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Lichen sclerosus und Verein Lichen Sclerosus

Anlaufstelle nicht nur für Betroffene

<p class="article-intro">Lichen sclerosus (LS) ist in weiten Teilen der Bevölkerung unbekannt. Viele Betroffene wissen daher nicht, dass ihre Beschwerden von einer Krankheit verursacht werden, die man bisher nicht heilen, aber durchaus behandeln kann. 2013 ist von LS-Patientinnen der Verein Lichen Sclerosus gegründet worden: eine Anlaufstelle für Betroffene und Interessierte. Vorstandsmitglied Bettina Fischer spricht im Interview über die Aufgaben und Ziele des Vereins und warum er von Ärzten als Unterstützung geschätzt wird.</p> <hr /> <p class="article-content"><p><strong>Lichen sclerosus ist vielen Patientinnen, aber auch manchen &Auml;rzten kein Begriff. Ist die Krankheit so selten? Und wer ist vorwiegend betroffen?<br /> Fischer:</strong> Die Krankheit selbst wurde bereits vor etwa hundert Jahren beschrieben, aber dennoch kennen sich selbst viele &Auml;rzte nicht gut damit aus. Das liegt einerseits daran, dass das &auml;ussere Genitale, anders als die Brust, noch immer eine Tabuzone ist. Viele Frauen wissen nicht genau, wie die Vulva aussieht, schauen sie nicht proaktiv an und k&ouml;nnen Ver&auml;nderungen daher nicht feststellen. Zudem sprechen Betroffene selten offen &uuml;ber ihre Beschwerden. Auf der anderen Seite werden die Vulva und ihre Krankheiten in der Ausbildung der &Auml;rzte bislang sehr stiefm&uuml;tterlich behandelt. Noch immer gilt LS als &laquo;seltene Krankheit &raquo;, die haupts&auml;chlich &auml;ltere Frauen nach der Menopause betrifft. Das ist allerdings so nicht haltbar. Sch&auml;tzungen gehen davon aus, dass jede 50. Frau an LS leidet &ndash; und darunter sind auch viele j&uuml;ngere Frauen. LS kommt ausserdem auch bei M&auml;nnern vor und kann sich bei beiden Geschlechtern schon im Kindesalter manifestieren. Bei Kindern geht man von einer H&auml;ufigkeit von 1 pro 900 aus. <br /><br /><strong>Wann sollte eine Frau den Verdacht haben, dass sie an LS erkrankt ist?<br /> Fischer:</strong> Wiederkehrendes Jucken und/oder Brennen im Genitalbereich, Risse der Haut beim Geschlechtsverkehr, h&auml;ufige Blasenbeschwerden, ohne dass Bakterien im Urin gefunden werden, weissliche Flecken und R&ouml;tungen auf der Vulvahaut sind Hinweise auf LS. <br /><br /><strong>Welche Symptome treten bei M&auml;nnern auf?<br /> Fischer:</strong> Bei M&auml;nnern und Knaben ist zun&auml;chst die Vorhaut betroffen, wo es zu Verengungen kommt. Werden diese nicht behandelt, kann die Krankheit sich auf die Eichel ausdehnen, wo man ebenfalls die weisslichen Ver&auml;nderungen beobachtet. Dazu kommen die gleichen Beschwerden wie bei Frauen: Schmerzen, Brennen, manchmal Juckreiz, Beschwerden beim Geschlechtsverkehr, im fortgeschrittenen Stadium Verengung der Harnr&ouml;hre. Durch eine komplette Beschneidung der Vorhaut im fr&uuml;hen Stadium kann LS bei M&auml;nnern jedoch gut behandelt und eventuell sogar kuriert werden. <br /><br /><strong>Was raten Sie Betroffenen, die unter typischen LS-Beschwerden leiden? Wo finden sie kompetente Hilfe?<br /> Fischer:</strong> Unsere Erfahrung ist, dass sich viele &Auml;rzte zu wenig mit dem Krankheitsbild und der Therapie auskennen. Frauen sollten unbedingt mit ihrer Gyn&auml;kologin respektive ihrem Gyn&auml;kologen sprechen und den Verdacht auf LS konkret &auml;ussern. Oftmals kennen sich auch Dermatologen gut mit der Krankheit aus. Eine andere M&ouml;glichkeit ist, eine spezialisierte Vulva-Sprechstunde aufzusuchen. <br /><br /><strong>Was k&ouml;nnen betroffene Frauen und M&auml;nner selbst tun, um die Therapie zu unterst&uuml;tzen?