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Das Supinatorsyndrom
Jatros
Autor:
Dr. Armin Zadra
Bad Radkersburg<br> E-Mail: armin.zadra@kages.at
30
Min. Lesezeit
23.02.2017
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<p class="article-intro">Das Supinatorsyndrom ist eine doch häufige Erkrankung, welche zum Teil kombiniert mit einem Tennisellbogen auftritt, oft aber auch isoliert. Die Patienten haben einen langen Leidensweg hinter sich, da die Pathologie nicht richtig erkannt wird oder zu lange konservativ als alleinige Epicondylitis lateralis behandelt wird. Aufgrund der guten Ergebnisse erachten wir bei chronischer Symptomatik die operative Therapie als Mittel der Wahl.</p>
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<p class="article-content"><p>Die Kompression des Nervus radialis im Supinatortunnel stellt eine häufige Pathologie dar. Hierbei unterscheidet man zwischen mehreren Lokalisationen. Grundlegende Voraussetzung für das Stellen der Diagnose ist die genaue Kenntnis der Anatomie.<br /> Der Nervus radialis schlingt sich bekanntlich um den Humerus und betritt die Ellenbeuge von radial. Dabei kann es beim Durchtritt unter das Septum intermusculare laterale zu einer Einengung kommen. Da die Aufspaltung in einen motorischen tiefen und einen sensiblen oberflächlichen Ast distaler davon stattfindet, hat diese sehr seltene Kompression naturgemäß sowohl eine motorische als auch eine sensible Symptomatik. Dasselbe Erscheinungsbild trifft auch für die nicht so häufigen Pathologien in Höhe des Humeroradialgelenkes zu. Diese sind laut Literatur meist durch eine raumfordernde Struktur verursacht, wie z.B. Lipome, Bursitiden der Bizepssehne oder Gefäßanomalien (Fitzgerald 2002, Hashizume 1996, Tackmann 1989). Irreführend ist jedoch, dass auf diesem Niveau bereits der motorische Ast für die radiale Extensorengruppe abgegangen ist. Bei vollständiger Parese des Nervus radialis ist deshalb eine Extension noch möglich, jedoch durch die Extensores carpi radialis longus und brevis. Symptomatisch dafür ist, dass dann die Extension nach radial zieht. Bei ausgeprägter Einengung kommt es auch zu Sensibilitätsstörungen im autonomen Gebiet des Ramus superficialis (Spatium interosseum I–II dorsal). Da jedoch die schmerzhafte Komponente überwiegt, bemerken die Patienten diese Sensibilitätsstörungen oft nicht.<br /> Bis hierher spricht man in der Literatur auch vom Canalis radialis. Dieser kann auch durch Faserzügel der Kapsel des Radiohumeralgelenkes oder durch die sogenannte „leash of Henry“ (Äste der Arteria recurrens der Art. radialis) eingeengt sein. Distal davon beginnt der Canalis supinatorius. Dieser ist eine reine Pathologie des Ramus profundus. Er verschwindet nach seiner Abzweigung des R. superficialis unterhalb des proximalen Randes des M. supinatorius. Wenn dieser Rand fibrotisch ist, kann er potenziell den Nerv einengen (Werner 1979, Hashizume 1996). Es handelt sich dann um eine Fröhse-Arkade (Spinner 1993, Debouck, Rooze 1995, Riffaud 1999). Danach liegt der Nerv zwischen dem oberflächlichen und dem tiefen Bauch des M. supinatorius. Auch hier sind Gefäßanomalien beschrieben bzw. kann der scharfe Rand des Extensor carpi radialis brevis (ECRB) den Nerv einengen. In der Literatur seltener als die Fröhse-Arkade beschrieben ist der distale Rand des M. supinatorius. Dieser ist meist fibrotisch und engt den Nerv ein (Eversman 1988, Prasarthritha 1993).