
Schnell wieder fit – dafür frühe Arthrose?
Jatros
Autor:
Dr. Christian Patsch
E-Mail: cp@orthopaedie-linz.com
Autor:
Dr. Florian Dirisamer
<br>Orthopädie & Sportchirurgie, Puchenau
30
Min. Lesezeit
21.11.2019
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<p class="article-intro">Muss man Kompromisse eingehen, um in seinem Sport erfolgreich zu sein, oder lässt sich der scheinbare Widerspruch doch vereinbaren?</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Eine Meniskusnaht hat bei Sportlern grundsätzlich eine gute Prognose und sollte deshalb trotz im Einzelfall längerer Rehabilitation forciert werden. Bei Profisportlern sollte aber auf Rekonstruktionen mit schlechten Erfolgsaussichten verzichtet werden.</li> <li>Bei funktionellem Meniskusverlust ist eine Meniskus-Allograft- Transplantation alternativlos und auch bei Sportlern Erfolg versprechend.</li> </ul> </div> <p>Meniskusrisse zwingen aktive Sportler in eine Verletzungspause, die abhängig von der Sportart und den Begleitverletzungen in der Dauer variiert. Während eine unkomplizierte und isolierte Meniskusruptur manchmal nur vier Wochen Pause bedeutet, kann es bei einer für einen Schifahrer typischen Kombinationsverletzung von Meniskus, Seiten- und Kreuzband schnell ein Jahr bis zur vollständigen Genesung dauern.<br /> Zwar zeigen sich Sportler während der Rehabilitation in der Regel besonders motiviert, was die Dauer deutlich verkürzen kann, andererseits kann dieser übertriebene Ehrgeiz auch zu unvernünftig frühen und hohen Belastungen führen, die das Operationsergebnis gefährden. Hier kommt dem behandelnden Arzt eine besondere Verantwortung zu, stets auch die langfristigen gesundheitlichen Konsequenzen für den Patienten im Auge zu behalten.</p> <h2>Meniskusruptur</h2> <p>Wir wissen seit Fairbanks 1948 („Knee joint changes after meniscectomy“), dass Verlust von Meniskusgewebe und/oder Meniskusfunktion zu schwerwiegenden biomechanischen Konsequenzen im Kniegelenk führt, die letztlich in der Osteoarthrose enden. Deshalb ist das Ziel des Erhalts des Meniskus – wann immer möglich – unbestritten. <br />Die Voraussetzungen für ein erfolgreiches Meniskusrepair sind in der Regel bei Sportlern sehr gut. Meist handelt es sich um jüngere Patienten, die eine höhere Dichte an Meniskozyten sowie eine geringere Anzahl apoptotischer Zellen aufweisen – alles Faktoren, die eine Heilung nach Meniskusnaht begünstigen. Zusätzlich handelt es sich in der Regel um traumatische Rupturen, die eine bessere Tendenz zur Heilung aufweisen als degenerative. <br />In der Literatur liegt die generelle Versagensquote nach Naht zwischen (unrealistischen) 0 % und 50 %. Nicolas Pujol et al haben 2015 für traumatische Rupturen eine vollständige Heilung in 60 %, eine partielle Heilung in 25 % sowie eine fehlende Heilung in 15 % der Fälle publiziert. Wenn man berücksichtigt, dass eine teilweise Heilung in der Regel klinisch asymptomatisch bleibt – zumindest solange der Meniskus stabil ist –, muss man feststellen, dass bei traumatischen Rupturen unbedingt der Meniskuserhalt angestrebt werden muss, auch wenn daraus unter Umständen ein verlängertes Rehabilitationsprogramm für den Sportler entsteht. <br />Bedenkt man, dass manche Verletzungsmuster, beispielsweise der Verlust eines rupturierten lateralen Scheibenmeniskus, bei Meniskusresektion sehr rasch zu einer fortgeschrittenen Arthrose führen können, ist vielfach die mittel- und langfristige Möglichkeit zur Sportausübung abhängig von einer erfolgreichen Meniskusrekonstruktion. <br />Liegen Kombinationsverletzungen vor, beispielsweise eine Meniskusruptur zusammen mit einem Kreuzbandriss, wird die Rehabilitationsdauer im Wesentlichen durch die Heilung der Kreuzbandverletzung bestimmt. In einer solchen Situation ist die Prognose für eine Meniskusnaht besonders gut, da sich Meniskus und Kreuzband gegenseitig in ihrer Funktion unterstützen. Auch ein positiver Einfluss von Stammzellen und Wachstumsfaktoren durch die knöchernen Bohrungen im Rahmen der Kreuzbandplastik wird postuliert. <br />Bei chronischer Überlastung im Ausdauersport können sich große horizontale Binnenläsionen entwickeln, die dann eine typische Meniskussymptomatik