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Erfahrungsbericht

Versorgung pertrochantärer Femurfrakturen mit dem TFNA

<p class="article-intro">Die große Zahl an Patienten mit pertrochantären Femurfrakturen erfordert eine möglichst minimal invasive, rasche und komplikationsarme Versorgung. An der Abteilung für Unfallchirurgie und Sporttraumatologie in St. Pölten wurde im Rahmen einer kleinen Pilotserie der TFNA (Trochanteric Fixation Nail Advanced, DePuy Synthes) getestet und konnte diese Kriterien zur Gänze erfüllen.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Je gr&ouml;&szlig;er die Optionen eines Implantates hinsichtlich Durchmesser und L&auml;nge, umso besser sind die individuellen Versorgungsm&ouml;glichkeiten des jeweiligen Patienten.</li> <li>Diese Voraussetzungen und eine einfache Handhabung des Instrumentariums erm&ouml;glichen eine schnelle und komplikationsarme Versorgung, wodurch das operative Trauma auf ein Minimum reduziert werden kann.</li> </ul> </div> <p>Aus unfallchirurgischer Sicht sind wir in der t&auml;glichen Routine regelm&auml;&szlig;ig mit folgender Situation konfrontiert: Der multimorbide, geriatrische Patient erleidet im Rahmen eines zumeist banalen Sturzgeschehens eine pertrochant&auml;re Femurfraktur und soll zur Minimierung von Komplikationen und Verbesserung des Outcomes zeitnah (&lt;48h) versorgt werden. Erschwerend besteht sehr h&auml;ufig eine orale Antikoagulation, sodass eine pr&auml;operative Gerinnungsoptimierung notwendig ist.<br /> Neben dem Management dieser oft sehr komplexen Situation ist die Qualit&auml;t der eigentlichen operativen Versorgung ein weiterer entscheidender Faktor. Die Versorgung mittels intramedull&auml;ren Krafttr&auml;gers ist mittlerweile als Goldstandard anzusehen, wobei die exakte Reposition und korrekte Implantatpositionierung die Grundvoraussetzungen f&uuml;r einen guten Heilungsverlauf sind.<br /> Abgesehen davon sollten weitere Kriterien durch das Implantat erf&uuml;llt werden: minimal invasive, gewebeschonende Implantationstechnik und damit einhergehend ein m&ouml;glichst geringer Blutverlust, einfache Anwendbarkeit und steile Lernkurve f&uuml;r den Operateur zur Verringerung der OP-Dauer sowie bestm&ouml;gliche Stabilit&auml;t bei geringer Rate an Implantatversagen. Nur unter diesen Umst&auml;nden kann eine Versorgung auf hohem Niveau f&uuml;r unsere Patienten gew&auml;hrleistet werden.<br /> Anhand eines einfachen Beispiels m&ouml;chte ich nun die Beweggr&uuml;nde f&uuml;r diese Pilotstudie n&auml;her erl&auml;utern. Jeder hat diese Situation bereits mehrfach erlebt: Ein geriatrischer Patient, der nur unter vitaler Indikation von an&auml;sthesiologischer Seite freigegeben wurde, steht zur operativen Versorgung einer pertrochant&auml;ren Femurfraktur an. Der Markraum am pr&auml;operativen R&ouml;ntgen ist eng und eventuell besteht sogar zus&auml;tzlich eine vermehrte Antekurvation oder ein vermehrter Varus des Femurs. Die Operation ist prinzipiell mit jedem intramedull&auml;ren Implantat umsetzbar, doch macht es einen erheblichen Unterschied hinsichtlich des operativen Traumas, ob der Markraum nun aufgebohrt werden muss oder nicht. Pulmonale Komplikationen durch den Aufbohrvorgang k&ouml;nnen die geringen Reserven eines betagten Patienten kompromittieren und dar&uuml;ber hinaus steigt nicht nur die OPDauer, sondern auch der intraoperative Blutverlust. Eine z&uuml;gige Versorgung in unaufgebohrter Technik setzt im geschilderten Fall ein gro&szlig;es Sortiment mit vielen Optionen