</p> <h2>Klinik</h2> <p>Im Vordergrund stehen immer die Schmerzen. Selten findet sich ein Patient mit einer Parese (Fallhand). Die Sensibilität ist, wie oben beschrieben, auch nur dann beeinträchtigt, wenn der Nerv weit proximal eingeengt ist. Bei der klinischen Untersuchung fällt auf, dass der Nerv entweder an seiner Ein- oder an seiner Austrittsstelle, oft im Sinne eines „double crush syndrome“ auch an beiden Stellen, schmerzhaft ist (Sponsellar 1983). Fast immer kommt es zu einer Ausstrahlung dorsal am Unterarm bis ins Handgelenk, entsprechend dem Verlauf des Nervus interosseus posterior. Wenn die Eintrittsstelle schmerzhaft ist, kann das auch häufig eine Folgeerkrankung einer Epicondylitis lateralis sein. Die Hypothese hierbei ist ein dauerspastischer Zustand des ECRB. Als Test kann die Extension des Handgelenkes gegen Widerstand durchgeführt werden oder der Test des maximal flektierten Handgelenkes bei extendiertem, proniertem Ellbogen. Beschrieben ist auch der Test der Extension des Mittelfingers gegen Resistenz.</p> <h2>Zusätzliche Diagnostika</h2> <p>Ein Röntgen des Ellbogens sollte gemacht werden, um Arthrosen des Ellbogens auszuschließen; bei Verdacht auf raumfordernde Prozesse in der Ellenbeuge auch eine MRT. Die Nervenleitgeschwindigkeit (NLG) des Nervus radialis hat nur bedingt Aussagekraft. Wir verzichten deshalb mit Hinweis auf die geringe Sensitivität (Albrecht et al 1997: 50 % falsch negativ; Stanley 2006: 33 % falsch negativ) bzw. Spezifität (Barnum 1996, Werner 1979 idem) häufig darauf.</p> <h2>Therapie</h2> <p>Bei nur kurzzeitigen Beschwerden ist auf jeden Fall die konservative Therapie indiziert. Diese beinhaltet Analgetika, Schonung und die Verbesserung des longitudinalen Gleitverhaltens des Nerven mittels Physiotherapie.<br /> Da die Patienten meist einen langen Leidensweg hinter sich haben, bis die richtige Diagnose gestellt wurde, optieren wir für die operative Therapie mittels schonender Darstellung des Nervs entweder über einen proximalen Zugang zur Fröhse- Arkade oder über eine distalen transmuskulären Zugang zur Austrittsstelle des Nerven. Dabei sollten sowohl die Fröhse- Arkade als auch der distale Rand des M. supinatorius gespalten werden. Eine zusätzliche Sanierung der Epikondylitis ist bei Notwendigkeit natürlich indiziert.<br /><br /> Wir haben in den Jahren 2006–2016 60 Patienten mit Supinatorsyndrom operiert, wobei wir vor allem den retrograden Zugang gewählt haben. 54 Patienten hatten ein gutes und sehr gutes Ergebnis. 6 zeigten ein schlechtes Ergebnis: Bei 2 war es zu einer Adhäsionsneuropathie nach anfänglich guter Situation gekommen, 4 Patienten benötigten eine zusätzliche Spaltung der Fröhse-Arkade, da diese von retrograd nicht zu erreichen war. Aus diesem Grund führen wir derzeit simultan einen sowohl antegraden als auch einen retrograden Zugang zum Supinatortunnel aus.<br /> Naam et al berichten 2003 über 86 % gute Ergebnisse bei 213 Patienten, Liederer 2015 über 97 % gute Ergebnisse bei Verwendung des anterioren Zuganges. Aufgrund dieser durchwegs guten Ergebnisse sehen wir die Problematik vor allem in der Fehldeutung der Symptome als alleinige Epikondylitis sowie auch in einer deutlich verspäteten Indikationsstellung zur operativen Therapie.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Ortho_1701_Weblinks_s30_abb1.jpg" alt="" width="684" height="637" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Ortho_1701_Weblinks_s30_abb2.jpg" alt="" width="684" height="931" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Ortho_1701_Weblinks_s30_abb3.jpg" alt="" width="684" height="572" /></p></p>