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State of the Art in der Therapie von Verletzungen des vorderen Kreuzbandes

<p class="article-intro">Das vordere Kreuzband stellt zusammen mit dem hinteren Kreuzband den zentralen Pfeiler des Kniegelenkes dar. Verletzungen führen in der Regel zu einer mehr oder weniger großen vorderen Instabilität. Ziel der operativen Versorgung sind stabile Gelenksverhältnisse. Die nicht operative bzw. sogenannte konservative Behandlung mit Muskelaufbau nimmt absehbare Folgeschäden von Meniskus und Knorpel in Kauf und ist daher keine generelle Behandlungsalternative.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Der nachfolgende Artikel &uuml;berschneidet sich inhaltlich mit dem &bdquo;Konsensuspapier Vorderes Kreuzband&ldquo; des Arbeitskreises Knie der &ouml;sterreichischen Gesellschaft f&uuml;r Unfallchirurgie (www.unfallchirurgen.at).</p> <h2>Anatomie</h2> <p>Das vordere Kreuzband stellt zusammen mit dem hinteren Kreuzband den zentralen Pfeiler des Kniegelenkes dar. Das innere und das &auml;u&szlig;ere Seitenband sind weitere wichtige Stabilisatoren des Kniegelenkes.<br /> Das vordere und das hintere Kreuzband kreuzen sich im Zentrum des Kniegelenkes. Die Struktur der Kreuzb&auml;nder sind Faserb&uuml;ndel aus kollagenen Fasern. Dabei entspringt das vordere Kreuzband von der lateralen Seite, im unteren Drittel der interkondyl&auml;ren Notch, und setzt im vorderen mittleren Areal des Kniegelenkes, der Area intercondylaris anterioris, an. Der Bereich zwischen dem inneren und &auml;u&szlig;eren Schienbeinplateau wird Eminentia intercondylaris genannt.<br /> Grunds&auml;tzlich k&ouml;nnen zwei (bis drei) B&uuml;ndel unterschieden werden:<br /> - ein anteromediales B&uuml;ndel<br /> - ein posteriolaterales B&uuml;ndel<br /> - (und ein intermedi&auml;res B&uuml;ndel)<br /><br /> Die genaue Form des Bandes wird kontrovers diskutiert. Eine rezente anatomische Studie zeigt einen C-f&ouml;rmigen Ansatz am Schienbein. Die Fasern haben unterschiedliche L&auml;ngen zwischen 18 und 34mm und f&auml;chern sich zu den jeweiligen Ansatzfl&auml;chen auf.</p> <h2>Funktion des vorderen Kreuzbandes</h2> <p>Die Kreuzb&auml;nder stellen die zentrale F&uuml;hrungsstruktur des Kniegelenkes dar und bilden ein &uuml;berschlagenes Gelenkviereck, dadurch ist der Roll-gleit-Mechanismus beim Beugen und Strecken des Kniegelenkes gew&auml;hrleistet. Bei einer Sch&auml;digung des vorderen Kreuzbandes wird dieser Mechanismus gest&ouml;rt bzw. au&szlig;er Kraft gesetzt, dies f&uuml;hrt zu einer verst&auml;rkten Druckbelastung auf Meniskus und Knorpel. Daher ist nach Ruptur des vorderen Kreuzbandes aufgrund dieser vermehrten Gelenksbelastung mit Folgesch&auml;den zu rechnen.</p> <h2>Kreuzbandverletzung</h2> <p><strong>Mechanismus</strong><br /> Kreuzbandverletzungen entstehen h&auml;ufig durch indirekte Gewalteinwirkung, das sogenannte Flexions-Valgisations-Rotations- Trauma. Die Diagnosestellung erfolgt in der Regel durch eine klinische Untersuchung und in weiterer Folge auch durch R&ouml;ntgen- und MR-Untersuchungen.<br /><br /><strong> Inzidenz</strong> Die Inzidenz des vorderen Kreuzbandrisses ist mit 0,5&ndash;1 pro 1.000 Einwohner in USA und Mitteleuropa pro Jahr anzunehmen. In den Vereinigten Staaten werden pro Jahr etwa 250.000 Rekonstruktionen des vorderen Kreuzbandes durchgef&uuml;hrt. Genauere Zahlen gibt es nur vonseiten der Schweizerischen Unfallstatistik, in der die H&auml;lfte der Schweizer B&uuml;rger erfasst ist und wo von 6.350 Verletzungen des Kreuzbandes pro Jahr gesprochen wird, daher werden pro Jahr etwa 12.000 Kreuzbandverletzungen angenommen.