<br /> Fischer:</strong> Neben der medizinischen Behandlung mit hochpotenten Kortisonsalben gem&auml;ss dem Therapieschema ist eine intensive Pflege des Intimbereichs mit fetthaltigen Salben oder mit &Ouml;len notwendig. Diese sollten nach jedem Toilettengang aufgetragen werden. Wichtig ist, die Haut geschmeidig zu halten, damit sie nicht reisst, vernarbt und verh&auml;rtet. &Uuml;bertriebene Intimhygiene mit scharfen Waschl&ouml;sungen sollte dagegen vermieden werden, weil dies die Haut zus&auml;tzlich reizt. Zudem raten wir zu weit geschnittener Kleidung und Unterw&auml;sche aus Baumwolle oder Seide. <br /><br /><strong>Der Verein Lichen Sclerosus wurde 2013 von betroffenen Frauen gegr&uuml;ndet. Welches waren die Beweggr&uuml;nde?<br /> Fischer:</strong> Die &laquo;Gr&uuml;nderfrauen&raquo; hatten alle einen &laquo;&Auml;rztemarathon&raquo; hinter sich. Sie hatten lange keine Hilfe gefunden und keine Informationen bekommen, obwohl es diese gab. Unser Ziel war zun&auml;chst, die vorhandenen Informationen zusammenzutragen und den Betroffenen, aber auch den behandelnden &Auml;rzten zur Verf&uuml;gung zu stellen. So finden sich zum Beispiel auf unserer Internetseite die aktuelle S3-Leitlinie zu Lichen sclerosus und eine patientengerechte zweiseitige Zusammenfassung derselben. Neben den Informationen brauchen Betroffene eine Plattform zum Austausch. Wenn es beispielsweise um sehr intime Fragen geht oder um Probleme in der Sexualit&auml;t, die bei LS-Patienten h&auml;ufig sind, dann &ouml;ffnen sich viele eher in einem geschlossenen Forum oder in Austauschgruppen von ebenfalls betroffenen Personen. Auch Tipps f&uuml;r den Umgang mit der Krankheit im Alltag k&ouml;nnen andere Patienten besser geben als manch ein Arzt. Eine weitere Gruppe, die einen regen Austausch pflegt, sind die Eltern erkrankter Kinder, die vor ganz besondere Probleme gestellt sind. <br /><br /><strong>Welche Ziele verfolgt der Verein und wer kann Mitglied werden?<br /> Fischer:</strong> Unser wichtigstes Anliegen ist die Aufkl&auml;rungsarbeit bei &Auml;rzten und in der &Ouml;ffentlichkeit. LS ist gar nicht so selten, wie viele bisher vermuten. Dies beweisen neben entsprechenden Untersuchungen unter anderem unsere Mitgliederzahlen. Seit der Vereinsgr&uuml;ndung 2013 haben sich schon mehr als tausend Betroffene bei uns als Mitglied registrieren lassen und seit wir auch in der Presse aktiv sind, kommen t&auml;glich ein bis zwei weitere hinzu. Dies und nat&uuml;rlich auch die Unterst&uuml;tzung durch Experten wie Prof. G&uuml;nthert vom Kantonsspital Luzern verleihen unseren Anliegen mehr Gewicht. Die mittlerweile grosse Zahl an Mitgliedern erm&ouml;glicht nun auch wissenschaftliche Umfragen und weitere Studien zur Krankheit LS. Inzwischen haben zahlreiche &Auml;rzte den Wert unserer LS-Selbsthilfegruppe erkannt und schicken Patienten zu uns, weil sie wissen, dass wir die Sorgen und Probleme der Betroffenen verstehen, ihnen zuh&ouml;ren sowie Ratschl&auml;ge und Tipps f&uuml;r den Alltag geben k&ouml;nnen. Ferner st&auml;rken wir die Betroffenen dahingehend, dass sie die Salbentherapie auch wirklich konsequent gem&auml;ss Schema anwenden, denn sehr viele haben Angst vor dem Kortison und sind z&ouml;gerlich in der Anwendung. Das entlastet auch die &Auml;rzte. Vereinsmitglied kann jeder werden, der selbst betroffen oder ein Angeh&ouml;riger einer an LS erkrankten Person ist, sowie jeder, der Interesse hat, unsere Arbeit zu unterst&uuml;tzen. <br /><br /><strong>Wie sieht Ihre Arbeit aus?