auch der Blutverlust. Während der ersten 5 Operationen betrug er zwischen 600 und 700ml. Mit Verkürzung der OP-Dauer verminderte sich auch der Blutverlust: Bei den letzten 13 Operationen lag er im Schnitt bei 250ml. Die OP-Dauer und der intraoperative Blutverlust lassen sich als „learning curve“ verstehen. Des Weiteren hat sich das postoperative frühfunktionelle Ergebnis (gemessen anhand des HHS) objektiv gebessert.</p> <p>Der HHS der DAA-Gruppe war 6 Wochen postoperativ im Schnitt 88, während der HHS der in unserem Krankenhaus nach der anterolateralen minimal invasiven Methode operierten Patienten durchschnittlich 80 war. Die postoperative Ossifikationsprophylaxe erfolgte nach Haus-Standard mit Cox-2-Hemmern (Celebrex) über eine Woche, die Schmerztherapie jedoch lediglich mit Novalgin- oder Tramadoltropfen als Bedarfsmedikation. Wir konnten in der DAA-Gruppe eine tendenzielle Reduktion des Analgetikaverbrauches beobachten. Die postoperative Mobilisierung erfolgte in dieser Serie nach demselben Algorithmus: Mobilisation mit 2 UA-Stützkrücken in 4-Punkte-Gang bereits am ersten Tag und Stiegensteigen durchschnittlich ab dem vierten postoperativen Tag.</p> <h2>Komplikationen</h2> <p>In der anfänglichen Lernphase beobachteten wir bei einem männlichen Patienten bereits eine Woche nach dem Eingriff einen tiefen Infekt (Frühinfekt), der trotz einer frühen Weichteilrevision sowie Kopf- und Inlaywechsel nicht beherrschbar war, sodass die Prothese schließlich 2-zeitig mit AB-Spacer gewechselt werden musste. Bei einem anderen männlichen Patienten entwickelte sich ca. 3 Monate postoperativ ein tiefer Infekt (Spätinfekt), aufgrund dessen wiederum die Prothese 2-zeitig gewechselt wurde. Des Weiteren verzeichneten wir bei 4 Patienten passagere Hypästhesien im proximalen lateralen Oberschenkel des operierten Beines, die sich im Schnitt nach 3 bis 6 Monaten zurückbildeten. Darüber hinaus berichtete das Pflegepersonal, unabhängig von Beobachtungen des Chirurgen, bei 5 Patienten eine postoperative Schwellneigung im Oberschenkel der operierten Seite. Zwei von ihnen hatten aufgrund der vermehrten postoperativen Schmerzen einen erhöhten Analgetikaverbrauch.</p></p>
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
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<p><strong>1</strong> Sun Y et al: Incidence and prevalence of osteoarthritis of the hip and knee in the general population. Z Orthop Unfall 1997; 135(3): 184-9 <strong>2</strong> Engelhardt M: Epidemiologie der Arthrose in Westeuropa. Dtsch Z Sportmed 2003; 6: 171-5 <strong>3</strong> Rodríguez-Roiz JM et al: Hypertrophy of the tensor fascia lata muscle as a complication of total hip arthroplasty. Eur J Orthop Surg Traumatol 2016 Sep 19. [Epub ahead of print] <strong>4</strong> Bopp F: Minimalinvasive Zugangswege zur Hüfte. OUP 2015; 2: 85-9 <strong>5</strong> Ito Y et al: Anatomic mapping of short external rotators shows the limit of their preservation during total hip arthroplasty. Clin Orthop Relat Res 2012; 470(6): 1690-5</p>
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