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Posterolaterale Rotationsinstabilität im Rahmen des Tennisellenbogens
Jatros
Autor:
Dr. Philipp Heuberer
Autor:
Dr. Martin Eigenschink
Herz-Jesu Krankenhaus, Wien<br>E-Mail: martin.eigenschink@kh-herzjesu.at
30
Min. Lesezeit
16.11.2017
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<p class="article-intro">Der laterale Ellenbogenschmerz stellt ein häufiges Krankheitsbild in der orthopädischen Praxis dar. Oftmals präsentiert er sich mit einem frustranen, therapieresistenten Verlauf. Häufig steckt jedoch hinter lang andauernden Beschwerden eine Bandschädigung mit chronischer Instabilität. Ziel dieses Artikels ist es, die genaue und frühe Abklärung zu präsentieren und mögliche Therapieoptionen zu beleuchten.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Ein therapieresistenter lateraler Ellenbogenschmerz sollte spätestens nach 6 Monaten konservativer Therapie genauestens reevaluiert werden (MRT, Arthroskopie).</li> <li>Infiltrationen mittels Glukokortikoiden werden nicht empfohlen. Nach anfänglicher Besserung wird dadurch eine chronische Schädigung der Sehnenursprünge und des lateralen ulnaren Seitenbandes (LUCL) verursacht.</li> <li>Die Bandplastik mittels Trizepssehnenautograft stellt eine sehr gute operative Therapie mit hohem funktionalem Erfolg und guter Patientenzufriedenheit dar.</li> </ul> </div> <h2>Der laterale Ellenbogenschmerz</h2> <p>Der Tennisellenbogen (Epicondylitis lateralis) stellt eine häufige Erkrankung des Ellenbogens mit einer Inzidenz von ca. 3,4 unter 1000 dar. Eine Altersspitze wird in der aktuellen Literatur bei ca. 40–49 Jahren beschrieben.<sup>1</sup> Im klinischen Alltag stellt sich der Patient oft mit schon länger vorliegenden Schmerzen am lateralen Epicondylus vor. Diese zeigen sich besonders bei Extensionsbewegungen, Druck am Extensorenursprung und nach längerer Belastung in Beruf und/oder Sport.<sup>2</sup> Ursächlich für den Beginn des lateralen Ellenbogenschmerzes werden Gewebedegenerationen am Extensorenansatz beschrieben. Oftmals ist dem Patienten kein Trauma erinnerlich, was anamnestisch die Diagnosestellung erschwert. <br />Für die Pathologie liegt grundsätzlich kein entzündlicher Prozess vor, wie es der Name fälschlicherweise vermuten lässt. Es handelt sich um eine Tendinose, wie in mehreren Studien histologisch nachgewiesen wurde.<sup>3</sup> Nirschl et al. teilten den Verlauf der Erkrankung histopathologisch in 4 Stadien ein. Im Stadium 1 entsteht eine angiofibroblastische Hyperplasie. Stadium 2 stellt die Tendinose dar. In weiterer Folge kommt es zu einer Partial- bzw. Komplettruptur der Sehne (Stadium 3). Schlussendlich zeichnet sich das Stadium 4 durch Fibrose und weichteilige sowie ossäre Kalzifikationen aus.<sup>3</sup></p> <h2>Therapie des Tennisellenbogens</h2> <p>Aktuelle Therapiemaßnahmen wie Infiltrationen, Stoßwellen- und physikalische Therapie zeigen in aktuellen Studien nur geringe bis keine Überlegenheit gegenüber einer „Watchful waiting“-Strategie.<sup>4–6</sup> In der Akutphase werden die Einnahme von nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) sowie isometrisches Extensorentraining empfohlen.<sup>7</sup> Bandagen und andere Orthesenversorgungen können die Schmerzpersistenz etwas lindern, aber den Krankheitsverlauf nicht beeinflussen.<sup>8</sup> Einen wichtigen Stellenwert nimmt die Adaptierung der Alltagsbelastung ein. Hierzu sind besonders für Sportler genaue Trainingsabänderungen mit Umstellung des Belastungsmusters anzudenken. Besonders abrupte Schlag­sportarten mit rascher Extension und Rotation an Ellenbogen und Handgelenk sollten im Speziellen in der Akutphase vermieden werden. Bei Linderung der Beschwerdesymptomatik kann eine schmerzabhängige Belastung wieder begonnen werden.<sup>9</sup><br />Unter den Patienten mit einem Tennisellenbogen beschreiben ca. 80–90 % eine komplette Beschwerdefreiheit nach konservativer Therapie.