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Synovialitis in der Biologika-Ära

<p class="article-intro">„Hit hard and early“ – die Indikation zur Synovialektomie wird mit den neuen Biologika nicht mehr erst nach über sechs Monaten gestellt, sondern zwecks Schadensprävention viel früher. Besonderes Augenmerk gilt Hüfte und Fuß, da diese nicht vom DAS28-Score erfasst werden. Wichtig ist darum die jährliche Ganzkörper&shy;untersuchung, aber auch die frühe Suche nach einer Ellenbogen-Beteiligung. Ein sogenanntes „rebellisches Gelenk“ führt nicht zwingend zu einem Biologika-Wechsel.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Die Fr&uuml;hsynovialektomie besitzt einen hohen pr&auml;ventiven Stellenwert.</li> <li>Sehr gute Langzeitergebnisse sind mit einer Prothese erzielbar, Revisionen gestalten sich oft aber technisch schwierig.</li> <li>Biologika-refrakt&auml;re Tenosynovialitis und Artikulosynovialitis sind klare OP-Indikationen.</li> <li>Die Fragen, ob sich die Effektivit&auml;t der Synovialektomie unter Biologika ver&auml;ndert und ob es tats&auml;chlich einen besseren &bdquo;Operationseffekt&ldquo; unter Biologika gibt als unter MTX, bleiben offen.</li> </ul> </div> <p>Rheuma aus einer Hand &ndash; so lautete das Motto des 24. Rheumasymposiums am Kepler Universit&auml;tsklinikum Linz. Es war der einhellige Tenor der anwesenden Linzer Spitals&auml;rzte, dass die Konstituierung der vormaligen Spit&auml;ler AKh, Landes-Nervenklinik Wagner-Jauregg und Landes-Frauen- und Kinderklinik zum neuen Verbund des Kepler Universit&auml;tsklinikums mit einer Vereinfachung und einer Harmonisierung des klinischen Alltags einhergingen. &bdquo;An unserer Klinik bedeutet das f&uuml;r das Fach Rheumatologie mit seinem interdisziplin&auml;ren Anspruch eine Erweiterung der diagnostischen und therapeutischen M&ouml;glichkeiten im Sinne einer immer weiter zu optimierenden Patientinnen- und Patientenversorgung&ldquo;, erkl&auml;rte Dr. Ulrike Stuby, Klinik Interne 2. <br />So waren auch die Inhalte des Rheumasymposiums weit gestreut: Psoriasisarthritis, Psoriasis als Systemerkrankung, Rheuma und Augen, Rheuma in der Lunge und pr&auml;natales Management bei chronisch kranken Rheumapatientinnen. &bdquo;Rheuma ist eine bedeutsame Erkrankung mit einem prozentual relativ hohen Anteil an der Gesamtbev&ouml;lkerung. F&uuml;r den Patienten ist es wichtig, dass er seine Erkrankung kennt und sich damit auch anderen besser mitteilen kann&ldquo;, so Stuby in ihrem Eingangsreferat. Einigkeit herrschte auch in der Ansicht, dass Rheumakranke in jedem Fall von einem interdisziplin&auml;ren Behandlungsteam profitieren k&ouml;nnen.