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Der Arthrose auf der Spur

<p class="article-intro">Bei der ÖGO-Tagung in Villach wurde in der Arthrosesitzung ein innovatives System vorgestellt, mit dem die Osteoarthrose standardisiert sowie reproduzierbar diagnostiziert und graduiert werden kann. Durch exakte Positionierung des Kniegelenkes bei der Standaufnahme und eine digitale Bildbearbeitung können objektive Parameter gefunden werden, um Studien über Verlauf und Progredienz zu beurteilen.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Osteoarthrose (OA) ist mit einer Pr&auml;valenz von 18,6 % bei Frauen und 11,9 % bei M&auml;nnern eine der wichtigsten Krankheiten und die h&auml;ufigste Gelenkserkrankung &uuml;berhaupt.<sup>1&ndash;7</sup> Essenzielle Faktoren in der Bek&auml;mpfung der Osteoarthrose sind die Fr&uuml;herkennung und die Verlaufskontrolle, um eine individuell optimale Therapiem&ouml;glichkeit aussch&ouml;pfen zu k&ouml;nnen. Der wichtigste Aspekt hierbei ist, die Ver&auml;nderungen im und um das Kniegelenk m&ouml;glichst exakt zu erfassen. Bereits 1957 wurde die erste Bewertungsmethode von Kellgren und Lawrence eingef&uuml;hrt, um Osteoarthrose nach standardisierten Methoden beurteilen zu k&ouml;nnen.<sup>8</sup> Dieser Score umfasst eine semiquantitative Beurteilung der Verschm&auml;lerung des Gelenkspalts, der Bildung von zus&auml;tzlichem Knochengewebe (Osteophyten), der Ausbildung einer Sklerose und oss&auml;rer Deformation und Degeneration.<sup>9</sup> All diese Faktoren lassen sich auf einem R&ouml;ntgenbild detektieren und sind im KL-Score zusammengefasst. Jedoch zeigt eine zuletzt durchgef&uuml;hrte Untersuchung, dass die &Uuml;bereinstimmungsraten f&uuml;r jeden einzelnen Parameter beim KL-Score zwischen drei &Auml;rzten sehr gering sind und zwischen 13 und 15 % lagen.<sup>10, 11 </sup></p> <p>In den letzten Jahrzehnten wurden neue radiografische Scores entwickelt, mit dem Ziel, eine klinisch valide und reproduzierbare Klassifizierungsmethode zu etablieren. Abgesehen vom Fehlen eines allgemein anerkannten Konsensus bez&uuml;glich radiografischer Klassifizierung, k&ouml;nnen bereits bei der R&ouml;ntgenaufnahme eines Knies erhebliche Messungenauigkeiten auftreten, welche die Validit&auml;t und Reproduzierbarkeit einer OA-Klassifizierung erschweren. Diese betreffen vor allem die Berechnung des Kniegelenkspalts (&bdquo;joint space width&ldquo;, JSW und &bdquo;joint space area&ldquo;, JSA), die aufgrund unterschiedlicher Positionierung zu unterschiedlichen Ergebnissen f&uuml;hrt. Die standardisierte Aufnahme ist daher die Grundvoraussetzung f&uuml;r eine genaue Diagnose und spielt bei Verlaufsuntersuchungen eine besonders wichtige Rolle. Werden keine Standardisierungsmethoden verwendet, kommt es im Gro&szlig;teil der F&auml;lle zu Messfehlern, die eine effiziente Verlaufskontrolle unm&ouml;glich machen.<sup>12, 13</sup> Vor allem beim Gelenkspalt sind bei variabler Positionierung stark unterschiedliche Messergebnisse die Folge (Abb. 1). <br />Die menschliche Tibia ist so geformt, dass das Tibiaplateau nicht normal zur Tibial&auml;ngsachse verl&auml;uft, sondern dass eine nat&uuml;rliche Tibiaplateauneigung posterior besteht. Studien haben mehrfach gezeigt, dass diese Neigung etwa 10&deg; betr&auml;gt.<sup>14&ndash;16</sup> Daher ist die R&ouml;ntgenaufnahme so durchzuf&uuml;hren, dass die Tibia des Patienten um 10&deg; anterior geneigt wird, sodass der R&ouml;ntgenstrahl parallel verl&auml;uft und der Gelenkspalt frei projiziert wird. Essenziell ist jedoch, dass die Aufnahmen immer im selben Winkel erfolgen, somit k&ouml;nnen auch andere Parameter, wie Sklerose, Deformation und Osteophyten, deutlich besser erfasst werden, da es auch hier zu &Uuml;berprojektionen kommt, wenn nicht darauf geachtet wird, standardisiert zu positionieren. <img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Ortho_1606_Weblinks_seite73_1.jpg" alt="" width="448" height="798" /> <img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Ortho_1606_Weblinks_seite73_2.