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Die Rolle des dorsalen Zuganges
Jatros
Autor:
Priv.-Doz. Dr. Jochen Hofstätter
Orthopädisches Spital Speising, Wien<br/>E-Mail: jochen.hofstaetter@oss.at
30
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15.02.2018
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<p class="article-intro">Obwohl der anteriore Zugang in der Primär- und Revisionsendoprothetik dem dorsalen Zugang grundsätzlich vorzuziehen ist, gibt es dennoch einige Indikationen, bei denen der dorsale Zugang von Vorteil ist. Speziell bei gewissen posttraumatischen Situationen und segmentalen Defekten des hinteren Pfeilers bietet er Versorgungsmöglichkeiten, die sonst nicht vorhanden wären.</p>
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<p class="article-content"><p>Obwohl der anteriore Zugang in der Primär- und Revisionsendoprothetik dem dorsalen Zugang grundsätzlich vorzuziehen ist, gibt es dennoch einige Indikationen, bei denen der dorsale Zugang von Vorteil ist. Speziell bei gewissen posttraumatischen Situationen und segmentalen Defekten des hinteren Pfeilers bietet er Versorgungsmöglichkeiten, die sonst nicht vorhanden wären.</p> <p>Der direkte vordere Zugang, als der einzige internervale und intermuskuläre minimal invasive Zugang, erlaubt eine ausgezeichnete Exposition des Acetabulums in der Primärendoprothetik bis hin zur komplexen Pfannenrevision. Der vordere Zugang ist hinsichtlich der Erweiterung nach proximal nicht limitiert, im Gegensatz zum anterolateralen und transglutealen Zugang. Obwohl der anteriore Zugang in der Primär- und Revisionsendoprothetik dem dorsalen Zugang vorgezogen werden sollte, gibt es dennoch einige Indikationen in der komplexen Primärendoprothetik als auch bei der komplexen Pfannenrevision, bei denen der dorsale Zugang von Vorteil ist. Der dorsale Zugang in Seitenlage ist zwar der weltweit am häufigsten verwendete Zugangsweg in der Hüftendoprothetik, findet aber in Österreich so gut wie keine Verbreitung.</p> <p>Ziel dieser Arbeit ist es, diese speziellen Indikationsstellungen zu besprechen und auch auf einige Details der Operation einzugehen.</p> <p>Es gibt eine Vielzahl von Variationen des dorsalen Zuganges. Die Bandbreite reicht vom modifizierten Gibson-Zugang über den traditionellen Kocher-Langenbeck-Zugang zu den minimalinvasiveren dorsalen Zugängen bis hin zum Superpath.</p> <p>Bei komplexen Eingriffen am Becken, bei denen eine gute Exposition des Beckens notwendig ist, hat sich der modifizierte Gibson-Zugang bewährt. Er erlaubt bei Bedarf eine ausgezeichnete Darstellung des knöchernen Beckens nach schonender Mobilisierung der Glutealmuskulatur unter Schonung der neurovaskulären Versorgung der Abduktoren. Osteosynthesen bzw. Entfernungen von Osteosynthesematerial oder von Ossifikationen am dorsalen Becken können so durchgeführt werden. Der N. ischiadicus kann bei Bedarf gut dargestellt und somit das Risiko einer Schädigung reduziert werden.</p> <h2>Indikationen</h2> <p>Bei folgenden Gegebenheiten ist aus meiner Sicht ein dorsaler Zugang indiziert; sie würden über einen anderen Zugang nur suboptimal gelöst werden können:</p> <p>1. Wenn pathoanatomische Gegebenheiten einen dorsalen Zugang unumgänglich machen. Wenn z.B. Ossifikationen oder auch Tumore dorsal liegen und vor der Implantation entfernt werden müssen. Beispiel (Abb. 1): Bei diesem 72-jährigen männlichen Patienten besteht ein St.p. Beckenfraktur mit durchgeführter Schraubenosteosynthese mit kompletter Verknöcherung der Außenrotatoren und funktioneller Ankylose des Hüftgelenkes. Hier wurde der N. ischiadicus dargestellt, die Verknöcherungen wurden entfernt und eine HTEP implantiert (Kocher-Langenbeck-Zugang; Pfanne Continuum, Fa. Zimmer; Schaft Variall SLV, Fa. Zimmer).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Ortho_1801_Weblinks_s14_1.jpg" alt="" width="1417" height="1364" /></p> <p>2. Posttraumatische Coxarthrosen bei St.p. Beckenfrakturen mit osteosynthetischer Versorgung, wo das Osteosynthesematerial eine zementfreie Versorgung der Pfanne signifikant stört und entfernt werden muss. Wenn nur einzelne Schrauben stören, kann auch ein anderer Zugang verwendet werden. Zementierte Pfannen sollten nur beim geriatrischen Patienten angewandt werden; grundsätzlich ist eine zementfreie Versorgung anzustreben.