<br />Neue orthop&auml;dische Konzepte in der interdisziplin&auml;ren Betreuung von Rheumapatientinnen und -patienten pr&auml;sentierte Prof. Dr. Andreas Niemeier, Klinik und Poliklinik f&uuml;r Orthop&auml;die, Universit&auml;tsklinikum Hamburg-Eppendorf, und Klinik f&uuml;r Orthop&auml;die und orthop&auml;dische Rheumatologie, Klinikum Bad Bramstedt. Stand noch bis zum Jahr 2000 die Verabreichung von nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) am Beginn einer Therapie der entz&uuml;ndlichen Synovialkrankheiten im Vordergrund, kam es ab 2001 zum Einzug alternativer Therapieformen und zur Einf&uuml;hrung von &bdquo;Fr&uuml;harthritissprechstunden&ldquo;. Die Patienten wurden mit DMARDs (Disease Modifying Antirheumatic Drugs) sowie einer m&ouml;glichst fr&uuml;hen Kombinationstherapie mit festgelegten Schemata behandelt. Das erkl&auml;rte Therapieziel war die Remission bzw. die Verhinderung von Gelenksch&auml;den. Das Motto lautete: &bdquo;Rheuma ist behandelbar&ldquo; und &ndash; insbesondere bei einer interdisziplin&auml;ren Indikationsstellung &ndash; auch erfolgreich behandelbar. Unter DMARD-Therapie war ein weites Spektrum von unterschiedlichem, individuellem Ansprechen zu beobachten, vom idealen Verlauf (keine Gelenksch&auml;den) bis hin zu OP-Indikationen, wenn zu sp&auml;t bzw. gar nicht behandelt wurde. &bdquo;Operationen geh&ouml;rten dazu und wurden eher prophylaktisch durchgef&uuml;hrt. Es gab keine Leitlinien und Rheuma galt als Schicksal, verbunden mit einem schlechten Langzeitverlauf&ldquo;, so Niemeier. Die optimale medikament&ouml;se Einstellung durch einen kompetenten, internistischen Rheumatologen galt als Voraussetzung vor der Operation.</p> <h2>Synovialitis und Biologika</h2> <p>In der &Auml;ra der Biologika wird neben der Fr&uuml;hdiagnostik auch eine aggressive, fr&uuml;he Therapie mit dem Ziel einer vollst&auml;ndigen Remission angestrebt. Diese Remission wird auch immer h&auml;ufiger erreicht, was mit einem R&uuml;ckgang der OP-Indikationen verbunden ist. Keine Unterschiede gibt es im eigentlichen operativen Vorgehen, jedoch gilt bei aggressiver Eskalationstherapie und enger Kooperation von innerer Medizin und Orthop&auml;die nicht mehr die 6-Monats-Regel f&uuml;r OPs (6 Monate therapieren, abwarten, eventuell Therapiewechsel bzw. Erweiterung der Basistherapie, noch einmal abwarten). Spricht ein Patient heute auf eine ad&auml;quate, d.h. fr&uuml;he und aggressive Therapie nicht an, wird, um Sp&auml;tsch&auml;den zu vermeiden, auch fr&uuml;her operiert. Hierzu bedarf es in der interdisziplin&auml;ren Kommunikation klarer Verlaufs- und Remissionskriterien. Da eine rein auf Scores beruhende Remission unter Umst&auml;nden gar keine ist, ist eine orthop&auml;dische und internistische Ganzk&ouml;rperuntersuchung zur Vermeidung destruktiver Sp&auml;tsch&auml;den essenziell. Trotz einer modernen und effektiven Rheumamedikation kommt es nicht selten vor, dass sich eine persistierende Synovialitis einer fl&uuml;chtigen Untersuchung entzieht und ein &bdquo;rebellisches Gelenk&ldquo; zur&uuml;ckbleibt. Mit den neuen Biologika wird der Zeitpunkt einer Synovi&shy;alektomie an den Wirkungseintritt der Biologika angepasst. Um eine fr&uuml;he Destruktion zu vermeiden, besteht nach leitliniengerechter Therapie und bei persistierender Synovialitis die Indikation f&uuml;r eine zeitnahe Synovialektomie.