<br /><br /><strong> Geschlechtliche Unterschiede</strong><br /> Es gibt geschlechtliche Unterschiede, die einerseits auf die Besonderheiten der Notch und der Beinachse, andererseits auf hormonelle und muskul&auml;re Faktoren zur&uuml;ckgef&uuml;hrt werden. So haben Basketball- und Fu&szlig;ballspielerinnen ein drei- bis viermal h&ouml;heres Risiko, eine Kreuzbandverletzung zu erleiden, als M&auml;nner.<br /><br /><strong> Pr&auml;ventionsm&ouml;glichkeit</strong> Eine Studie zur Pr&auml;vention stammt von Olsen aus der Gruppe um Engebretsen 2005. Dabei wurde im Rahmen einer gro&szlig;en Feldstudie mit einem entsprechenden koordinativen Aufw&auml;rmprogramm bei Handballspielern gezeigt, dass die Inzidenz der Kreuzbandverletzung nahezu um die H&auml;lfte gesenkt werden konnte, im Vergleich zu einer Kontrollgruppe ohne das entsprechende Programm.<br /><br /><strong> Symptomatik</strong><br /> Die Symptomatik des Kreuzbandrisses besteht in Schmerzen, Schwellung und Bluterguss, wobei in einer geringen Anzahl von F&auml;llen der Kreuzbandriss auch ohne Bluterguss m&ouml;glich ist. Ein kn&ouml;cherner Kapselausriss am &auml;u&szlig;eren Unterschenkelknochen kann im R&ouml;ntgen erkennbar sein (Segond-Fraktur). Neuere Studien beschreiben in diesem Bereich das anterolaterale Ligament.<br /> H&auml;ufig wird der Riss als Knacken wahrgenommen und ist mit Schmerz verbunden. In der Regel ist damit die Weiteraus&uuml;bung des Sports beendet, in Einzelf&auml;llen kann aber noch, wie zum Beispiel beim Skifahren, ins Tal abgefahren werden.<br /><br /><strong> Klinische Untersuchung</strong><br /> Zur klinischen Untersuchung z&auml;hlen der Lachman-Test, der Pivot-Shift-Test und der vordere Schubladentest. Zus&auml;tzlich k&ouml;nnen eventuell instrumentierte Instabilit&auml;tsmessungen im Seitenvergleich (z.B. KT-1000, Rolimeter u.&Auml;.) durchgef&uuml;hrt werden.<br /><br /><strong> Bildgebung</strong><br /> Standard sind ein R&ouml;ntgen, ap. und seitlich, und eine Ganzbeinstandaufnahme bei gegebener Indikation einer Umstellungsosteotomie. Spezialaufnahmen sind fakultativ. Instrumentell oder manuell gehaltene Aufnahmen stellen eine Screeningmethode dar. Die kernspintomografische Untersuchung bietet neben der Beurteilung eines kompletten oder teilweisen Risses des vorderen Kreuzbandes die M&ouml;glichkeit zur Evaluierung von eventuellen intra- und extraartikul&auml;ren Begleitverletzungen.<br /><br /><strong> Indikation zur Operation</strong><br /> Insbesondere bei instabilen Situationen kann es zu einem vermehrten Nachgeben des Kniegelenkes kommen (Giving-way- Attacke). H&auml;ufig finden sich Begleitverletzungen, insbesondere Verletzungen der Menisken, aber auch des Gelenksknorpels. Da die Menisken zus&auml;tzliche Stabilisatoren des Kniegelenks sind, kommt der Erhaltung des Meniskus im Rahmen der Kreuzband- und Meniskusverletzung ebenfalls ein hoher Stellenwert zu. Individuell ist zu entscheiden, ob die Kreuzband- und Meniskuschirurgie einzeitig oder zweizeitig durchgef&uuml;hrt wird. Knorpelsch&auml;den und begleitende Seitenbandverletzungen sind ebenfalls h&auml;ufig.<br /> Im Wesentlichen gibt es beim Ersatz des vorderen Kreuzbandes kein Alterslimit, biologisches Alter und Aktivit&auml;tsniveau sind entscheidend. Patienten, bei denen abzusehen ist, dass sie ihr Kniegelenk bis zur Leistungsgrenze beanspruchen werden, sollte eine Rekonstruktion des vorderen Kreuzbandes angeboten werden und eine absehbare Meniskussch&auml;digung sollte nicht abgewartet werden.