</p> <p>Beispiel (Abb. 2): Bei diesem 32-jährigen männlichen Patienten besteht eine sekundäre Coxarthrose bei St.p. dorsaler Luxationsfraktur des rechten Hüftgelenkes mit erfolgter Osteosynthese mittels chirurgischer Hüftluxa­tion mit Trochanterosteotomie. Sowohl die Platte als auch die Schrauben liegen im Weg und müssen entfernt werden. Es wurde eine zementfreie HTEP (Continuum Multihole, Fa. Zimmer, und AMISTEM-H, Fa. Medacta) über dorsalen Zugang (modifizierter Gibson-Zugang) mit einer Osteosynthesematerialentfernung durchgeführt.</p> <p>3. Periprothetische Frakturen des Beckens, wo eine Stabilisierung des hinteren Pfeilers notwendig ist. Beispiel (Abb. 3): Bei dieser 72-jährigen Patientin besteht eine periprothetische Fraktur des Beckens mit verkippter Pfanne. Es wurde eine Osteosynthese des dorsalen Pfeilers mit anschließender Implantation einer verschraubten Revisionspfanne (Continuum Multihole, Fa. Zimmer) über einen modifizierten Gibson-Zugang durchgeführt.</p> <p>4. Komplexe Pfannenrevision mit ausgeprägtem „uncontained defect“ des hinteren Pfeilers, wo ein „buttress augment“ verwendet werden muss und andere Versorgungsmöglichkeiten nicht ideal bzw. nicht mehr möglich sind. Viele Defekte können von anterior bzw. transgluteal mittels Revisionspfanne +/– Augmenten, Burch-Schneider-Pfannen +/– Augmenten oder einer Sockelpfanne versorgt werden. Im Falle von bereits ausgebrochenen Sockelpfannen bzw. Burch-Schneider-Pfannen mit segmentalem Defekt der hinteren Pfeiler bietet die Versorgung mit einem „trabecular metal construct“ mit „buttress augment“ (TMARS Revision Shell, Fa. Zimmer) eine ausgezeichnete Versorgungsmöglichkeit. Beispiel (Abb. 4): Bei dieser 74-jährigen Patientin besteht ein St.p. multiplen Pfannenwechseln mit ausgeprägtem knöchernem Defekt dorsal und Beckendiskontinuität (St.p. Pfannenverkippung einer Pressfit-Pfanne, dann Ausbruch der implantierten Müller-Pfannendachschale, dann Ausbruch der Burch-Schneider-Pfanne, dann Wechsel auf Lumic-Sockelpfanne, dann Ausbruch der Lumic-Pfanne mit Iliumfraktur, Beckendiskontinuität und Infektion, anschließender Girdlestone-Situation mit Osteosynthese des Beckens). Hier wurden im Rahmen der Operation das Osteosynthesematerial entfernt und eine „Trabecular metal“-Pfanne (TMARS Revision Shell, Fa. Zimmer) mit mehreren „Buttress“-Augmenten und einer Dual-Mobility-Pfanne (EcoFit, Fa. Implantcast) sowie ein SLV-Schaft (Fa. Zimmer) implantiert.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Ortho_1801_Weblinks_s14_2.jpg" alt="" width="1417" height="1364" /></p> <h2>Fazit</h2> <p> </p> <ul> <li>Eine perfekte Lagerung ist essenziell, da man intraoperativ wenig Möglichkeiten hat, die Pfanne radiologisch gut zu überprüfen. Dies ist einer der großen Nachteile des dorsalen Zugangs. Das heißt, eine ventrodorsale und auch kraniokaudale Verkippung im Rahmen der intraoperativen Manipulation müssen durch feste Lagerung zwischen Symphyse und Sakrum vermieden werden. Eine nicht ideale Lagerung erhöht das Risiko für eine Pfannenfehlimplantation.</li> <li>Beim traditionellen Kocher-Langenbeck-Zugang wird der Gluteus maximus gesplittet. Dies reduziert die Expositionsmöglichkeiten nach kranial, da man auch hier bei proximaler Erweiterung auf den Endast des N. gluteus inferior trifft. Beim modifizierten Zugang nach Gibson bleibt man ventral des Gluteus maximus und kann diesen komplett nach dorsal klappen (Abb. 5A, B). Dies erlaubt eine sehr gute Exposition des Beckens und auch eine ausgezeichnete Darstellung des N. gluteus superior, welcher somit geschont werden kann (Abb. 5C, D).</li> <li>Da das Risiko für dorsale Luxation im Vergleich zu den vorderen Zugängen größer ist, wird grundsätzlich in einer etwas vermehrten kombinierten Anteversion implantiert.</li> <li>Transossäre Refixation der dorsalen Kapsel und Außenrotatoren ist obligat.</li> <li>Die OP-Technik ist aufgrund der ungewohnten Orientierung zu Beginn schwierig. Daher ist das Erlernen dieser an einer Abteilung, wo der Eingriff regelmäßig durchgeführt wird, dringend zu empfehlen, um typische Komplikationen zu vermeiden.</li> </ul> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Ortho_1801_Weblinks_s14_3.jpg" alt="" width="684" height="2033" /></p> <p> </p></p>
<p class="article-footer">
<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p>Solomon LB et al.: An extended posterior approach to the hip and pelvis for complex acetabular reconstruction that preserves the gluteal muscles and their neurovascular supply. Bone Joint J 2014; 96-B(1): 48-53</p> <p>Weitere Literatur:</p> <p>beim Verfasser</p>
</div>
</p>