hinsichtlich des Nageldurchmessers und der Nagell&auml;nge voraus. Genau diese Voraussetzung wird durch den TFNA erf&uuml;llt. Die N&auml;gel stehen in St&auml;rken von 9, 10, 11 und 12mm in unterschiedlichsten L&auml;ngen zur Verf&uuml;gung, sodass bei exakter pr&auml;operativer Planung der Aufbohrvorgang in der Regel entf&auml;llt. Dementsprechend sind Schnitt-Naht-Zeiten von 20 bis 30 Minuten bei Routineversorgungen problemlos realisierbar &ndash; im Sinne des geringstm&ouml;glichen operativen Traumas f&uuml;r die Patienten.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Ortho_1705_Weblinks_s28_abb1.jpg" alt="" width="3555" height="795" /></p> <h2>Methoden</h2> <p>Im Rahmen einer prospektiven Fallserie wurden ab einem Stichtag X jeweils 15 Patienten mit dem TFNA und 15 Patienten mit dem Standardimplantat der Abteilung operiert, wobei sich die OP-Technik grundlegend voneinander unterschieden hat, da in der TFNA-Gruppe regelhaft auf den Aufbohrvorgang des Markraumes verzichtet werden konnte und in der Vergleichsgruppe eine aufgebohrte Technik verwendet wurde. Folgende Parameter wurden in beiden Gruppen erhoben und anschlie&szlig;end miteinander verglichen: Alter, Unfallhergang, orale Antikoagulation, Frakturklassifikation nach AO, OP-Dauer, OP-Details, Operateur, Blutkonservenbedarf, ASA-Score, postoperative Aufenthaltsdauer, perioperative 30-Tages-Mortalit&auml;t, kn&ouml;cherne Heilung, Cut-out-Rate, Implantatversagen und allgemeine Komplikationen.</p> <h2>Ergebnisse</h2> <p>In der Auswertung zeigten sich zwei sehr homogene Gruppen (Details siehe Tab. 1). Das durchschnittliche Alter der Patienten in der TFNA-Gruppe betrug 82 Jahre, in der Vergleichsgruppe 81 Jahre (p=0,79). S&auml;mtliche Patienten beider Gruppen erlitten ihre Verletzung im Rahmen eines Sturzes in der Ebene. 8 Patienten der TFNA-Gruppe waren pr&auml;operativ antikoaguliert, in der Vergleichsgruppe waren es 6 Patienten. Der durchschnittliche ASA-Score betrug 2,9 in der TFNAGruppe und 2,3 in der Vergleichsgruppe, der Unterschied war signifikant (p=0,038), die Klassifizierung erfolgte durch den jeweiligen An&auml;sthesisten. Es wurden ausschlie&szlig;lich Frakturen nach AO-Klassifikation 31-A1 bis 31-A3 eingeschlossen. In der TFNA-Gruppe handelte es sich median um A2-Frakturen, hingegen in der Vergleichsgruppe um A1-Frakturen, der Unterschied war jedoch ohne Signifikanz (p=0,14). Die durchschnittliche Operationsdauer betrug 33 Minuten in der TFNAGruppe, 53 Minuten in der Vergleichsgruppe (signifikant, p=0,005). In der TFNA-Gruppe gab es 4 verschiedene Operateure (3 Fach&auml;rzte, 1 Assistenzarzt), in der Vergleichsgruppe waren es 10 Operateure (6 Fach&auml;rzte, 4 Assistenz&auml;rzte). Bei 2 Patienten der TFNA-Gruppe wurde der Markraum aufgebohrt, im Vergleich zu 14 Patienten der Vergleichsgruppe. In beiden Gruppen wurden ausschlie&szlig;lich Klingensysteme verwendet. Der Blutkonservenbedarf in der TFNA-Gruppe betrug durchschnittlich 2,5 (Gesamtbedarf &uuml;ber alle Patienten verteilt: 37), in der Vergleichsgruppe 3,6 (Gesamtbedarf &uuml;ber alle Patienten verteilt: 54), jedoch ohne signifikanten Unterschied (p=0,36). Die mittlere postoperative Aufenthaltsdauer betrug 11 Tage in der TFNA-Gruppe und 13 Tage in der Vergleichsgruppe (nicht signifikant, p=0,25). Die perioperative 30-Tages-Mortalit&auml;t betrug 0 % in der TFNA-Gruppe und 20 % (3/15) in der Vergleichsgruppe. Die kn&ouml;cherne Konsolidierung ist in allen F&auml;llen eingetreten, ein Cut-out oder Implantatversagen wurde in diesem kleinen Kollektiv nicht beobachtet.