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Akut exazerbierte COPD: die Rolle pulmonaler Infektionen
Jatros
Autor:
Prof. Dr. Rainer Willy Hauck
Internist, Pneumologe, Kardiologe, Allergologe<br>Chefarzt Klinik für Pneumologie, Beatmungs- und Schlafmedizin<br>Klinikum Altötting<br>E-Mail: r.hauck@krk-aoe.de
30
Min. Lesezeit
12.07.2018
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<p class="article-intro">Klinisch ist häufig zu beobachten, dass sich Patienten in ihrer Grunderkrankung verschlechtern, wenn sie eine zusätzliche akut entzündliche Komorbidität akquirieren. Ebenso kann es parallel auch zur Erstmanifestation einer bis dato nicht in Erscheinung getretenen Erkrankung kommen. So weisen z.B. Patienten mit einer COPD oder kardialer Morbidität ein deutlich erhöhtes Risiko dafür auf, dass sich im Rahmen einer ambulant erworbenen Pneumonie (CAP) kurzfristig ihre Grunderkrankung erheblich verschlechtert. </p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Eine erlittene CAP erhöht das Risiko für eine Exazerbation von COPD oder HI um 40 % .</li> <li>Beim Einsatz von Antibiotika zur Behandlung akuter COPD-Exazerbationen sollte eine Therapiedauer von 5–7 Tagen nicht überschritten werden.</li> <li>Das Vorliegen einer Infektion mit nicht tuberkulösen Mykobakterien führt bei COPD-Patienten zu einer annähernden Verdoppelung des Mortalitätsrisikos.</li> <li>Der Einsatz von ICS kann dosis- und wirkstoffabhängig das Risiko für eine NTM-Infektion erhöhen.</li> </ul> </div> <p>Klinisch ist häufig zu beobachten, dass sich Patienten in ihrer Grunderkrankung verschlechtern, wenn sie eine zusätzliche akut entzündliche Komorbidität akquirieren. Ebenso kann es parallel auch zur Erstmanifestation einer bis dato nicht in Erscheinung getretenen Erkrankung kommen. So weisen z.B. Patienten mit einer COPD oder kardialer Morbidität ein deutlich erhöhtes Risiko dafür auf, dass sich im Rahmen einer ambulant erworbenen Pneumonie (CAP) kurzfristig ihre Grunderkrankung erheblich verschlechtert.<br />Inwiefern eine erlittene Pneumonie auch auf längere Sicht zu einer Erhöhung des COPD-Schweregrades oder bei Herzinsuffizienz (HI) zur Erhöhung des NYHA-Schweregrades beisteuert, ist bislang nicht ausreichend untersucht. Es wurde deshalb ein großes Kollektiv von 48 000 COPD- und 38 000 HI-Patienten mit CAP im Vergleich zu solchen ohne CAP über ein Jahr hinweg untersucht, beginnend einen Monat nach der CAP-Diagnose.<sup>1</sup> Dabei wurden über einen Untersuchungszeitraum von 5,5 Jahren Patienten rekrutiert. Es zeigte sich, dass nach einer CAP in der mittelfristigen Prognose ein um ca. 40 % erhöhtes Risiko besteht, eine Exazerbation der kardialen oder pulmonalen Grunderkrankung zu erleiden (Abb. 1). Durch das Ergebnis wird eindrücklich der potenzielle Benefit von infektionsprophylaktischen Maßnahmen bei derartigen Risikopopulationen unterstrichen.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Pneumo_1803_Weblinks__s8_1.jpg" alt="" width="1417" height="918" /></p> <h2>Minimale effektive Therapiedauer beim Einsatz von Antibiotika</h2> <p>Wenngleich die Sinnhaftigkeit eines Antibiotikaeinsatzes bei CAP unbestritten ist, so ist die Antibiose häufig auch flankierend Teil der Behandlung von COPD-Exazerbationen. Unklar ist dabei die minimale effektive Therapiedauer. Deren Kenntnis hat eine wesentliche Bedeutung, um einer Erhöhung bakterieller Resistenzen und antibiotikaassoziierten Nebenwirkungen effektiv gegenzusteuern. Um dies abzuklären, wurde eine systematische, retrospektive Analyse durchgeführt. Es wurden bei nicht Pneumonie-bedingten COPD-Exazerbationen Antibiosen von weniger als 6 Tagen mit solchen von >6 Tagen verglichen.