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Versorgung der Sprunggelenksdistorsion: konservativ-frühfunktionell bis operativ
Jatros
30
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21.11.2019
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<p class="article-intro">Sie ist eine der häufigsten Sportverletzungen. Oft wird sie als Bagatellverletzung abgetan und viel zu häufig nicht adäquat behandelt. Dies hat zur Folge, dass 10–40 % aller Sprunggelenksdistorsionen symptomatisch bleiben. Dr. Gerald Hernegger im Gespräch.</p>
<hr />
<p class="article-content"><p><em><strong>Wie werden Sprunggelenksdistorsionen erstversorgt? </strong></em><br /><em><strong>G. Hernegger:</strong></em> Die häufigste Form der Sprunggelenksverstauchung ist das klassische Umknöchelungstrauma, d. h. eine exzessive Inversions- und Innenrotationsbewegung des Rückfußes: Der Fuß knickt nach innen. Wenn die Kraft der Verstauchung ausreichend ist, kommt es in weiterer Folge zu Verletzungen des Kapselund Bandapparates und ggf. auch zu Knochenbrüchen. Dies bedeutet, dass je nach Krafteinwirkung folgende Verletzungen auftreten:</p> <ul> <li>Dehnung/Teileinriss des Kapsel- Band-Apparates des oberen Sprunggelenkes</li> <li>Riss des ATF-Bandes (Ligamentum fibulotalare anterius), sog. Außenbandriss</li> <li>Riss des CF-Bandes (Ligamentum fibulocalcaneare)</li> <li>Verletzung der vorderen Syndesmose</li> <li>osteochondrale Läsionen des Sprungbeins</li> <li>Bruch des Außen- und/oder Innenknöchels</li> <li>Luxationsfraktur des oberen Sprunggelenkes</li> </ul> <p>Daher richtet sich die Art der Erstversorgung grundsätzlich nach der Schwere der Verletzung. Primär ist es wichtig, Ruhe bewahren und sich einmal zur Seite zu setzen. Ist das Ausziehen des Schuhwerkes noch möglich, sollte man umgehend versuchen, das Sprunggelenk zu kühlen, sofern es sich nicht um einen offenen Bruch handelt! Wenn dies z. B. beim Wandern passiert, kann man den Fuß in einem Bach kühlen (ca. 10 Minuten).</p> <p><em><strong>In welchen Fällen muss Hilfe (Bergrettung, Hubschrauber) geholt werden? </strong></em><br /><em><strong>G. Hernegger:</strong></em> Nach dem ersten Abklingen der Schmerzen sollte man versuchen, den betroffenen Fuß zu belasten und in weiterer Folge ein paar Schritte zu gehen. Ist dies schmerzfrei bzw. beschwerdearm möglich, ist der Grad der Verletzung wahrscheinlich nicht so groß (Zerrung, partielle Bandläsion) und man kann noch versuchen, selbstständig den Heimweg anzutreten. Wenn sich die Schmerzen jedoch zu Hause intensivieren bzw. nicht binnen 2–3 Tagen abklingen, sollte man sich zur weiteren Abklärung bei einem Arzt vorstellen. <br />Ist eine beschwerdearme Belastung auch nach dem Kühlen nicht mehr möglich und zeigt sich eine deutliche Schwellung und/oder ein Hämatom im Bereich des Außenknöchels, so hat man sich wahrscheinlich eine Verletzung höheren Grades zugezogen. In diesem Fall sollte man Hilfe holen und sich zu einem Arzt bringen lassen. <br />Einen absoluten Notfall stellt die Sprunggelenksluxationsfraktur dar. Zeigt der Fuß eine untypische Deformierung/ Achsabweichung, ist meist das Sprungbein aus der Sprunggelenksgabel luxiert und die Durchblutung des gesamten Fußes ist maximal gefährdet. Hier sind die umgehende Reposition und/oder der schnellstmögliche Transport zu einem Arzt indiziert (Repositionsmanöver: starker Längszug und Versuch der Repositionierung in eine achsengerechte Stellung).