
„Structures at risk“ während der minimal invasiven Hallux-valgus-Korrektur nach Bösch: eine anatomische Studie
Jatros
Autor:
PD Dr. Martin Kaipel
Facharzt für Orthopädie und orthopädische Chirurgie, Facharzt für Unfallchirurgie Traumazentrum Wien der AUVA, Standort Lorenz Böhler, Wien<br> E-Mail: martin.kaipel@auva.at
30
Min. Lesezeit
14.02.2019
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<p class="article-intro">Die perkutane, distale, transversale Osteotomie des Metatarsale 1 (Bösch-Technik) ist ein etabliertes Operationsverfahren zur minimal invasiven (MI) Hallux-valgus-Korrektur. Bis jetzt ist das Risiko der Schädigung periartikulärer anatomischer Strukturen nicht erhoben worden. Daneben ist auch der Einfluss der Erfahrung des Operateurs auf die Komplikationsrate nicht untersucht.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Die minimal invasive (MI) Hallux- valgus-Korrektur nach Bösch birgt eine erhöhte Gefährdung des dorsalen medialen Nervenastes am Großzehengrundgelenk (N. peron. superfic.).</li> <li>Dieses Risiko könnte durch die sorgfältige Platzierung des Bohrdrahtes oder Verwendung einer intramedullären Stabilisation reduziert werden.</li> <li>Die Erfahrung des Operateurs mit dieser Technik beeinflusst direkt die Komplikationsrate.</li> </ul> </div> <p>Die minimal invasive Korrektur des Hallux valgus ist für viele Fußchirurgen mittlerweile ein Standardeingriff. Die perkutane, distale, transversale Osteotomie des Metatarsale 1 (Bösch-Technik)<sup>1</sup> ist eines der ältesten minimal invasiven Verfahren und weist bedeutende Vorteile gegenüber anderen Techniken auf: Eine geringe Gewebeschädigung, eine kurze Operationszeit, geringe Kosten und zufriedenstellende klinische Ergebnisse sind auch durch unabhängige Studien belegt.<sup>2, 3</sup><br /> Dennoch birgt die Technik spezielle Gefahren. Osteotomie, Reposition und Fixierung des Metatarsaleköpfchens erfolgen ohne direkte Sicht unter Bildwandlerkontrolle. Eine Schädigung von Sehnen, Gefäßen und Nerven ist nicht sicher auszuschließen. Daneben bestehen Hinweise, dass gerade minimal invasive Verfahren in der Hand des unerfahrenen Operateurs zu einer erhöhten Komplikationsrate führen.<sup>4</sup> Das Ziel der präsentierten Studie war es daher, das Risiko für die Schädigung periartikulärer anatomischer Strukturen während der Hallux-valgus-Korrektur nach Bösch sowie den Einfluss der Erfahrung des Operateurs darzustellen.</p> <h2>Methoden</h2> <p>Insgesamt 40 anatomische „Fresh frozen“-Fußpräparate wurden nach folgenden Einschlusskriterien ausgewählt:<br /> – Hallux-valgus-Fehlstellung mit Halluxvalgus- Winkel >20° und intermetatarsalem Winkel <19° unter Bildwandlerdurchleuchtung<br /> – keine Anzeichen für vorbestehendes Malalignment durch Operationen, Frakturen, Tumoren etc.</p> <p>Die 40 Präparate wurden in zwei Gruppen geteilt. Alle Präparate der Gruppe A (n=20) wurden von einem erfahrenen Fußchirurgen und alle Präparate der Gruppe B (n=20) von Ausbildungsassistenten mit wenig Erfahrung (<3 minimal invasive Hallux-valgus-Korrekturen) mit der Operationstechnik nach Bösch versorgt. Die einzelnen Arbeitsschritte sind in Abbildung 1 dargestellt. Danach wurden sämtliche Füße anatomisch präpariert und mögliche Verletzungen der anatomischen Strukturen dokumentiert.