<sup>10</sup> Aktuell werden die Patienten mit Beschwerdepersistenz über 6–9 Monate oftmals einer Epicondylitisoperation nach Hohmann, Nirschl oder Wilhelm unterzogen. Hierfür ist die Indikationsstellung genau zu prüfen und im Zuge eines Ellenbogeneingriffs vorerst eine Arthroskopie zur weiteren Ursachenforschung durchzuführen.</p> <h2>Die posterolaterale Rotationsinstabilität (PLRI)</h2> <p>Die Pathologie dieser Erkrankung beruht auf einer Partialruptur des lateralen ulnaren Seitenbandes („lateral ulnar collateral ligament“, LUCL) und ist bei den oben beschriebenen Patienten meist in geringgradiger Ausprägung vorhanden. Die Genese hierfür ist vielseitig, oftmals liegt bereits ein Tennisellenbogen vor, der durch die Nähe des Extensorenursprungs zum LUCL (wenige Millimeter am lateralen Epicondylus) bei langer Persistenz eine Mitschädigung des Bandapparates verursacht. Aktuelle Studien beschreiben zusätzliche Schädigungen des lateralen Bandapparates durch wiederholte Infiltrationen mit Glukokortikoiden am lateralen Epicondylus.<sup>11</sup> Oftmals liegt der Bandschädigung auch ein Mikrotrauma zugrunde. Auch wenn sich durch eine Partial- bzw. Komplettruptur des LUCL meist nur eine „leichte“ Instabilität nach der Klassifikation nach O’Driscoll einstellt, führt diese zu therapieresistenten Beschwerden, welche sich durch intensivierende Schmerzen im Alltag und beim Sport präsentieren.<sup>12</sup></p> <h2>Klinische Diagnostik</h2> <p>Die klinische Darstellung einer posterolateralen Rotationsinstabilität und eine damit einhergehende Partialruptur/Ruptur des LUCL gestalten sich sehr schwierig. Nur wenige Patienten mit einer tatsächlichen Instabilität präsentieren sich mit positiven klinischen Hinweisen im Drawer-, Chair- und Pivot-Shift-Test.<sup>13, 14</sup></p> <h2>Vorgehen bei Persistenz</h2> <p>Bei langer Therapieresistenz ist eine Arthroskopie des Ellenbogengelenks anzudenken, da hier der definitive Nachweis einer Instabilität gestellt werden kann. Liegt diese vor, wird die Indikation zur Bandplastik des LUCL gestellt und in der gleichen Sitzung durchgeführt. Wir empfehlen dafür einen Trizepssehnenautograft, der am selben Ellenbogen mit einer kleinen Erweiterung des Kocherzugangs am medialen distalen Sehnenanteil des Musculus triceps brachii entnommen werden kann.<sup>15</sup> Die entsprechende Technik zur Entnahme und Implantation wurde von Denise Eygendaal 2004 beschrieben und publiziert.<sup>16</sup></p> <h2>Klinisches Therapieschema</h2> <p>An unserer Klinik wird die therapieresistente Epicondylitis nach einem definierten Schema behandelt. Liegt eine konservative Therapieresistenz von mehr als 6 Monaten vor, wird eine genaue Instabilitätsabklärung notwendig. Zuerst wird ein Magnetresonanztomogramm angefertigt und in weiterer Folge ein arthroskopisches Vorgehen geplant. Im Zuge der Arthroskopie wird eine Abklärung auf eine posterolaterale Rotationsinstabilität anhand der Mobilisierung des Radiusköpfchens und/oder des Olecranons mit dem Wechselstab durchgeführt (Abb. 1).<sup>17</sup> Bestätigt sich der Verdacht, wird im Zuge derselben Operation der Umstieg auf eine offene Bandplastik des LUCL mit Trizepssehnenautograft durchgeführt.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Ortho_1706_Weblinks_s45_1.jpg" alt="" width="983" height="618" /><br />Hierzu konnten wir in einer prospektiven Follow-up-Untersuchung an 9 operierten Patienten (mittleres Alter 46,2 Jahre, mittleres Follow-up 17,2 Monate) eine signifikante Verbesserung sowohl von subjektiven als auch objektiven Scores zeigen. Die Gesamtzufriedenheit besserte sich deutlich auf ca. 89 % und anhand der VAS für Schmerz konnte eine signifikante Verbesserung von 8,7 auf 1,2 Punkte gezeigt werden (max. 10 Punkte). In dieser, aber auch in anderen Untersuchungen wird die LUCL-Plastik mit autologem Trizepssehnengraft als sehr gute Therapieoption bei PLRI beschrieben und anhand der Ergebnisse bestätigt.<sup>18</sup><br />Die Durchführung der „klassischen“ Epicondylitisoperationen nach Hohmann, Wilhelm und/oder Nirschl wird an unserer Klinik nicht empfohlen.