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Ortho_1705_Weblinks_s28_tab1.jpg" alt="" width="1417" height="2059" /></p> <h2>Diskussion</h2> <p>Die Ergebnisse sind aufgrund der geringen Fallzahlen nat&uuml;rlich nur mit Vorsicht zu interpretieren, dennoch verdienen einige davon Beachtung. Beide Gruppen betreffen geriatrische Patienten vergleichbaren Alters ohne Unterschied bez&uuml;glich pr&auml;operativer Antikoagulation. Beide Gruppen wurden mit einem intramedull&auml;ren Krafttr&auml;ger und ausschlie&szlig;lich mit einem Klingensystem versorgt, somit besteht auch hier eine gute Vergleichbarkeit. Ein klarer und bewusster Unterschied besteht in der Versorgungsstrategie, denn in der TFNA-Gruppe wurde nach M&ouml;glichkeit f&uuml;r den jeweiligen Markraum das optimal passende Implantat ausgew&auml;hlt und ein Aufbohrvorgang vermieden. In der Vergleichsgruppe wurden nahezu alle Markr&auml;ume aufgebohrt und mit m&ouml;glichst kr&auml;ftigen Implantaten versorgt. In der TFNAGruppe lagen signifikant mehr Komorbidit&auml;ten bezogen auf den ASA-Score vor und die Frakturen in der TFNA-Gruppe waren tendenziell komplexer mit vorwiegend A2-Frakturen, verglichen mit vorwiegend A1-Frakturen der anderen Gruppe, wenngleich der Unterschied hier aber nicht signifikant war.<br /> Das hei&szlig;t, es wurden in der TFNAGruppe Patienten mit signifikant mehr Vorerkrankungen und tendenziell komplexeren Frakturen von Operateuren ohne spezifische Vorerfahrung mit diesem Implantat versorgt und trotzdem war die durchschnittliche OP-Dauer signifikant k&uuml;rzer und der Blutverlust zumindest tendenziell geringer. Die perioperative 30-Tages- Mortlit&auml;t war in der Vergleichsgruppe mit 20 % deutlich h&ouml;her, aber ohne Signifikanz. Eine klare Aussage kann bei diesem kleinen Kollektiv sicher nicht getroffen werden. Bez&uuml;glich kn&ouml;cherner Heilung, postoperativer Aufenthaltsdauer und Komplikationen gab es keine Unterschiede.</p> <h2>Zusammenfassung</h2> <p>Es wurde ein neues Implantat, der TFNA, getestet und im Rahmen einer kleinen Fallserie prospektiv mit dem Standardimplantat der Abteilung verglichen, wobei weniger die Implantate selbst als eigentlich die OP-Techniken (aufgebohrt vs. unaufgebohrt) verglichen wurden, weshalb das Implantat der Vergleichsgruppe auch namentlich nicht erw&auml;hnt wird.<br /> Der TFNA bietet viele Versorgungsm&ouml;glichkeiten und ist definitiv sicher in der Anwendung bei sehr steiler Lernkurve, kurzer OP-Dauer, geringem Blutverlust und sehr guten Heilungsraten in der von uns angewandten Technik. Die Bef&uuml;rchtung, dass bei kaliberschw&auml;cheren Implantaten eher ein Implantatversagen (Nagelbruch) eintritt, scheint bei den heute verwendeten Materialien eher unbegr&uuml;ndet, die korrekte Reposition und Implantatpositionierung nat&uuml;rlich vorausgesetzt.<br /> In Zusammenschau der Ergebnisse k&ouml;nnte bei exakter pr&auml;operativer Planung und Implantatauswahl die minimal invasive unaufgebohrte Versorgung nicht nur verk&uuml;rzte OP-Zeiten bedingen, sondern eventuell auch den Blutkonservenbedarf reduzieren.<br /> Abschlie&szlig;end muss nochmals darauf hingewiesen werden, dass bei diesem kleinen Patientenkollektiv jegliche Interpretation kritisch gesehen werden muss und diese Pilotstudie nur als Grundlage f&uuml;r eine gute, prospektiv randomisierte Studie dienen kann.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p>beim Verfasser</p> </div> </p>
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