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Warum profitieren Patienten mit schwerer COPD von Vibrationstraining?
Jatros
Autor:
Dr. phil. Rainer Glöckl
Dipl.-Sportwissenschaftler<br>Fachzentrum Pneumologie<br>Schön Klinik Berchtesgadener Land Schönau am Königssee<br>E-Mail: rgloeckl@schoen-kliniken.de
30
Min. Lesezeit
06.07.2017
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<p class="article-intro">Generell ist das Ganzkörpervibrationstraining (WBVT) durch eine externe Stimulation mittels eines oszillierenden Vibrationsreizes, zumeist durch Stehen auf einer Vibrationsplatte, charakterisiert. Heutzutage ist eine Vielzahl von WBVT-Plattformen auf dem Markt erhältlich, die sich in ihrer technischen Qualität, den mechanischen Prinzipien sowie der Einstellungsmöglichkeit verschiedener Parameter unterscheiden.1</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>WBVT kann vor allem für Patienten mit geringer körperlicher Leistungs- und Balancefähigkeit eine sinnvolle ergänzende Trainingsmaßnahme sein.</li> <li>Ein Vergleich der bisher wenigen WBVT-Studien bei COPD-Patienten ist aufgrund der hohen Heterogenität von Trainingsprotokollen, Vibrationsplatten, Übungen etc. schwierig.</li> <li>Kurze Trainingsblöcke mit 2–4 Sätzen à 30–120 Sekunden bei mittleren bis hohen Frequenzen haben positive Effekte gezeigt und sich in der Praxis bewährt.</li> <li>Der Einsatz von WBVT steigert die kardiopulmonale Belastung bei COPD-Patienten nicht mehr als konventionelles Training ohne WBVT.</li> </ul> </div> <p>Die meisten Geräte zum WBVT induzieren eine synchrone und/oder eine seitenalternierende Vibration der Platte (Abb. 2), die jeweils unterschiedliche neuromuskuläre Beanspruchungen bewirken.<sup>2</sup> Hierzu besteht eine anhaltende Diskussion darüber, welche Methode effektiver oder sinnvoller ist.<sup>3, 4</sup> Deshalb kann WBVT nicht als eine ganz spezifische Trainingsmethode angesehen werden, sondern muss immer differenziert betrachtet werden. WBVT-Parameter wie z.B. Frequenz, Amplitude, Dauer, Übungen etc. sind entscheidend für die Bewertung eines WBVT-Programms.<sup>5</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Pneumo_1703_Weblinks_s16_3.jpg" alt="" width="1419" height="2903" /></p> <p> </p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Pneumo_1703_Weblinks_s16_1.jpg" alt="" width="1417" height="1061" /></p> <h2>Wirkungsweise von WBVT</h2> <p>Die Effekte eines WBVT können in akute und langfristige Wirkungen unterteilt werden. Bereits eine einmalige WBVT-Einheit kann kurzfristig zu einer Erhöhung der Maximalkraft und -leistung,<sup>6</sup> einer vermehrten Durchblutung der unteren Extremitäten,<sup>7</sup> einer Verbesserung der Balance<sup>8</sup> sowie einer vermehrten Ausschüttung von Wachstumshormonen führen.<sup>9</sup> Langfristige Effekte konnten ebenso in verschiedenen physiologischen Systemen beobachtet werden. Ein zentraler Mechanismus des WBVT ist dabei der sogenannte Dehnreflex, der vor allem in den unteren Extremitäten zu Muskelkontraktionen führt.<sup>10</sup> Es wird angenommen, dass ein Großteil der Effekte des WBVT durch neurophysiologische Adaptionen erklärt werden kann.<sup>11, 12</sup><br />WBVT wird bislang als effektive Trainingsmethode gegen Muskelatrophie sowie bei einer Reihe chronischer Erkrankungen wie z.B. Fibromyalgie, Multipler Sklerose, Typ-2-Diabetes, chronischen Rückenschmerzen oder auch nach Lungentransplantation<sup>13</sup> eingesetzt.