<br />Der Disease Activity Score 28 (DAS28 EULAR) misst 28 Gelenke (Finger, Hand, Schulter, Ellenbogen, Knie etc.), ber&uuml;cksichtigt aber weder H&uuml;fte noch Fu&szlig;. Als vollst&auml;ndige Remission gilt ein DAS28 &lt;2,6. Gelenksschwellungen sind erlaubt, Fu&szlig;- und Sprunggelenk bleiben unber&uuml;cksichtigt. Die Formel &bdquo;DAS gut, alles gut&ldquo; stimmt aus orthop&auml;discher Sicht also nicht, denn nach den DAS28-Kriterien k&ouml;nnte ein Patient unter Remission laufen, ohne es klinisch zu sein. &bdquo;Auch die Anwendung alternativer Scores, wie CDAI, SDAI 2011 ACR/EULAR, mit denen sich der Patient vermeintlich in klinischer Remission befindet, hinterl&auml;sst immer wieder persistierende Synovialitiden&ldquo;, so Niemeier.</p> <h2>Grunds&auml;tze der Indikationsstellung</h2> <p>Weil bei einer Synovialitis der Ellenbogen (EB) im Verh&auml;ltnis zu anderen Gelenken h&auml;ufig lange klinisch relativ stumm bleibt, findet er in der rheumatologischen Behandlung oft zu sp&auml;t Beachtung. Meist entwickelt der Ellenbogen zun&auml;chst eine Schwellung mit einem leichten Ruheschmerz. Besteht eine persistierende Synovialitis trotz einer gesicherten, effektiven Basistherapie ist eine fr&uuml;he und vollst&auml;ndige Synovialektomie indiziert. Mit 20&ndash;50 % nach 5 Jahren ist eine EB-Beteiligung bei rheumatoider Arthritis (RA) h&auml;ufig. Nach 10 Jahren besteht bei mehr als 50 % der RA-Patienten eine oft bilaterale EB-Beteiligung. Der Behandlungswunsch kommt h&auml;ufig erst dann auf, wenn es f&uuml;r eine Synovialektomie zu sp&auml;t ist und bei den Patienten bereits klinisch manifeste Beschwerden sowie eine fortgeschrittene Destruktion zu verzeichnen sind.<sup>1</sup> <br />Eine Synovialektomie zielt vorwiegend auf die Destruktionsprophylaxe ab, d.h., ihre Indikation ist nicht prim&auml;r durch das Schmerzbild, sondern durch die Floridit&auml;t der Synovialitis bzw. ihre Beherrschbarkeit durch die Medikation gepr&auml;gt. Grunds&auml;tzlich l&auml;sst man sich bei der Indikationsstellung der Prothese nicht von der Destruktion leiten, sondern vom Leidensdruck des Patienten. <br />Bei objektiv gleichem Erkrankungsstadium kann der funktionelle Anspruch entscheiden, um z.B. im Stadium Mayo III entweder eine Sp&auml;tsynovialektomie vs. Prothesenimplantation oder eine Resektionsinterpositionsarthroplastik zu implementieren. &bdquo;Aus den Ergebnissen von Studien der letzten 30 Jahre l&auml;sst sich ablesen, dass im Stadium Mayo II nach 10 bis 15 Jahren bei 80 % eine effektive Schmerzreduktion nach einer Fr&uuml;hsynovialektomie erfolgt ist&ldquo;, sagte Niemeier. Nach 5 Jahren kommt es &uuml;blicherweise zu einem Anstieg der Rezidive und Revisionseingriffe. Postoperativ besteht nach der 6. Woche die Option einer Radiosy&shy;noviorthese (RSO). <br />Bei einer Sp&auml;tsynovialektomie ist die Destruktion (irreversible kn&ouml;chern-ligament&auml;re Destruktion, Mayo III und IV, Larsen 3&ndash;5) bereits eingetreten. Bei relativ jungen Patienten mit hohem funktionellem Anspruch wird auch in solchen F&auml;llen noch eine Synovialektomie durchgef&uuml;hrt. Dadurch wird das Gelenk zwar nicht vom Schaden befreit, aber es kommt zu einer symptomatischen Verbesserung bzw. Schmerzlinderung. In Abgrenzung zur Ellenbogenprothesenimplantation handelt es sich um eine Einzelfallabw&auml;gung. Die Ergebnisse sind im Vergleich zur Fr&uuml;hsynovialektomie bzw. Prothetik jedoch wenig zuverl&auml;ssig vorhersagbar.