<br /> Bei sportlich aktiven Patienten und insbesondere bei Patienten in Pivoting-Sportarten (z.B. Fu&szlig;ball, Handball) ist die Indikation zum Ersatz des vorderen Kreuzbandes gro&szlig;z&uuml;giger zu stellen. Auch bei weniger sportlichen Patienten mit anhaltender funktioneller Instabilit&auml;t oder bei entsprechenden beruflichen Anforderungen ist die Indikation zum Kreuzbandersatz gegeben. Die Compliance des Patienten muss bei der Indikationsstellung ber&uuml;cksichtigt werden.<br /><br /><strong> Operationszeitpunkt</strong><br /> Der Eingriff sollte m&ouml;glichst vor dem Auftreten bzw. nach dem Abklingen von klinisch manifesten Entz&uuml;ndungszeichen erfolgen. Das Kniegelenk soll klinisch reizfrei, die Streckung frei und eine aktive Beugung von mindestens 110 Grad m&ouml;glich sein. Zusatzverletzungen (z.B. eingeklemmter Korbhenkelriss des Innen- oder Au&szlig;enmeniskus) k&ouml;nnen zu jedem Zeitpunkt eine operative Versorgung erforderlich machen. Eine zweizeitige Versorgung ist in Abh&auml;ngigkeit von den Begleitverletzungen m&ouml;glich.<br /><br /><strong> Operationstechnik</strong><br /> &Uuml;blicherweise erfolgt der Ersatz des vorderen Kreuzbandes mit k&ouml;rpereigenen Sehnen. Dabei ist derzeit die bevorzugte Sehne die Semitendinosus/Gracilissehne, gefolgt von Patella- und Quadricepssehne. Die Entnahmemorbidit&auml;t ist bei der Patellasehne etwas h&ouml;her.<br /> Allografts sind ebenfalls erh&auml;ltlich, allerdings mit h&ouml;heren Kosten und einer h&ouml;heren Rerupturrate verbunden. Sie stellen nach mehrfacher Revision eine wertvolle Alternative dar. Kunststoffb&auml;nder sind f&uuml;r den prim&auml;ren, isolierten Einsatz des vorderen Kreuzbandes nicht indiziert.<br /> Nachdem die Kreuzbandreinsertion und -naht vor etwa 30 Jahren wegen der nicht zufriedenstellenden Ergebnissen verlassen wurden, werden in den letzten Jahren wieder sehr gute Ergebnisse der Reinsertion und Augmentation nach frischer Kreuzbandruptur berichtet. Hier fehlen noch l&auml;ngerfristige Ergebnisse.<br /><br /><strong> Nachbehandlung</strong><br /> Die Nachbehandlung besteht aus St&uuml;tzkr&uuml;cken und Teilbelastung in den ersten drei Wochen, zus&auml;tzlich Physiotherapie und ab der vierten Woche postoperativ auch Ergometertraining. Eine Orthese f&uuml;r zwei bis sechs Wochen kann zus&auml;tzlich verwendet werden.</p> <h2>Zusammenfassung</h2> <p>Das vordere Kreuzband stellt einen wichtigen Zentralpfeiler im Kniegelenk dar. Es ist f&uuml;r die Stabilit&auml;t mitverantwortlich. Risse des vorderen Kreuzbandes f&uuml;hren in der Regel zu einer verst&auml;rkten Lockerung des Kniegelenkes. Ohne operative Therapie heilt die Verletzung &uuml;blicherweise mit einer Instabilit&auml;t des Kniegelenkes aus. Bis zu einem gewissen Grad kann durch gezielten Muskelaufbau eine Verbesserung der Stabilit&auml;t erzielt werden. Allerdings heilt das Kreuzband selbst, als zentraler Pfeiler und wichtiger Stabilisator des Kniegelenkes, durch konservative Therapie &uuml;blicherweise nicht. MR-Studien, vor allem bei Kindern, haben in Ausnahmef&auml;llen eine spontane Heilung des vorderen Kreuzbandes gezeigt. Dies h&auml;ngt jedoch auch von der Art und Lokalisation des Risses ab.<br /> Bei &auml;lteren, inaktiven Patienten ohne wesentliche Instabilit&auml;tssymptomatik kann von einer Ersatzoperation abgesehen werden. Sonst werden Kreuzbandverletzungen eher operativ versorgt, da nicht nur beim sportlich aktiven Menschen, sondern auch beim normalen Gehen eine stabile Kniefunktion erforderlich ist. Ein st&auml;ndiges Nachgeben bzw. eine Lockerheit des Kniegelenkes f&uuml;hrt in weiterer Folge zu erh&ouml;htem Verschlei&szlig; der Menisken und auch des Knorpels.