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <h2>Das Ger&auml;t</h2> <p>In einem gemeinsamen Forschungsprojekt<sup>17</sup> der Donau-Universit&auml;t und der Firma Braincon wurde eine neue Positionierungshilfe entwickelt (James). Dieses Medizinprodukt stellt die optimale Position des Knies w&auml;hrend stehender Knier&ouml;ntgenaufnahmen sicher. Der Patient h&auml;lt die leicht gebeugte Position des Kniegelenkes, welche mittels integrierter Sensorik &uuml;berpr&uuml;ft wird. Die Rotation kann der nat&uuml;rlichen Fu&szlig;stellung des Patienten angepasst werden, um einen m&ouml;glichst nat&uuml;rlichen Stand zu gew&auml;hrleisten. Die H&ouml;he des Anlegemoduls kann au&szlig;erdem an die Gr&ouml;&szlig;e des Patienten angepasst werden. Auch der Tibia&shy;inklinationswinkel kann zwischen 0&deg; und 15&deg; individuell umgestellt werden, wobei routinem&auml;&szlig;ig 10&deg; verwendet werden. Durch optisches Feedback mittels einer LED-Diode und ein akustisches Signal wissen die assistierende Person und der Patient, ob die richtige Position eingenommen und gehalten wird.</p> <h2>Standardisierte Gelenkspaltmessung</h2> <p>Um die Reproduzierbarkeit der Kniespaltmessungen zu evaluieren, wurden freistehende R&ouml;ntgenaufnahmen und Aufnahmen unter Verwendung des Positionierungsger&auml;tes auf Basis des Kniestands mithilfe eines diagnostischen digitalen Gelenkspaltanalyseprogrammes verglichen. Die Variablen, welche f&uuml;r die Berechnung verwendet wurden, sind die Gelenkspalth&ouml;he (JSW) und die Gelenkspaltfl&auml;che (JSA) (Abb. 2). <br />Die prozentualen Differenzen zwischen den beiden Verlaufsbildern konnten unter Zuhilfenahme des Positionierungsger&auml;tes im Mittel um 41 % in der JSA und 48 % in der JSW reduziert werden (Abb. 3, 4). Dadurch erreicht man relative Reproduzierbarkeitswerte von 96,7 % f&uuml;r die JSA und 95,5 % f&uuml;r die JSW. Es zeigt sich somit, dass die Verwendung eines Positionierungssystems reproduzierbare Messergebnisse liefert und die Grundlage f&uuml;r eine objektive Befundung von Osteoarthrose darstellt. Die Vermessung des Gelenkspalt&shy;areals (JSA) bezieht die Deformierung der Gelenksanteile in die Beurteilung mit ein und erg&auml;nzt die Gelenkspaltmessung um einen weiteren objektiven Parameter. <img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Ortho_1606_Weblinks_seite74_1.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <h2>Was ist jetzt Arthrose?</h2> <p>Auf Basis eines Datensatzes von Knier&ouml;ntgenbildern (n=226) wurden Gelenkspaltparameter erfasst, wobei die JSA sowie die minimale JSW berechnet wurden. Ziel dieser Auswertung war es, Schwellenwerte zu finden, um den Bereich zu definieren, in den lediglich jene Personen fallen, die radiografisch bereits im Vorfeld als osteoarthrotisch klassifiziert wurden. Bei dieser Auswertung zeigt sich, dass der Schwellenwert bei minimalen JSW bei 3,3mm und bei medialen JSA bei ca. 50mm<sup>2</sup> liegt (Abb. 5). Damit k&ouml;nnen Daten eines kontinuierlichen Wertebereichs in diskrete Scores zur Einteilung der Arthrose umgewandelt werden, wodurch Analysen nicht mehr vom Augenma&szlig; des Untersuchers abh&auml;ngen. Diese Erkenntnisse sind wichtig, um als objektives Ma&szlig; f&uuml;r die ganzheitliche Befundung von Osteoarthrose, Diagnose, Graduierung und Verlauf zu dienen. Derzeit werden in weiteren klinischen Studien weitere Schwellenwerte zur genaueren Klassifizierung von Osteoarthrose definiert. In diesem Zusammenhang geht es darum, detaillierte Osteoarthrosegrade durch empirische Methoden zu ermitteln. <img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Ortho_1606_Weblinks_seite74_2.jpg" alt="" width="" height="" /></p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Engelhardt M: Dtsch Z Sportmed 2003; 6: 171-5 <strong>2</strong> Dorner T, Stein K: Wien Med Wochenschr 2013; 163(9-19): 206-11 <strong>3</strong> Hadler NM: Ann Intern Med 1992; 116(7): 598-9 <strong>4</strong> Ayis S, Dieppe P: J Rheumatol 2009; 36: 583-91 <strong>5</strong> Dominick K et al: Arthritis Rheum 2004; 51: 326-31 <strong>6</strong> McAlindon T et al: Ann Rheum Dis 1993; 52: 258-62 <strong>7</strong> Chen A et al: Arthritis 2012; Article ID 698709 <strong>8</strong> Kellgren JH, Lawrence JS: Ann Rheum Dis 1957; 16(4): 494-502 <strong>9</strong> Wick MC et al: Gerontology 2014; 60(5): 386-94 <strong>10</strong> Schiphof D: Ann Rheum Dis 2008; 67(7): 1034-6 <strong>11</strong> Ljuhar R et al: Osteoporosis Int 2016; 27: S488-9 <strong>12</strong> Conrozier T et al: Osteoarthritis Cartilage 2004; 12(10): 765-70 <strong>13</strong> Ravaud P et al: Br J Rheumatol 1996; 35: 761-6 <strong>14</strong> Meseta D et al: Int J Morphol 2009; 27(1): 2014 <strong>15</strong> Malzer U, Schuler P: Orthop&auml;dische Praxis 1998; 34(3): 141-6 <strong>16</strong> Se&ccedil;kin Ş et al: J Sports Sci Med 2011; 10: 763-7 <strong>17</strong> Ethikkommissionsbeschluss GS1-EK-4/ 311-2015 des Landes N&Ouml;</p> </div> </p>
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