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Pneumo_1703_Weblinks_s16_2.jpg" alt="" width="2151" height="2910" /></p> <h2>Rationale für WBVT bei COPD</h2> <p>Eine allgemeine Indikationsliste (Tab. 2) für den Einsatz eines WBVT bildet allein schon fast die Grundlage für den Einsatz auch bei COPD-Patienten. Beinahe alle Indikationspunkte können bei einem Großteil der COPD-Patienten beeinträchtigt sein. Die landläufige Befürchtung, dass WBVT bei COPD-Patienten zu einer deutlichen kardiopulmonalen Mehrbelastung führt, konnte in einer kontrollierten Studie nicht bestätigt werden.<sup>14</sup> Die Belastung für das Herz-Kreislauf-System ist vergleichbar mit der eines konverntionellen Trainings ohne WBVT.</p> <h2>Evidenz für WBVT bei Patienten mit COPD</h2> <p>Tabelle 1 bietet einen groben Überblick über die aktuell verfügbare Literatur randomisiert kontrollierter Studien über WBVT bei COPD.</p> <h2>WBVT in der praktischen Umsetzung</h2> <p>Betrachtet man die (bisher in äußerst geringer Anzahl veröffentlichten) WBVT-Studien bei COPD, so gibt es bisher noch kein einheitlich angewandtes Trainingsprotokoll. Berücksichtigt man aber die theoretischen physiologischen Wirkprinzipien der verschiedenen Vibrationsplatten, so scheint zumindest eine Trainingsfrequenz von >15 Hertz auf seitenalternierenden und <35 Hertz auf synchronen Vibrationsplatten geeignet, um Muskelleistung und -funktion zu verbessern (Tab. 3)<sup>25</sup>. Dennoch bleibt festzuhalten, dass die Zuordnung der verschiedenen Frequenzbereiche zu den jeweiligen Trainingseffekten eher theoretischer Natur ist und bislang nicht in Studien untersucht wurde.<br />Die am häufigsten angewandte Übung ist die beidbeinige Kniebeuge in dynamischer oder statischer Ausführung (Abb. 1). Eine Kombination dieser Varianten in Tempo, Bewegungsumfang und mit Zusatzgewichten auf einer seitenalternierenden Vibrationsplatte stellt eine der effektivsten Basisübungen zur Funktionsverbesserung der unteren Extremitäten dar.<sup>26</sup><br />WBVT kann bei allen Schweregraden angewandt werden. Bei Patienten mit fortgeschrittener Erkrankung und Langzeitsauerstofftherapie sollten besonders kurze Trainingsblöcke von ca. 30–60 Sekunden angewandt werden. Die eigene praktische Erfahrung zeigt, dass es vereinzelt auch Patienten gibt, denen ein WBVT unangenehm ist und die ein solches nicht tolerieren. Bei diesen oder sonst sehr ängstlichen Patienten sind ein besonders schonendes Heranführen und Gewöhnen an ein WBVT wichtig, um die Toleranz und damit auch die Compliance zu fördern. Tabelle 4 gibt einen Überblick über wichtige Grundregeln des Vibrationstrainings und zeigt eine mögliche methodische Herangehensweise im Rahmen einer ersten Trainingseinheit auf einer Vibrationsplatten auf.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Pneumo_1703_Weblinks_s16_3.jpg" alt="" width="2151" height="2910" /></p></p>
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<p><strong>1</strong> Rittweger J: Vibration as an exercise modality: how it may work, and what its potential might be. Eur J Appl Physiol 2010; 108(5): 877-904 <strong>2</strong> Abercromby AF et al: Vibration exposure and biodynamic responses during whole-body vibration training. Med Sci Sports Exerc 2007; 39(10): 1794-800 <strong>3</strong> Pel JJ et al: Platform accelerations of three different whole-body vibration devices and the transmission of vertical vibrations to the lower limbs. Med Eng Phys 2009; 31(8): 937-44 <strong>4</strong> Von Stengel S et al: Effects of whole-body vibration training on different devices on bone mineral density. Med Sci Sports Exerc 2011; 43(6): 1071-9 <strong>5</strong> Rauch F et al: Reporting whole-body vibration intervention studies: recommendations of the International Society of Musculoskeletal and Neuronal Interactions. J Musculoskelet Neuronal Interact 2010; 10(3): 193-8 <strong>6</strong> Cochrane DJ, Stannard SR: