© New Africa - stock.adobe.com

Chronisches Brustkrebs-bedingtes Lymphödem (BCRL)

«Unsere Patientinnen können den Erfolg selber am besten beurteilen»

Patientinnen mit chronischem Brustkrebs-bedingtem Lymphödem (BCRL) bleibt heute oft noch der Zugang zu mikrochirurgischen Behandlungsmethoden verwehrt. Mit ihrer Studie will das internationale Forschungsteam um PD Dr. med. Elisabeth Artemis Kappos zeigen, dass diese innovative Behandlungsmethode eine nachhaltige Lösung zur Verbesserung der Lebensqualität der betroffenen Frauen sein kann.

Weshalb ist es wichtig, eine evidenzbasierte Entscheidungsgrundlage für die optimale Behandlung des BCRL zu liefern?

E. A. Kappos: Aktuell fehlt die wissenschaftliche Evidenz, dass eine chirurgische Behandlung die Lebensqualität von Brustkrebspatientinnen mit chronischem BCRL verbessert beziehungsweise besser ist als die herkömmliche konservative Therapie. Bisher bekannt sind vor allem Fallstudien, Ergebnisse von monozentrischen und nichtpragmatischen Studien oder die Erfahrung aus dem klinischen Alltag von operierten Patientinnen. Sobald eine eindeutige Evidenz vorliegt, haben sowohl Ärzte als auch Krankenkassen eine bessere Entscheidungsgrundlage, der Patientin eine chirurgische Therapie anzubieten. Der primäre Endpunkt unserer Studie ist die Lebensqualität der Patientinnen, da wir überzeugt sind, dass nur eine Verbesserung derselbigen einen wirklichen Behandlungserfolg belegen kann. Selbstverständlich erfassen wir neben den «patient reported outcomes» jedoch auch weitere wichtige, objektiv messbare Resultate wie beispielsweise den Armumfang, Komplikationen oder die Behandlungskosten. Besonders ist auch, dass die Patientinnen und ihre Lebensqualität über einen längeren Zeitraum (15 Monate plus ein verlängertes onkologisches Follow-up über weitere acht Jahre) beobachtet werden, was über die normale postoperative Nachbeobachtung von oft lediglich zwölf Monaten hinausgeht. So können wir auch später auftretende Verbesserungen erfassen und hoffentlich die Nachhaltigkeit der Techniken beweisen.

Welche Komplikationen können auftreten, wenn das Lymphödem nicht oder nur unzureichend behandelt wird?

E. A. Kappos: Nicht behandelte oder unzureichend behandelte chronische Lymphödeme werden oft mit der Zeit schlimmer und können zu vermehrten Infektionen führen, die eine Antibiotikabehandlung oder Krankenhausaufenthalte notwendig machen. Für die Patientin kann ein chronisches Lymphödem zudem zu Schmerzen oder Taubheit im Arm führen oder psychologische Folgen haben. Dies kann sowohl höhere Gesundheitskosten nach sich ziehen als auch Auswirkungen auf andere Sozialkosten haben, sollte die Patientin ihren Beruf nicht weiter ausüben können oder in Frührente gehen.

Oft kann die konservative Therapie zumindest den «status quo» der Erkrankung stabilisieren, ihn aber nicht nachhaltig verbessern. Zudem sind die Patientinnen auf diese Therapie, die oft mehrmals pro Woche erfolgen muss, ein Leben lang angewiesen.

Beim Studiendesign wurden die Wünsche von Patientinnen berücksichtigt. Was waren die Hauptanliegen der Betroffenen?

E. A. Kappos: Das Hauptanliegen der Patientinnen war die Mitbestimmung des primären Endpunktes, der auf eine Verbesserung der Lebensqualität der Patientinnen festgelegt wurde. Ebenfalls konnten die Patientinnen ihre Meinungen beim Studiendesign einbringen und werden die Studie auch im weiteren Verlauf und über den Abschluss hinaus bis zur Bekanntgabe der Studienergebnisse begleiten. Wir sind mittlerweile ein eingespieltes Team aus sogenannten «patient advocates» und Spezialisten, die Hand in Hand zusammenarbeiten.

Gibt es einen bestimmten Zeitrahmen, in dem die Operationen durchgeführt werden müssen, oder sind diese auch noch mehrere Jahre nach erfolgter Brustkrebsbehandlung möglich?

E. A. Kappos: In unserer Studie setzen wir gemäss internationalen Leitlinien eine vorherige konservative Therapie (Lymphdrainage und Kompression) voraus, bevor eine Patientin eingeschlossen werden kann.

Grundsätzlich sind sich Spezialisten einig, dass ein rekonstruktiver lymphchirurgischer Eingriff wahrscheinlich möglichst früh durchgeführt werden sollte, um ein Fortschreiten in schwerer wiegende Stadien zu vermeiden. Es gibt aktuell sogar laufende Studien zu einem prophylaktischen Eingriff – in der Hoffnung, dass dann weniger Frauen überhaupt ein BCRL entwickeln.

Grundsätzlich ist eine Operation aber auch zu jedem späteren Zeitpunkt möglich und viele Patientinnen können mittels konsequenter konservativer Therapie ihre Symptome ja auch über lange Zeit stabil halten. Je nach Lymphödemstadium indizieren wir verschiedene operative Techniken oder auch die Kombination mehrerer Techniken.

Sollten sich im Laufe der Studie die lymphovenöse Anastomose, kurz LVA, und der vaskularisierte Lymphknoten-Transfer, kurz VLNT, der alleinigen konservativen komplexen physikalischen Entstauungstherapie als überlegen erweisen, wie würde dann die Standardbehandlung des BCRL in Zukunft aussehen?

E. A. Kappos: Sollte sich durch die Studie herausstellen, dass die chirurgische Therapie des BCRL der alleinigen konservativen Therapie überlegen ist, könnte den Patientinnen eine Operation als Goldstandard angeboten werden, ohne vorige Kostengutsprache. Dies würde sicher auch die Nachfrage weiter steigern und dazu führen, dass mehr spezialisierte Zentren die entsprechenden Techniken anbieten würden. Wichtig zu erwähnen ist, dass die konservative Therapie in den meisten Fällen auch nach einer Operation weitergeführt werden muss, jedoch oft in deutlich geringerer Frequenz.

Wir danken für dieses Gespräch!
Back to top