© moodboard - stock.adobe.com

Jahrestagung SGSPP

Von RED-S bis zu Essstörungen bei Athletinnen und Athleten

In Chur lud im Februar wieder die Schweizerische Gesellschaft für Sportpsychiatrie und -psychotherapie (SGSPP) zur Jahrestagung ein. Ein grosses Thema dabei waren Ernährungsproblematiken bei Athlet:innen und wie diese mit anderen psychischen Krankheitsbildern in Verbindung stehen.

Die SGSPP veranstaltete ihre diesjährige Jahrestagung am 28. Februar mit der freundlichen Unterstützung der Psychiatrischen Dienste Graubünden (PDGR) in der Klinik Waldhaus in Chur zu einem Thema, das eine Schnittstelle zwischen somatischer Sportmedizin und Sportpsychiatrie darstellt. Essstörungen treten bei Athlet:innen mit einer Prävalenz von über 10% häufiger auf als in der Normalbevölkerung, besonders in ästhetischen und Antigravitationssportarten. Frauen sind um ein Mehrfaches häufiger betroffen als Männer.1,2 Eine besondere Form der Ernährungsproblematik ist das relative Energiedefizit im Sport (RED-S), welches auf einer niedrigen Energieverfügbarkeit («low energy availability» – LEA) basiert und häufig gemeinsam mit einer Essstörung auftreten kann. RED-S wurde früher auch «Female Athlete Triad» genannt, welche durch verminderte Energieverfügbarkeit, eine Zyklusstörung und verminderte Knochendichte definiert ist.3,4

Prof. Dr. med. Dagmar Keller (Klinik Gut AG, St. Moritz) referierte über die Grundlagen von RED-S und ihre klinische Erfahrung in der Betreuung betroffener Athlet:innen. Ein RED-S hat Auswirkungen auf verschiedene Organsysteme inklusive Schlaf und psychischer Gesundheit. Je schwerer die Ausprägung des Syndroms, desto eher müssen betroffene Athlet:innen bis zu einer Stabilisierung auf Trainings und Wettkämpfe verzichten. Die Behandlung erfolgt sinnvollerweise interdisziplinär und fokussiert auf eine Normalisierung des Energiestatus sowie mittelfristig des Zyklus und der Knochendichte, wobei Letzteres mehrere Jahre dauern kann. Bezüglich der Prävention von RED-S muss die Verantwortung im gesamten Sportsystem gesehen werden. Neben Wissenslücken spielen auch Trainingsmodalitäten, Äusserungen anderer zu Figur und Gewicht der Athlet:innen und die Verfügbarkeit von spezifischen Anlaufstellen eine wichtige Rolle.

In einem Gespräch mit Dr. med. Marianne Jenal (PDGR) berichtete die internationale Duathletin Sarah Noemi Frieden von ihren Erfahrungen mit einer langjährigen Essstörung und einem RED-S. Über die Jahre ist es ihr mit interprofessioneller und -disziplinärer Unterstützung gelungen, das RED-S zu überwinden, ihre Einstellung zur Ernährung grundlegend zu ändern sowie als Athletin erfolgreich zu sein. Ihre Darstellungen gaben Einblick in die wichtige Rolle von Trainingsprogrammen und der Problematik des vermittelten Körperbildes in gewissen Sportarten.

RED-S und Depression

Die Konsenserklärung des Internationalen Olympischen Komitees zu RED-S3 beschreibt Depressionen sowohl als mögliche Folge einer LEA als auch als sekundären Risikofaktor für RED-S. Der direkte Zusammenhang zwischen LEA und Depression ist jedoch bislang nicht eindeutig belegt. Frühere Studien basierten überwiegend auf Selbstbeurteilungsfragebögen und berücksichtigten anstatt klinischer Diagnosen den potenziellen Einfluss von gestörtem Essverhalten (DE) bzw. Essstörungen (ED) auf depressive Symptome zu wenig. Dr. med. Robin Halioua (psychiatrische Praxis, Zürich) stellte eine aktuelle Studie vor, welche bei n=57 deutschen Athletinnen aus gewichtssensitiven Sportarten untersuchte, ob eine Assoziation zwischen LEA und Depression gefunden werden kann.5 Dabei wurde die psychiatrische Diagnose nicht lediglich mit Fragebögen, sondern zusätzlich mit einem klinischen Interview gesichert. Die Studie fand keine direkte Assoziation zwischen LEA und Depression, jedoch einen klaren Zusammenhang zwischen Depression und DE/ED sowohl hinsichtlich der Lebenszeitprävalenz als auch der aktuellen Symptomatik. Athletinnen mit DE/ED wiesen ein um 34% erhöhtes Risiko für eine depressive Störung im Vergleich zu Athletinnen mit normalem Essverhalten auf. Damit scheint der Zusammenhang zwischen LEA und Depression primär durch das Vorliegen einer Essproblematik vermittelt zu werden.

