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Versorgung der Sprunggelenksdistorsion: konservativ-frühfunktionell bis operativ

<p class="article-intro">Sie ist eine der häufigsten Sportverletzungen. Oft wird sie als Bagatellverletzung abgetan und viel zu häufig nicht adäquat behandelt. Dies hat zur Folge, dass 10–40 % aller Sprunggelenksdistorsionen symptomatisch bleiben. Dr. Gerald Hernegger im Gespräch.</p> <hr /> <p class="article-content"><p><em><strong>Wie werden Sprunggelenksdistorsionen erstversorgt? </strong></em><br /><em><strong>G. Hernegger:</strong></em> Die h&auml;ufigste Form der Sprunggelenksverstauchung ist das klassische Umkn&ouml;chelungstrauma, d. h. eine exzessive Inversions- und Innenrotationsbewegung des R&uuml;ckfu&szlig;es: Der Fu&szlig; knickt nach innen. Wenn die Kraft der Verstauchung ausreichend ist, kommt es in weiterer Folge zu Verletzungen des Kapselund Bandapparates und ggf. auch zu Knochenbr&uuml;chen. Dies bedeutet, dass je nach Krafteinwirkung folgende Verletzungen auftreten:</p> <ul> <li>Dehnung/Teileinriss des Kapsel- Band-Apparates des oberen Sprunggelenkes</li> <li>Riss des ATF-Bandes (Ligamentum fibulotalare anterius), sog. Au&szlig;enbandriss</li> <li>Riss des CF-Bandes (Ligamentum fibulocalcaneare)</li> <li>Verletzung der vorderen Syndesmose</li> <li>osteochondrale L&auml;sionen des Sprungbeins</li> <li>Bruch des Au&szlig;en- und/oder Innenkn&ouml;chels</li> <li>Luxationsfraktur des oberen Sprunggelenkes</li> </ul> <p>Daher richtet sich die Art der Erstversorgung grunds&auml;tzlich nach der Schwere der Verletzung. Prim&auml;r ist es wichtig, Ruhe bewahren und sich einmal zur Seite zu setzen. Ist das Ausziehen des Schuhwerkes noch m&ouml;glich, sollte man umgehend versuchen, das Sprunggelenk zu k&uuml;hlen, sofern es sich nicht um einen offenen Bruch handelt! Wenn dies z. B. beim Wandern passiert, kann man den Fu&szlig; in einem Bach k&uuml;hlen (ca. 10 Minuten).</p> <p><em><strong>In welchen F&auml;llen muss Hilfe (Bergrettung, Hubschrauber) geholt werden? </strong></em><br /><em><strong>G. Hernegger:</strong></em> Nach dem ersten Abklingen der Schmerzen sollte man versuchen, den betroffenen Fu&szlig; zu belasten und in weiterer Folge ein paar Schritte zu gehen. Ist dies schmerzfrei bzw. beschwerdearm m&ouml;glich, ist der Grad der Verletzung wahrscheinlich nicht so gro&szlig; (Zerrung, partielle Bandl&auml;sion) und man kann noch versuchen, selbstst&auml;ndig den Heimweg anzutreten. Wenn sich die Schmerzen jedoch zu Hause intensivieren bzw. nicht binnen 2&ndash;3 Tagen abklingen, sollte man sich zur weiteren Abkl&auml;rung bei einem Arzt vorstellen. <br />Ist eine beschwerdearme Belastung auch nach dem K&uuml;hlen nicht mehr m&ouml;glich und zeigt sich eine deutliche Schwellung und/oder ein H&auml;matom im Bereich des Au&szlig;enkn&ouml;chels, so hat man sich wahrscheinlich eine Verletzung h&ouml;heren Grades zugezogen. In diesem Fall sollte man Hilfe holen und sich zu einem Arzt bringen lassen. <br />Einen absoluten Notfall stellt die Sprunggelenksluxationsfraktur dar. Zeigt der Fu&szlig; eine untypische Deformierung/ Achsabweichung, ist meist das Sprungbein aus der Sprunggelenksgabel luxiert und die Durchblutung des gesamten Fu&szlig;es ist maximal gef&auml;hrdet. Hier sind die umgehende Reposition und/oder der schnellstm&ouml;gliche Transport zu einem Arzt indiziert (Repositionsman&ouml;ver: starker L&auml;ngszug und Versuch der Repositionierung in eine achsengerechte Stellung).