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Ortho_1901_Weblinks_jatros_ortho_1901_s32_abb1.jpg" alt="" width="2149" height="1203" /></p> <h2>Ergebnisse</h2> <p>Als wichtigstes Ergebnis dieser Studie ist ein genauer Überblick über die geschädigten anatomischen Strukturen in Tabelle 1 dargestellt. Insgesamt wurden 8 Fälle von iatrogenen Durchtrennungen an Nervenästen dokumentiert. In 7 von 8 Fällen handelte es sich um den dorsalen medialen Nervenast aus dem N. peron. superfic. Hier gab es eine signifikante Häufung in der Gruppe der unerfahrenen Operateure (Gruppe B, p=0,037). In vielen Fällen verlief dieser Nerv direkt im Bereich der Einbringstelle des stabilisierenden Bohrdrahtes (Abb. 2).<br /> In 2 Fällen der Gruppe B wurde eine Fehlposition (extramedulläre Lage) des Bohrdrahtes festgestellt. Dies führte auch zu einer signifikant erhöhten Gesamtkomplikationsrate in der Gruppe B (p=0,043).<br /> In keinem der 40 korrigierten Fußpräparate gab es eine Durchtrennung von Sehnen oder Gefäßen.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Ortho_1901_Weblinks_jatros_ortho_1901_s33_abb2+tab1.jpg" alt="" width="2149" height="1582" /></p> <h2>Diskussion</h2> <p>Die minimal invasive Hallux-valgus- Korrektur nach Bösch kann auch für erfahrene Operateure technisch anspruchsvoll sein. Einer der wichtigsten Schritte ist die transversale Durchtrennung des Metatarsale I unter Bildwandlerkontrolle mithilfe einer „High speed“-Fräse. Es konnte angenommen werden, dass anatomische Strukturen während dieses Arbeitsschrittes durch direkte (mechanische) oder indirekte (Hitze-)Schädigung beeinträchtigt werden. Die Ergebnisse dieser Arbeit haben gezeigt, dass fast ausschliesslich der dorsale mediale Nervenast verletzt wird, der hier vor allem auch durch die Platzierung des stabilisierenden Bohrdrahtes gefährdet ist.<br /> In dieser Studie kam es in 8 von 40 Präparaten zur Durchtrennung eines Nervenastes (20 % ). Dies klingt auf den ersten Blick viel. In der einzigen prospektiven Studie, die sich mit Nervenschäden nach offener Hallux-valgus-Korrektur beschäftigt, wurde jedoch auch bei 2 von 11 (18 % ) primär asymptomatischen Patienten eine postoperative Sensibilitätsstörung beschrieben.<sup>5</sup> Auch hier ist von einem iatrogenen Nervenschaden auszugehen. Hier wären Folgestudien mit größeren Fallzahlen wünschenswert.<br /> Ein weiterer wichtiger Aspekt dieser Studie ist die signifikante Erhöhung der Gesamtkomplikationsrate in der Gruppe der unerfahrenen Operateure (Gruppe B). Hier zeigt sich trotz systematischer Instruktion doch eine gewisse Lernkurve, die bereits bei anderen Eingriffen in der Fußchirurgie (z.B. OSG-Prothetik) hinreichend belegt ist. Eine anhaltende Begleitung während der ersten Eingriffe durch einen erfahrenen Operateur kann dieses Problem lösen und gleichzeitig dazu beitragen, die Gesamtkomplikationsrate zu senken.</p></p>
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
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<p><strong>1</strong> Bosch P et al.: Hallux valgus correction by the method of Bosch: a new technique with a seven-to-ten-year followup. Foot Ankle Clin 2000; 5(3): 485-9 <strong>2</strong> Faour-Martin O et al.: Long term results of the retrocapital, metatarsal percutaneous osteotomy of the hallux valgus. Int Orthop 2013; 37(9): 1799-803 <strong>3</strong> Radwan YA, Mansour AM: Percutaneous distal metatarsal osteotomy versus distal chevron osteotomy for correction of mild-to-moderate hallux valgus deformity. Arch Orthop Trauma Surg 2012; 132(11): 1539-46 <strong>4</strong> Trnka HJ et al.: Minimally invasive hallux valgus surgery: a critical review of the evidence. Int Orthop 2013; 37(9): 1731-5 5 Jastifer JR et al.: Sensory nerve dysfunction and hallux valgus correction: a prospective study. Foot Ankle Int 2014; 35(8): 757-63</p>
</div>
</p>