<sup>2&ndash;5</sup></p> <h2>&bdquo;Rebellische&ldquo; Gelenke und DMARD-Management</h2> <p>Ein Biologika-refrakt&auml;res &bdquo;rebellisches&ldquo; Gelenk per se bedeutet noch kein Therapieversagen. Was die Biologie und den Langzeitverlauf betrifft, rechnet man mit einer geringeren Inflammation und vermutlich anderen Destruktionsmustern. &bdquo;Eine wissenschaftliche Neubewertung des Stellenwerts der Synovialektomie eines Biologika-refrakt&auml;ren Gelenkes ist also notwendig&ldquo;, so Niemeier.<br />Eine Untersuchung von 2015 ging der Frage nach, welche orthop&auml;disch-chirurgischen Eingriffe bei Non-Respondern auf Infliximab welche Effekte erzielen k&ouml;nnen.<sup>6</sup> Die Studie zeigte unter anderem, dass insbesondere die Synovektomie eine gute Remissionsrate in den Gelenken erzielen kann, wenn die Patienten auf Infliximab nicht mehr reagiert und auch keine Biologika mehr bekommen haben. Als positive Pr&auml;diktoren f&uuml;r das Ergebnis einer Synovialektomie gelten ein niedriger Ausgangs-DAS28 und eine fr&uuml;he Intervention.<br />Postoperative Infektionen bei RA sind in der Regel mit Schwierigkeiten verbunden, da sie klinisch schwer zu detektieren sind. Da man nicht wei&szlig;, ob es eine Infektion gibt oder nicht, muss man regelrecht danach &bdquo;fahnden&ldquo;. Insbesondere bei TNF-Blockade ist eine Infektion (fast) ohne Entz&uuml;ndungszeichen m&ouml;glich, wobei es latente bzw. okkulte Verlaufsformen gibt.<br />Ist eine perioperative DMARD-Pause bei RA indiziert und wenn ja, wie lange vorher? Und hat man bei der Absetzung zu bef&uuml;rchten, dass es zu einer Wundheilungsst&ouml;rung oder zu einem Rheumaschub kommt? &bdquo;Die Angst vor dem Rheumaschub ist vorherrschend, weshalb auch ein gro&szlig;z&uuml;giger Umgang mit den postoperativen DMARDs gepflegt wird. Aber da sind wir an unserem Haus etwas vorsichtiger&ldquo;, sagte Niemeier. Versucht man die unterschiedlichen Empfehlungen der Fachgesellschaften zu subsumieren, kommt man auf eine Vielzahl von Medikamenten. Die Patienten erscheinen perioperativ auch mit einer hohen Anzahl dieser Medikamente beim Facharzt. Aufgrund dieser Vielfalt hat es sich als hilfreich erwiesen, wenn sich dieser eine Aufstellung bzw. &Uuml;bersicht zurechtlegt</p></p> <p class="article-quelle">Quelle: 24. Rheumasymposium, 10. Februar 2018, Kepler Universitätsklinikum Linz </p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Lehtinen JT et al.: J Rheumatol 2001; 28: 70-4 <strong>2</strong> Schill S, Biehl C, Thabe H: Orthopade 2003; 32: 723-9 <strong>3</strong> M&auml;enp&auml;&auml; HM et al.: J Shoulder Elbow Surg 2003; 12: 480-3 <strong>4</strong> Fuerst M, Fink B, R&uuml;ther W: J Rheumatol 2006; 33: 892-6 <strong>5</strong> Ishii K et al.: Acta Orthop 2012; 83: 374-8 <strong>6</strong> Kanbe K et al.: Springerplus 2015; 4: 607</p> </div> </p>
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