<sup>2</sup> Anhand der Daten von knapp 4000 Patienten wurde gezeigt, dass es hinsichtlich wichtiger Endpunkte wie Klinik, Eradikation von Erregern, Rückbildung purulenten Sputums, Lungenfunktion oder Verlauf von Entzündungsparametern keinen Vorteil für eine länger dauernde Antibiose gibt. Darüber hinaus war die kürzere Behandlungsdauer auch mit einer geringeren Nebenwirkungsquote verbunden. Dies stellt noch ein weiteres Argument dafür dar, länger dauernde Antibiosen sehr kritisch zu sehen und möglichst die Therapiedauer von 5–7 Tagen nicht zu überschreiten.<sup>3</sup> Kritisch ist anzumerken, dass die Daten rein retrospektiv erhoben wurden, aufgrund des Fehlens prospektiver Studien.</p> <h2>Auswirkung einer Infektion mit nicht tuberkulösen Mykobakterien</h2> <p>Patienten mit COPD und Bronchiektasen sind besonders betroffen von den weltweit zunehmenden Infektionen mit nicht tuberkulösen Mykobakterien (NTM). Dabei stellen Lücken in der Kenntnis von Diagnostik und Therapie der NTM sowohl eine Teilursache als auch eine Herausforderung dar. So ist ein NTM-Nachweis noch nicht per se eine Therapieindikation. Eine antibiotische Behandlung sollte sich am Verlauf, an der Spezies und den Komorbiditäten, z.B. COPD, ausrichten. In einer aktuellen Arbeit wurden erste europäische Daten zur klinischen Bedeutung der NTM-COPD-Patienten hinsichtlich ihres Einflusses auf die COPD-Mortalität publiziert.<sup>4</sup> Diese betrug, in 125 Fällen und mit 39 Monaten Follow-up, bei Patienten mit NTM-Infektion und COPD 41,5 % und lag damit nahezu doppelt so hoch als bei reinen NTM-Patienten. Noch gravierender war der Mortalitätsunterschied von 26 % bei COPD mit NTM versus ohne NTM-Infektion (41,5 % vs. 15,9 % ; Abb. 2). Diese Zahlen unterstreichen die Gefahr der NTM-Infektion für Patienten mit zugrunde liegender struktureller Lungenerkrankung. Somit ist es bedeutsam, bei pneumologischen Risikogruppen auf das Vorliegen von NTM zu screenen, um eine Infektion rechtzeitig erkennen und suffizient behandeln zu können.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Pneumo_1803_Weblinks__s8_2.jpg" alt="" width="1417" height="1028" /></p> <h2>Einsatz von ICS bei nicht tuberkulöser Mykobakteriose</h2> <p>Nachdem bekannt ist, dass eine Therapie mit inhalativen Kortikosteroiden (ICS) das Risiko für eine ambulant erworbene Pneumonie bei COPD-Patienten erhöht, ist im Zusammenhang mit obiger NTM-Thematik interessant, inwiefern ICS auch das NTM-Risiko bei obstruktiven Lungenerkrankungen erhöht. Hierzu liefert eine Studie interessante Daten, die u.a. COPD-Patienten untersuchte, welche eine NTM-Infektion akquirierten und mit oder ohne ICS therapiert waren.<sup>5</sup> Dabei zeigte sich, dass erstens die rezente ICS-Anwendung dosisabhängig ein erhöhtes Risiko für eine NTM-Infektion darstellt. In der Analyse der verschiedenen ICS wurde ersichtlich, dass zweitens nur Fluticason mit einem signifikant höheren NTM-Infektionsrisiko behaftet ist (aOR: 2,09). Diese Daten unterstützen einmal mehr die Empfehlung, mit gewissen Ausnahmen, primär eine LAMA/LABA-Kombination für die Therapie der COPD einzusetzen.</p></p>
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
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<p><strong>1</strong> Bornheimer R et al.: PLoS ONE 2017; 12(10): e0184877 <strong>2</strong> Stolbrink M et al.: Chron Respir Dis 2017; doi: 10.1177/1479972317745734. [Epub ahead of print] <strong>3</strong> GOLD-Guidelines 2017; https://goldcopd.org/ <strong>4</strong> Diel R et al.: Eur Respir J 2017; 49(4): pii: 1602109 <strong>5</strong> Brode SK et al.: Eur Respir J 2017; 50(3): pii: 1700037</p>
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