</p> <h2>Fazit für die Praxis</h2> <p>Bei Therapieresistenz des lateralen Ellenbogenschmerzes über 6 Monate ist an eine weitere Abklärung zu denken. Klinische Untersuchungsmethoden liefern nur wenig Aufschluss über die posterolaterale Rotationsinstabilität, somit sollten eine weitere Diagnostik mittels Magnetresonanztomografie und gegebenenfalls eine operative Evaluation mittels Arthroskopie erfolgen. Liegt eine Instabilität bzw. eine Pathologie des LUCL vor, ist intraoperativ eine Rekonstruktion mittels eines Trizepssehnenautografts zu planen (wahlweise auch mittels eines anderen Sehnenautografts, Abb. 2). Diese Therapie liefert eine gute Patientenzufriedenheit mit altersentsprechender Beschwerdefreiheit.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Ortho_1706_Weblinks_s45_2.jpg" alt="" width="1417" height="1729" /></p></p>
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
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<p><strong>1</strong> Sanders TL et al: The epidemiology and healthcare burden of tenniselbow: a population-based study .Am J Sports Med 2015; 43: 1066-71 <strong>2</strong> Placzek R et al: Insertionstendopathien des Ellenbogens. Z Orthop Ihre Grenzgeb 2006; 144: R1-R18 <strong>3</strong> Kraushaar BS, Nirschl RP: Tendinosis of the elbow (tennis elbow). Clinical features and findings of histological, immunohistochemical, and electronmicroscopy studies. J Bone Joint Surg Am 1999; 81: 259-78 <strong>4</strong> Barr S et al: Effectiveness of corticosteroid injections compared with physiotherapeutic interventions for lateral epicondylitis: a systematic review. Physiotherapy 2009; 95: 251-65 <strong>5</strong> Buchbinder R et al: Shockwave therapy for lateral elbowpain. Cochrane Database Syst Rev 2005; (4): CD003524 <strong>6</strong> D’Vaz AP et al: Pulsed low-intensity ultrasound therapy for chronic lateral epicondylitis: a randomized controlled trial. Rheumatology (Oxford) 2006; 45: 566-70 <strong>7</strong> Labelle H, Guibert R: ) Efficacy of diclofenac in lateral epicondylitis of the elbow also treated with immobilization. Arch Fam Med 1997; 6: 257-62 <strong>8</strong> Garg R et al: A prospective randomized study comparing a forearm strap brace versus a wrist splint for the treatmentof lateral epicondylitis. J Shoulder Elbow Surg 2010; 19: 508-12 <strong>9</strong> Bisset L et al: A systematic review and meta-analysis of clinical trials on physical interventions for lateral epicondylalgia. Br J Sports Med 2005; 39: 411-22 <strong>10</strong> Vicenzino B, Wright A: Lateral epicondylalgia I: epidemiology, pathophysiology, aetiology and natural history. Physical Therapy Reviews 2013; 1: 23-34 <strong>11</strong> Degen RM et al.: Three or more pre-operative injections is the most sign. Risk factor for revision surgery after operative treatment of lateral epicondylitis: an analysis of 3862 patients. J Shoulder Elbow Surg 2017; 26(4): 704-9 <strong>12</strong> O’Driscoll SW et al: Posterolateral rotatory instability of the elbow. J Bone Joint Surg Am 1991; 73: 440-6 <strong>13</strong> O’Driscoll SW: Classification and evaluation of recurrent instability of the elbow. Clin Orthop Relat Res 2000; 370: 34-43 <strong>14</strong> ReganW, Lapner PC: Prospective evaluation of two diagnostic apprehension signs for posterolateral instability of the elbow. J Shoulder Elbow Surg 2006; 15: 344-6 <strong>15</strong> Dehlinger FI et al: LUCL-Bandplastik mit Trizepssehnentransplantat zur Therapie der posterolateralen Rotationsinstabilität am Ellenbogen. Oper Orthop Traumatol 2014; 26: 414-29 <strong>16</strong> Eygendaal D: Ligamentous reconstruction around the elbow using triceps tendon. Acta Orthop Scand 2004; 75(5): 516-23 <strong>17</strong> O’Brien MJ et al: A preliminary report of acute and subacute arthroscopic repair of the radial ulnohumeral ligament after elbow dislocation in the high-demand patient. Arthroscopy 2014; 30: 679-87 <strong>18</strong> Ries C et al: Transosseous refixation of the common extensor muscle tendons in chronic lateral epicondylitis with and without additional reconstruction of the LUCL--a retrospective evaluation of 101 patients. Z Orthop Unfall 2013; 151(3): 296-301</p>
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