</p> <p><em><strong>Wann wird konservativ, wann muss operativ behandelt werden? Wie sieht Ihr Behandlungsschema aus? </strong></em><br /><em><strong>G. Hernegger:</strong></em> Die optimale, auf jeden Einzelnen pers&ouml;nlich zugeschnittene Therapie richtet sich nach der Diagnose nach entsprechender Untersuchung (klinische Untersuchung, R&ouml;ntgen, ggf. MRT). Sie kann bei geringeren Verletzungsbildern (Zerrung oder Teileinriss des ATF-, CFBandes und/oder der vorderen Syndesmose) meist konservativ-fr&uuml;hfunktionell (anf&auml;ngliche Schonung und anschlie&szlig;end fr&uuml;hfunktionelle Mobilisierung mittels Physiotherapie), mittels semirigider Orthesen (z.B. Push Aequi Kn&ouml;chelorthese) oder ggf. Gipsbehandlung erfolgen. Unter Umst&auml;nden reichen auch die Anlage eines Salbenverbandes und die entlastende Mobilisierung auf Unterarmst&uuml;tzkr&uuml;cken f&uuml;r 1&ndash;2 Wochen. <br />Bei einem Riss des ATF-Bandes (ggf. mit Riss des CF-Bandes) und Teileinriss der vorderen Syndesmose kann sowohl das konservative-fr&uuml;hfunktionelle als auch das operative Vorgehen die Therapie der Wahl sein. Hier ist die Entscheidung gemeinsam mit dem Patienten zu treffen und auf seinen Aktivit&auml;tsanspruch R&uuml;cksicht zu nehmen. Derzeit wird die konservative-fr&uuml;hfunktionelle Versorgung von Bandrupturen favorisiert und nur bei sekund&auml;ren Instabilit&auml;ten (d. h. nach erfolgter narbiger Ausheilung) zur Operation geraten. Eine Ruhigstellung zur Sicherung der narbigen Ausheilung f&uuml;r 6 Wochen in einer semirigiden Orthese (ggf. anf&auml;ngliche Gipsruhigstellung) wird hier empfohlen. <br />Bei h&ouml;herem Verletzungsgrad (Instabilit&auml;ten der Syndesmose, dislozierter Bruch, Sprunggelenksluxationsfraktur, osteochondrale Verletzungen des Sprungbeins, dislozierte Avulsionsfrakturen am medialen oder lateralem Bandapparat etc.) ist meist ein operativer Eingriff n&ouml;tig. Nach einem operativen Eingriff ist mit einer Ruhigstellung f&uuml;r 6 bis max. 12 Wochen zu rechnen. Bei unverschobenen Br&uuml;chen kann auch eine konservative Gipsbehandlung f&uuml;r 6 Wochen ausreichend sein.</p> <p><em><strong>Was kann man vorbeugend machen, damit eine derartige Verletzung nicht eintritt? </strong></em><br /><em><strong>G. Hernegger:</strong></em> Der beste Schutz gegen Verletzungen des Sprunggelenkes besteht im Tragen von Schuhen mit h&ouml;her gezogenem Schaft (klassische Wanderschuhe). Der Trend der Zeit ist jedoch, dass sich immer mehr Leute ohne entsprechendes Schuhwerk in die Berge begeben.</p> <p><em><strong>Welche einfachen isometrischen &Uuml;bungen empfehlen Sie prophylaktisch? </strong></em><br /><em><strong>G. Hernegger:</strong></em> Grunds&auml;tzlich gibt es Personen, die leichter &bdquo;umkn&ouml;cheln&ldquo;, und Personen, denen dies nie passiert. Das reflexartige Ausweichen/Abfangen einer m&ouml;glichen Sprunggelenksdistorsion ist keine kognitive Leistung, d. h., man kann dies nicht bewusst steuern. Der Reflex l&auml;uft &ndash; vereinfacht ausgedr&uuml;ckt &ndash; auf R&uuml;ckenmarksebene ab. Reflexe kann man zwar nicht trainieren, aber durch propriozeptives Training (Koordinationstraining) besteht die M&ouml;glichkeit, hier vorbeugende Ma&szlig;nahmen zu setzen. Es empfehlen sich Gleichgewichts&uuml;bungen jeglicher Art: Einbeinstand mit offenen oder geschlossenen Augen, Stand&uuml;bungen auf Sitzkissen oder Wackelboards, Balancieren etc.</p></p>
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