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Allergien und Asthma bronchiale bei älteren Menschen
Jatros
Autor:
Univ.-Doz. Dr. Felix Wantke
Floridsdorfer Allergie-Zentrum<br> E-Mail: wantke@faz.at
30
Min. Lesezeit
13.12.2018
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<p class="article-intro">Allergien und Asthma bronchiale sind klassische Erkrankungen von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Dass auch ältere Menschen an Asthma oder Allergien leiden können oder sogar erst im Alter zu Allergikern werden können, ist weniger bekannt.</p>
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<p class="article-content"><p>Subjektiv betrachtet sehen wir immer mehr ältere Patienten im Floridsdorfer Allergieambulatorium, objektiv stieg die Anzahl der über 65-jährigen Patienten mit allergischer Sensibilisierung im Zeitraum von 1997 bis 2007 stetig von 1,7 % auf 3,5 %. Die Sensibilisierungsmuster der Senioren (n=370) sind weitgehend identisch mit denen der 7- bis 64-jährigen Atopiker (n=12 684), allerdings sind die Sensibilisierungen prozentuell geringer (Abb. 1). Bei den Zuweisungsdiagnosen dominiert die Rhinokonjunktivitis mit fast 60 %, gefolgt von Urtikaria/Angioödem mit 29 % und Dyspnoe mit 26 % (Abb. 2).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Pneumo_1806_Weblinks_jatros_pneumo_1806_s6_abb1+2.jpg" alt="" width="2150" height="769" /></p> <h2>Häufigkeit von Allergien bei Senioren</h2> <p>Die Lebenszeitprävalenz von allergischen Erkrankungen liegt laut deutschen Statistiken bei Senioren jenseits der 70 Jahre zwischen 22 % (weiblich) und 16 % (männlich). Die höchsten Prävalenzen finden sich bei Frauen zwischen 30 und 39 Jahren (Abb. 3). Typisch ist die Geschlechtsverteilung, wobei Frauen stets mehr Allergien zeigen als Männer. Dies hat unter anderem hormonelle Gründe.<br /> Da Allergien generell im Zunehmen sind, ist auch zu erwarten, dass in der Kindheit oder Jugend erworbene Allergien bei älteren Menschen weiterbestehen. Allerdings gibt es offenbar auch Neusensibilisierungen, da ältere Patienten vermehrt über bisher nicht gekannte allergische Symptome klagen. Dass es sich dabei tatsächlich um Neusensibilisierungen handelt, konnte im Rahmen einer Sensibilisierungsstudie in Ostösterreich gezeigt werden. Vorwiegend dort hat sich Ragweed, ein aggressives Allergen, angesiedelt. Da es Ragweed in Österreich früher nicht gegeben hat, handelt es sich bei Allergien dagegen daher hauptsächlich um Neusensibilisierungen. Ein ähnliches Muster konnte auch in italienischen Untersuchungen bei Ragweed-Sensibilisierungen gesehen werden.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Pneumo_1806_Weblinks_jatros_pneumo_1806_s7_abb3+4.jpg" alt="" width="2150" height="710" /></p> <h2>Typ-1-Diagnostik</h2> <p>Die Allergiediagnostik unterscheidet sich bei älteren Menschen nicht von der bei jungen Patienten. Allerdings ist zu bedenken, dass etwa bei ausgeprägter altersbedingter Hautatrophie die Pricktestung unzuverlässig ist; Ähnliches gilt für die Medikation mit Neuroleptika.<br /> Die Therapie der allergischen Rhinokonjunktivitis unterscheidet sich nicht von der bei jungen Menschen, allerdings sollten keine „alten“, sedierenden Antihistaminika gegeben werden. Zu bedenken ist auch, dass hoch dosierte topische Steroide bei älteren Menschen das Risiko für Katarakt oder Glaukom leicht erhöhen können.</p> <h2>Asthma bronchiale</h2> <p>Zum Asthma bronchiale bei älteren Menschen sind die Daten eher dünn. Zumeist liest man, dass „unser Wissen limitiert“ ist, aber auch, dass Asthma bei älteren Menschen „unterdiagnostiziert und unterbehandelt“ sei. Zusätzlich sei in den nächsten Jahren mit einer Zunahme der Zahl an betagten Asthmapatienten zu rechnen. Derzeit sind zumindest zwei Phänotypen bekannt: das „long-standing“ Asthma, das aus der Kindheit oder Jugend „mitgenommen“ wird, und das neu erworbene „late-onset“ Asthma.