© Getty Images

Fidelity-Studie zu degenerativen Meniskusrissen

«Zurückhaltend mit der OP-Indikation»

Die Fidelity-Studie1 hinterfragt erneut, ob Kniearthroskopien bei degenerativen Meniskusläsionen nützen. Gemäss der Expertengruppe Knie (EGK) der Swiss Orthopaedics ist eine Operation unter bestimmten Voraussetzungen indiziert. Welche das sind und wie man in der Praxis vorgeht, erklärt der Vorsitzende der Expertengruppe Dr. med. Peter Koch aus Winterthur.

Herr Koch, hat Sie die Fidelity-Studie überrascht?

P. Koch: Nein. Sie reiht sich ein in mehrere wissenschaftliche Arbeiten, die eine Wirkung der Kniearthroskopie bei degenerativen Meniskusläsionen hinterfragen. In diesem Sinne ist die Studie sehr interessant, sie liefert aber keine wesentlich neuen Aspekte, verglichen mit bereits vor Jahren durchgeführten prospektiven randomisierten Studien, in denen zum Teil auch Sham-Operationen durchgeführt wurden. Eine Bemerkung am Rande: Eine solche Studie würde niemals durch eine unserer kantonalen Ethikkommissionen durchgehen.

Ändern Sie jetzt Ihre Praxis?

P. Koch: Persönlich bin ich schon seit Jahren sehr zurückhaltend mit der Indikationsstellung bei solchen Meniskusläsionen, weshalb ich mein Vorgehen nicht ändern muss.

In einer Stellungnahme kritisieren Sie und Ihre Kollegen von der EGK die Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses in Deutschland, wonach seit dem 1.4.2016 die Arthroskopie bei Gonarthrose nicht mehr vergütet wird. Warum?

P. Koch: Die Entscheidung basiert nicht auf wissenschaftlichen Kriterien und führt möglicherweise zur Ausweitung der Indikation für den prothetischen Gelenkersatz. Die EGK vertritt die Auffassung, dass die Kniearthroskopie bei degenerativen Meniskusläsionen unter bestimmten Voraussetzungen indiziert und therapeutisch wirksam ist. Patienten mit solchen Voraussetzungen – etwa Blockaden, Lappenrissen oder Korbhenkelrissen – waren in der Fidelity-Studie ausgeschlossen. Wir dürfen nicht vergessen: Es gibt nicht den akuten Meniskusriss oder die degenerative Meniskusläsion! Da degenerative Meniskusläsionen häufig sind und die meisten keine Symptome verursachen, können sie durch ein geringes Trauma oder eine geringe Fehlbelastung oder Fehlbewegung weiter einreissen. Für die Versicherungen ist dies definitionsgemäss kein Unfall, aber der Patient hat auf einmal relevante Schmerzen. Gerade solche sekundären Risse auf der Grundlage einer Degeneration können zu anhaltenden Beschwerden führen.

Welche Patienten mit degenerativem Riss würden Sie operieren?

P. Koch: Patienten, bei denen MR-tomografisch ein eingeschlagener Lappenriss besteht – meist auf der Grundlage einer degenerativen Meniskusläsion – empfehle ich nicht erst nach Monaten die Operation. Ich weise darauf hin, dass grundsätzlich zugewartet werden kann, meiner Erfahrung nach die Schmerzen aber anhalten werden. Da die Meniskusresektion eine reine Schmerzbehandlung ist, sind es die Beschwerden des Patienten, die entscheiden, ob und wann operiert wird. Hat der Patient lange genug gewartet, womöglich Monate, fühlt er sich zu stark eingeschränkt, passt das MRI zu den Beschwerden mit möglichst einemgrossen Riss oder Lappen, halte ich die Indikation zur Operation für korrekt. Bei diesem selektiven Patientenkollektiv, das in Studien kaum abgebildet wird, sehe ich sehr gute Erfolge.

Würden Sie auch Patienten operieren, obwohl keine OP-Indikation besteht, nur weil die Betroffenen schnell wieder fit sein wollen?

P. Koch: Nein. Es braucht aber mehr Zeit in der Sprechstunde, den Patienten zu überzeugen, er möge zuwarten, als ihn zu operieren. Der Patient darf sich auch nicht der Illusion hingeben, rasch wieder fit zu sein. Auch nach einer Arthroskopie muss man zwei bis drei Monate rechnen, bis es sehr gut geht. Der Patient kann also nicht nach einer Woche wieder golfen. Im Zweifel kann man auch erst einmal eine Kortisoninjektion ins Gelenk vornehmen. Das hilft oft gut und reduziert die Entzündung.

1 Sihvonen R et al.: Br J Sports Med 2020; 54: 1332-9 2 Kaelin R et al.: Swiss Med Forum 2018; 18: 147-53

Back to top