</p> <p><em><strong>Wann wird konservativ, wann muss operativ behandelt werden? Wie sieht Ihr Behandlungsschema aus? </strong></em><br /><em><strong>G. Hernegger:</strong></em> Die optimale, auf jeden Einzelnen persönlich zugeschnittene Therapie richtet sich nach der Diagnose nach entsprechender Untersuchung (klinische Untersuchung, Röntgen, ggf. MRT). Sie kann bei geringeren Verletzungsbildern (Zerrung oder Teileinriss des ATF-, CFBandes und/oder der vorderen Syndesmose) meist konservativ-frühfunktionell (anfängliche Schonung und anschließend frühfunktionelle Mobilisierung mittels Physiotherapie), mittels semirigider Orthesen (z.B. Push Aequi Knöchelorthese) oder ggf. Gipsbehandlung erfolgen. Unter Umständen reichen auch die Anlage eines Salbenverbandes und die entlastende Mobilisierung auf Unterarmstützkrücken für 1–2 Wochen. <br />Bei einem Riss des ATF-Bandes (ggf. mit Riss des CF-Bandes) und Teileinriss der vorderen Syndesmose kann sowohl das konservative-frühfunktionelle als auch das operative Vorgehen die Therapie der Wahl sein. Hier ist die Entscheidung gemeinsam mit dem Patienten zu treffen und auf seinen Aktivitätsanspruch Rücksicht zu nehmen. Derzeit wird die konservative-frühfunktionelle Versorgung von Bandrupturen favorisiert und nur bei sekundären Instabilitäten (d. h. nach erfolgter narbiger Ausheilung) zur Operation geraten. Eine Ruhigstellung zur Sicherung der narbigen Ausheilung für 6 Wochen in einer semirigiden Orthese (ggf. anfängliche Gipsruhigstellung) wird hier empfohlen. <br />Bei höherem Verletzungsgrad (Instabilitäten der Syndesmose, dislozierter Bruch, Sprunggelenksluxationsfraktur, osteochondrale Verletzungen des Sprungbeins, dislozierte Avulsionsfrakturen am medialen oder lateralem Bandapparat etc.) ist meist ein operativer Eingriff nötig. Nach einem operativen Eingriff ist mit einer Ruhigstellung für 6 bis max. 12 Wochen zu rechnen. Bei unverschobenen Brüchen kann auch eine konservative Gipsbehandlung für 6 Wochen ausreichend sein.</p> <p><em><strong>Was kann man vorbeugend machen, damit eine derartige Verletzung nicht eintritt? </strong></em><br /><em><strong>G. Hernegger:</strong></em> Der beste Schutz gegen Verletzungen des Sprunggelenkes besteht im Tragen von Schuhen mit höher gezogenem Schaft (klassische Wanderschuhe). Der Trend der Zeit ist jedoch, dass sich immer mehr Leute ohne entsprechendes Schuhwerk in die Berge begeben.</p> <p><em><strong>Welche einfachen isometrischen Übungen empfehlen Sie prophylaktisch? </strong></em><br /><em><strong>G. Hernegger:</strong></em> Grundsätzlich gibt es Personen, die leichter „umknöcheln“, und Personen, denen dies nie passiert. Das reflexartige Ausweichen/Abfangen einer möglichen Sprunggelenksdistorsion ist keine kognitive Leistung, d. h., man kann dies nicht bewusst steuern. Der Reflex läuft – vereinfacht ausgedrückt – auf Rückenmarksebene ab. Reflexe kann man zwar nicht trainieren, aber durch propriozeptives Training (Koordinationstraining) besteht die Möglichkeit, hier vorbeugende Maßnahmen zu setzen. Es empfehlen sich Gleichgewichtsübungen jeglicher Art: Einbeinstand mit offenen oder geschlossenen Augen, Standübungen auf Sitzkissen oder Wackelboards, Balancieren etc.</p></p>
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