</p> <h2>Diagnose des Asthma bronchiale</h2> <p>Asthma bronchiale präsentiert sich bei älteren Menschen anders (Tab. 1), wobei als Kardinalsymptome Ruhedyspnoe, morgendliche Thoraxenge und Erwachen durch nächtlichen Husten angegeben werden (Bellia et al., Chest 2003). Beim Symptom Dyspnoe ist differenzialdiagnostisch die Abgrenzung von COPD oder Herzerkrankungen zu beachten, was jedoch im Einzelfall nicht ganz einfach ist. Auch ist es möglich, dass Asthma und COPD überlappend vorkommen.<br /> Ältere Menschen empfinden Atemnot als weniger schwer als junge Patienten. Das führt dazu, dass Senioren mit Asthma bronchiale später zum Arzt gehen, die Diagnose verzögert gestellt wird und damit die Therapie verspätet eingeleitet wird. Des Weiteren ist die Sterblichkeit an Asthma bei Senioren deutlich erhöht (Abb. 4).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Pneumo_1806_Weblinks_jatros_pneumo_1806_s7_tab1.jpg" alt="" width="350" height="478" /></p> <h2>Hormonersatztherapie und Asthma</h2> <p>Auch die Etablierung einer postmenopausalen Hormontherapie kann Einfluss auf die Entwicklung von Asthma bronchiale haben. So zeigte eine Untersuchung über Hormonersatztherapie aus dem Jahr 2004, dass sowohl eine Progesteron/Östrogentherapie als auch eine alleinige Östrogentherapie zu einem erhöhten Asthmarisiko führen kann. Im Gegensatz dazu konnten Romieu et al. in einer französischen Studie an 57 664 Frauen im Alter von 60 bis 85 Jahren zwar eine erhöhte Asthmarate bei Patientinnen unter Östrogentherapie finden, nicht aber unter einer kombinierten Progesteron/Östrogentherapie. Interessanterweise sind Nichtraucherinnen neben Atopikerinnen stärker gefährdet, unter einer Östrogentherapie Asthma zu entwickeln.</p> <h2>Therapieansätze für Asthma bronchiale</h2> <p>Die Therapie des Asthma bronchiale richtet sich auch im Alter nach den GINAGuidelines und unterscheidet sich nicht wesentlich von jener bei jüngeren Asthmatikern. Ein ganz essenzieller Punkt bei der Behandlung mit inhalativen Medikamenten ist die Inhalationstechnik. Ältere Menschen haben naturgemäß mehr Schwierigkeiten als jüngere Patienten, da sie meist sowohl in Bezug auf die Sehkraft als auch auf taktile und koordinative Fähigkeiten mehr oder weniger eingeschränkt sind. Außerdem dürfen die regelmäßige Bewegung und die pneumologische Rehabilitation nicht vergessen werden.</p> <h2>Spezifische Immuntherapie bei Senioren</h2> <p>Die spezifische Immuntherapie wurde früher für Patienten jenseits der 50 Jahre nicht empfohlen; heutzutage kann man nach Ermessen auch bei älteren Menschen eine Immuntherapie durchführen. Unsere bisherigen Beobachtungen zeigen sowohl eine gute Verträglichkeit als auch eine gute Wirksamkeit.<br /> Generell besteht bei Patienten mit schweren anaphylaktischen Reaktionen nach Insektenstichen (Müller Grad 3 und 4) die Indikation zur spezifischen Immuntherapie. Gerade in diesem Fall ist die Therapie bei alten Menschen besonders wichtig, da die meisten Todesfälle durch anaphylaktische Reaktionen nach Insektenstichen bei 60- bis 70-Jährigen auftreten. Ursachen sind hier sicherlich die kardialen und eventuell pulmonalen Komorbiditäten. Eine Medikation mit Betablockern oder ACE-Hemmern scheint nach heutigem Wissen nicht mit erhöhten Nebenwirkungen verbunden zu sein und stellt somit auch keine Kontraindikation gegen die Immuntherapie mehr dar.</p> <div id="fazit"> <h2>Fazit</h2> <p>Allergien und Neusensibilisierungen sind auch bei Senioren möglich. Neben der Verschlechterung der Lebensqualität ist insbesondere bei Asthma bronchiale mit einer erhöhten Mortalität zu rechnen. Daher sollte auch bei alten Menschen an eine Allergie beziehungsweise an Asthma bronchiale als Auslöser der Symptomatik gedacht werden und es sollten auch bei Senioren ein Allergietest und eine Lungenfunktion durchgeführt werden.</p> </div></p>
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