<br /> Fischer:</strong> Wir sind seit 2015 auf &Auml;rztekongressen vertreten, wo wir &Auml;rzte gezielt ansprechen. Auch sind wir nun mit Artikeln, Berichten und Reportagen in den Medien pr&auml;sent, etwa in Tageszeitungen und im Fernsehen. Nach jedem Presseauftritt gehen bei uns vermehrt Anfragen betroffener Frauen ein. Viele von ihnen berichten, dass sie sich nach zahlreichen erfolglosen Therapien schon gar nicht mehr zum Arzt trauen, weil sie die Hoffnung auf Hilfe aufgegeben haben, oder aber dass sie zwar die Diagnose, nicht aber die ad&auml;quate Therapie erhalten. Wir vermitteln die Betroffenen an kompetente &Auml;rzte oder zu speziellen Vulva-Sprechstunden, bieten ihnen den Austausch in diversen regionalen Austauschgruppen respektive in einem gesch&uuml;tzten Forum, organisieren Workshops. Dar&uuml;ber hinaus halten wir Aufkl&auml;rungsvortr&auml;ge und motivieren dabei Frauen, ihren Intimbereich mithilfe eines Spiegels zu beobachten. Bei der Fr&uuml;herkennung des Mammakarzinoms durch Selbstabtasten hat das ja sehr gut funktioniert. Und wir haben das Aufkl&auml;rungsbuch &laquo;Jule und die Muscheln&raquo; herausgegeben, das in spielerischer Weise &uuml;ber die Krankheit informiert; es richtet sich an Eltern betroffener Kinder, aber auch an erwachsene Betroffene und interessierte &Auml;rzte, die es an ihre Patienten abgeben m&ouml;chten. Es kann bei uns oder in jeder Buchhandlung bestellt werden. Zurzeit wird es ins Italienische und ins Franz&ouml;sische &uuml;bersetzt. <br /><br /><strong>Sie arbeiten l&auml;nder&uuml;bergreifend. In welchen L&auml;ndern ist der Verein Lichen Sclerosus aktiv?<br /> Fischer:</strong> Wir f&uuml;hren aktive Austauschgruppen in der Schweiz, in &Ouml;sterreich, Deutschland und Luxemburg. Einzelmitglieder kommen auch aus anderen L&auml;ndern wie Frankreich, Portugal, Israel und Kanada. <br /><br /><strong>Gibt es Unterschiede zwischen den einzelnen L&auml;ndern, was die Bekanntheit der Krankheit LS und deren Therapie bei &Auml;rzten angeht?<br /> Fischer:</strong> Ja, die gibt es. In der Schweiz machen wir langsam Fortschritte. In Deutschland sehen wir, dass die &Auml;rzte zu wenig Zeit f&uuml;r ihre Patientinnen haben; da wird nicht selten die &laquo;Schnelldiagnose&raquo; Pilzinfektion gestellt oder &laquo;herumgebastelt&raquo; wie auch in &Ouml;sterreich. Wir beobachten ausserdem, dass es &Auml;rzte gibt, die den LS zwar richtig diagnostizieren, dann aber nicht gem&auml;ss den Leitlinien langfristig und mit hochpotentem Kortison behandeln. Hier halte ich es f&uuml;r wichtig, die Patienten so zu informieren und zu st&auml;rken, dass sie sich den Arzt auf die Leitlinie anzusprechen getrauen. <br /><br /><strong>Was w&uuml;nschen Sie sich f&uuml;r die Zukunft?<br /> Fischer:</strong> Dass unsere Arbeit weitere Fr&uuml;chte tr&auml;gt und das Wissen &uuml;ber LS bei &Auml;rzten und Betroffenen w&auml;chst. Ein Zukunftstraum w&auml;ren spezielle interdisziplin&auml;re Kompetenzzentren, die sich ausschliesslich mit dem LS befassen und alle an Diagnose und Therapie der Krankheit beteiligten Fachgruppen unter einem Dach zusammenbringen. Dies w&auml;re f&uuml;r die Betroffenen, aber auch f&uuml;r die &Auml;rzte eine grosse Erleichterung. <br /><br /><strong>Frau Fischer, vielen Dank f&uuml;r das Gespr&auml;ch.</strong></p></p>
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