Screening

Dr. rer. nat. Paulina Wasserfurth (Technische Universität München) gab einen Überblick über mögliche Screening-Instrumente für RED-S/LEA sowie deren Einreihung. Gemäss einer Übersichtsarbeit6 sind der LEA in Females Questionnaire (LEAF-Q) und der ED Examination Questionnaire (EDE-Q) die am häufigsten angewandten Fragebögen für das Screening von LEA und Essstörungen. Dabei ist zu beachten, dass der LEAF-Q bei männlichen Athleten nicht verwendet werden kann, da er mehrere Items zum Menstruationszyklus beinhaltet. Dr. Wasserfurth präsentierte die Resultate einer Studie,7 welche für den LEAF-Q eine Sensitivität von 79% und eine Spezifität von 50% fand. Dies resultiert in einem positiv prädiktiven Wert von 38% und einem negativ prädiktiven Wert von 86%. Der LEAF-Q ist damit ein gutes Screening-Instrument für Ausdauersportlerinnen. Die Kombination mit dem Brief ED in Athletes Questionnaire (BEDA-Q) verbesserte zudem das Screening. In einer Verlaufsstudie zu einer Online-Intervention für Ausdauersportlerinnen mit hohem Risiko für RED-S konnte zudem gezeigt werden, dass der LEAF-Q und der EDE-Q geeignete Verlaufsinstrumente zur Messung von Veränderungen sind.8,9

Die Tagung endete mit einem Podiumsgespräch mit den Referierenden sowie Maryse Dewey (Privatklinik Wyss AG) und Anne-Marie Flammersfeld (Sportwissenschaftlerin und ehemalige Ultraläuferin), in welchem die verschiedenen Themen gemeinsam mit dem Publikum diskutiert wurden.

Kongressankündigung

3. International Conference on Sports Psychiatry

17.10.2025 – 18.10.2025
Salzburg, Österreich

Die Österreichische Gesellschaft für Sportpsychiatrie und -psychotherapie (ÖGSPP) lädt herzlich zur 3. International Conference on Sports Psychiatry (3. ICSP) am 17. und 18. Oktober 2025 nach Salzburg ein. Der Kongress hat das Motto «Sport, Bewegung und psychische Gesundheit» und findet in Zusammenarbeit mit der Deutschen und Schweizerischen Gesellschaft für Sportpsychiatrie und -psychotherapie statt (DGSPP/SGSPP).

Die 3. ICSP bietet eine Plattform für Ärzt:innen, Psychotherapeut:innen, Wissenschaftler:innen, Trainer:innen und alle anderen Personen aus dem Sportwesen, um ihre Erfahrungen auszutauschen, Netzwerke aufzubauen, neueste Studienergebnisse kennenzulernen und zukunftsweisende Ansätze für die Betreuung von Patient:innen und Athlet:innen zu diskutieren.

Programm:
www.ogspp.at/veranstaltungen/

Anmeldung über das Kongresssekretariat:
sportpsychiatrie@salk.at

1 Bratland-Sanda S, Sundgot-Borgen J: Eating disorders in athletes: overview of prevalence, risk factors and recommendations for prevention and treatment. Eur J Sport Sci 2013; 13(5): 499-508 2 Sundgot-Borgen J, Torstveit MK: Prevalence of eating disorders in elite athletes is higher than in the general population. Clin J Sport Med 2004; 14(1): 25-32 3 Mountjoy M et al.: The IOC consensus statement: beyond the female athlete triad--relative energy deficiency in sport (RED-S). Br J Sports Med 2014; 48(7): 491-7 4 Daily JP, Stumbo JR: Female athlete triad. Prim Care 2018; 45(4): 615-24 5 Halioua R et al.: Exploring the relationship between low energy availability, depression and eating disorders in female athletes: a cross-sectional study. BMJ Open Sport Exerc Med 2024; 10(3): e002035 6 Sim A, Burns SF: Review: questionnaires as measures for low energy availability (LEA) and relative energy deficiency in sport (RED-S) in athletes. J Eat Disord 2021; 9(1): 41 7 Wasserfurth P et al.: Screening for relative energy deficiency in sport: detection of clinical indicators in female endurance athletes. Med Sci Sports Exerc 2025; doi: 10.1249/MSS.0000000000003644 8 Fahrenholtz IL et al.: Effects of a 16-week digital intervention on sports nutrition knowledge and behavior in female endurance athletes with risk of relative energy deficiency in sport (REDs). Nutrients 2023; 15(5): 1082 9 Fahrenholtz IL et al.: Short-term effects and long-term changes of FUEL-a digital sports nutrition intervention on REDs related symptoms in female athletes. Front Sports Act Living 2023; 5: 1254210

Back to top