<br /> &Uuml;blicherweise flie&szlig;en in die Indikationsstellung zur Kreuzbandersatzoperation verschiedene Aspekte ein. Erstens das Ausma&szlig; der Instabilit&auml;t, zweitens das sportliche Aktivit&auml;tsniveau und drittens das Alter, wobei das biologische Alter zu werten ist. Auch Begleitverletzungen wie Meniskusrisse m&uuml;ssen in die Entscheidungsfindung einflie&szlig;en.<br /> Bevor jedoch eine Kreuzbandoperation durchgef&uuml;hrt wird, sollte eine exakte klinische Untersuchung erfolgen und in weiterer Folge dann auch eine R&ouml;ntgen- und MR-Abkl&auml;rung, wobei in Ausnahmef&auml;llen auch gehaltene R&ouml;ntgenaufnahmen erforderlich sein k&ouml;nnen. Der Grund daf&uuml;r ist, dass die MR-Untersuchung keine dynamische Untersuchung ist und oft Narbengewebe oder in Fehllage angeheilte Kreuzbandanteile das Bild eines instabilen Kniegelenkes verschleiern k&ouml;nnen.<br /><br /> Die Operation erfolgt in der Regel vor dem Auftreten bzw. nach dem Abklingen der Entz&uuml;ndungszeichen, in Einzelf&auml;llen und insbesondere bei Leistungssportlern kann diese Operation auch unmittelbar nach der Verletzung erfolgen.<br /><br /> Zum Ersatz des Kreuzbandes stehen verschiedene Sehnen zur Verf&uuml;gung. Dazu z&auml;hlen einerseits die k&ouml;rpereigenen Semitendinosus/ Gracilissehnen von der Oberschenkelr&uuml;ckseite, die Kniescheibensehne von der Knievorderseite und die Quadricepssehne. Andererseits stehen auch Allografts zur Verf&uuml;gung, diese haben allerdings eine h&ouml;here Rerupturrate.<br /> Kunststoffb&auml;nder sind zwar in &Ouml;sterreich nicht verboten, stellen jedoch in der Regel keine langfristige L&ouml;sung der Instabilit&auml;tsproblematik dar. In den USA und in vielen anderen L&auml;ndern gibt es keine Zulassung f&uuml;r Kunststoffb&auml;nder.<br /> Grunds&auml;tzlich sollte die exakte Positionierung des neuen Kreuzbandes im Vordergrund stehen. Daher ist eine anatomische Rekonstruktion die Therapie der Wahl. Dabei werden die urspr&uuml;nglichen Ursprungsund Ansatzorte des Kreuzbandes aufgesucht und hier die Bohrkan&auml;le angelegt. Dabei k&ouml;nnen diese Bohrkan&auml;le doppelt (sogenannte Zweib&uuml;ndeltechnik) oder einfach als Einkanaltechnik angelegt werden. Die diesbez&uuml;glichen wissenschaftlichen Untersuchungen haben keine wesentlichen Unterschiede zwischen der Einb&uuml;ndel- und der Zweib&uuml;ndeltechnik ergeben. Das Wichtigste ist die anatomische Positionierung bei ausreichender St&auml;rke des Transplantates.<br /> Die Nachbehandlung nach Kreuzbandoperationen beginnt bereits vor dem Eingriff mit Physiotherapie, wie auch die nicht operative Behandlung von Kreuzbandverletzungen. Dabei z&auml;hlen vor allem das Wiedererlangen der koordinativen F&auml;higkeiten und der Muskelaufbau zu den wichtigsten Zielen. Nach erfolgreicher Rehabilitation ist eine vollkommene Reintegration in den Alltag beziehungsweise in das sportliche Leben m&ouml;glich. Der Sport kann in der Regel bei korrekter operativer Versorgung und Nachbehandlung wieder auf demselben Leistungsniveau durchgef&uuml;hrt werden.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Ortho_1701_Weblinks_s36_abb1.jpg" alt="" width="951" height="911" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Ortho_1701_Weblinks_s36_abb2-3.jpg" alt="" width="2150" height="854" /></p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p>beim Verfasser</p> </div> </p>
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