auslösen können. Falls eine entsprechende Entlastung durch Sportkarenz keine anhaltende Besserung bringt, kann hier eine operative Reparatur notwendig werden. In der Regel wird durch ein Miniopen- Verfahren der Meniskus aufgesucht und die Binnenläsion auskürettiert, angefrischt und anschließend vernäht. Obwohl sie vom Erscheinungsbild typischen degenerativen Läsionen ähnlich ist, hat sie P. Beaufils in seiner Arbeit 2017 als Sonderform den traumatischen Rupturen zugerechnet. Wenn eine Sanierung ausbleibt, können daraus allerdings bei Durchbruch durch die Meniskusoberfläche große horizontale Rupturen entstehen. Nicht selten entstehen durch Eindringen von Gelenksflüssigkeit parameniskale Zysten oder Ganglien. Diese können in der Regel arthroskopisch transmeniskal abgesaugt werden. Die früher häufig geübte Praxis, bei horizontalen Rupturen den tibialen Anteil zu resezieren, sollte heute vermieden werden, da experimentelle Arbeiten gezeigt haben, dass die Druckverhältnisse sich ähnlich wie bei einer vollständigen Resektion verschlechtern. Besser ist möglicherweise ein Verschluss der horizontalen Ruptur mit zirkulären Nähten, wobei hier die Evidenz für eine Überlegenheit noch aussteht. Idealerweise sollten die Stiche knapp unter der Meniskusoberfläche platziert werden, um tribologischen Problemen am Knorpel vorzubeugen. <br />Eine Meniskusteilresektion sollte bei aktiven Sportlern somit die absolute Ausnahme bei aussichtslosem Meniskuserhalt sein. Bei professionellen Sportlern kann aus existenziellen Gründen nach entsprechender Aufklärung bei unsicherer Prognose allerdings auf einen Rekonstruktionsversuch verzichtet werden.</p> <h2>Meniskusersatz</h2> <p>Meniskusimplantate haben einen sehr schmalen Einsatzbereich. Sie sind ungeeignet zur Behandlung eines funktionellen Meniskusverlustes. Ihr Einsatzbereich umfasst den segmentalen Meniskusdefekt. Derzeit sind zwei Produkte am Markt, eines aus Kollagen (CMI<sup>®</sup>), eines aus Polyurethan (Aktifit<sup>®</sup>). Die Literatur zeigt gute klinische Ergebnisse bei starker Neigung zur Schrumpfung oder Resorption bei Nachuntersuchungen mit MRT. Hier scheinen Wissenschaft und Industrie gefordert, für künftige Verbesserungen zu sorgen.</p> <h2>Meniskustransplantation</h2> <p>Liegt ein funktioneller Meniskusverlust vor, so ist derzeit ausschließlich eine Meniskus- Allograft-Transplantation (MAT) in der Lage, die Biomechanik wieder herzustellen. War man ursprünglich bei Kontaktsportlern aufgrund des vermeintlich höheren Versagensrisikos eher zurückhaltend mit der Indikationsstellung zur MAT, wurde der Indikationsbereich nicht zuletzt wegen der immer besseren Ergebnisse auf professionelle Sportler ausgeweitet. Auch die wesentlich unkompliziertere Nachbehandlung im Rahmen der Entwicklung der voll arthroskopischen Operationstechnik hat dazu beigetragen. Marcacci et al. konnten in einer Serie von 12 professionellen Fußballspielern zeigen, dass 92 % nach einer mittleren Zeit von 10,5 Monaten wieder zum Fußball zurückkehren konnten, 75 % davon auf professionellem Niveau. <br />Natürlich besteht die Möglichkeit einer Reruptur in höherem Ausmaß, die mittlerweile aber sehr geringe Invasivität des Verfahrens lässt die Möglichkeit einer Retransplantation jederzeit zu. Auch wenn der vollständige Nachweis noch aussteht, dass durch eine MAT eine Arthroseprävention möglich ist, verdichtet sich in den letzten Jahren die Evidenz dafür in diese Richtung.</p> <h2>Fazit</h2> <p>Zusammenfassend kann man sagen, dass eine schnelle Rehabilitation nach einem Sportunfall nicht mit einer frühzeitigen Arthrose einhergehen muss. Die heute zur Verfügung stehenden Mittel und Methoden erlauben vielfach weitgehende Rekonstruktion von Anatomie und Biomechanik des Kniegelenks.</p> <p> </p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Ortho_1906_Weblinks_jatros_ortho_1906_s16_abb1_patsch.jpg" alt="" width="2148" height="587" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Ortho_1906_Weblinks_jatros_ortho_1906_s17_abb2_patsch.jpg" alt="" width="410" height="176" /></p></p>
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<p>bei den Verfassern</p>
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