Acute whole body vibration training increases vertical jump and flexibility performance in elite female field hockey players. Br J Sports Med 2005; 39(11): 860-5 <strong>7</strong> Stewart JM et al: Plantar vibration improves leg fluid flow in perimenopausal women. Am J Physiol Regul Integr Comp Physiol 2005; 288(3): R623-9 <strong>8</strong> Torvinen S et al: Effect of a vibration exposure on muscular performance and body balance. Randomized cross-over study. Clin Physiol Funct Imaging 2002; 22(2): 145-52 <strong>9</strong> Bosco C et al: Hormonal responses to whole-body vibration in men. Eur J Appl Physiol 2000; 81(6): 449-54 <strong>10</strong> Ritzmann R et al: EMG activity during whole body vibration: motion artifacts or stretch reflexes? Eur J Appl Physiol 2010; 110(1): 143-51 <strong>11</strong> Rittweger J et al: Acute changes in neuromuscular excitability after exhaustive whole body vibration exercise as compared to exhaustion by squatting exercise. Clin Physiol Funct Imaging 2003; 23(2): 81-6 <strong>12</strong> Issurin VB et al: Effect of vibratory stimulation training on maximal force and flexibility. J Sports Sci 1994; 12(6): 561-6 <strong>13</strong> Gloeckl R et al: Effects of complementary whole-body vibration training in patients after lung transplantation: a randomized, controlled trial. J Heart Lung Transplant 2015; 34(11): 1455-61 <strong>14</strong> Gloeckl R et al: Cardiopulmonary response during whole-body vibration training in patients with severe COPD. ERJ Open Res 2017; 3(1). pii: 00101-2016 <strong>15</strong> From www.galileo-training.com, visited on 21. 12. 2016 <strong>16</strong> From www.powerplate.com, visited on 21. 12. 2016 <strong>17</strong> Gloeckl R et al: Effects of whole body vibration in patients with chronic obstructive pulmonary disease--a randomized controlled trial. Respir Med 2012; 106(1): 75-83 <strong>18</strong> Pleguezuelos E et al: Effects of whole body vibration training in patients with severe chronic obstructive pulmonary disease. Respirology 2013; 18(6): 1028-34 <strong>19</strong> Furness T et al: Benefits of whole-body vibration to people with COPD: a community-based efficacy trial. BMC Pulm Med 2014; 14: 38 <strong>20</strong> Greulich T et al: Benefits of whole body vibration training in patients hospitalised for COPD exacerbations - a randomized clinical trial. BMC Pulm Med 2014; 14: 60 <strong>21</strong> Braz Júnior DS et al: Whole-body vibration improves functional capacity and quality of life in patients with severe chronic obstructive pulmonary disease (COPD): a pilot study. Int J Chron Obstruct Pulmon Dis 2015; 10: 125-32 <strong>22</strong> Salhi B et al: Effects of whole body vibration in patients with COPD. COPD 2015; 12(5): 525-32 <strong>23</strong> Spielmanns M et al: Low-volume whole-body vibration training improves exercise capacity in subjects with mild to severe COPD. Respir Care 2017; 62(3): 315-23 <strong>24</strong> Gloeckl R et al: What's the secret behind the benefits of whole-body vibration training in patients with COPD? A randomized, controlled trial. Respir Med 2017; 126: 17-24 <strong>25</strong> Gloeckl R et al: Practical recommendations for exercise training in patients with COPD. Eur Respir Rev 2013; 22(128): 178-86 <strong>26</strong> Ritzmann R et al: The influence of vibration type, frequency, body position and additional load on the neuromuscular activity during whole body vibration. Eur J Appl Physiol 2013; 113(1): 1-11 <strong>27</strong> Gloeckl RI et al: Whole body vibration training in patients with COPD: a systematic review. Chron Respir Dis 2015; 12(3): 212-21</p>
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