
Neues aus der Nephrologie für Orthopäden
Jatros
Autor:
Dr. Felicitas Witte
30
Min. Lesezeit
15.02.2018
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<p class="article-intro">Für Orthopäden stehen nephrologische Themen in der Praxis nicht im Vordergrund. Es lohnt sich aber, über einige Neuigkeiten Bescheid zu wissen, weil man dann besser versteht, warum die Kollegen aus der Nephrologie bestimmte Therapien verordnen. Wir haben uns beim europäischen Nephrologen-Update in Wien umgehört, was für Orthopäden relevant ist.</p>
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<p class="article-content"><p>FGF-23 sei zurzeit einer der „größten Feinde“ der Nephrologen, führte Prof. Dr. Adrian Covic, Direktor der Nephrologischen Klinik und des Zentrums für Dialyse und Transplantationen in Iași, Rumänien, in das Thema ein. Hohe Level von FGF-23 sind assoziiert mit einer erhöhten Mortalität bei chronischer Niereninsuffizienz,<sup>1</sup> „aber wir haben die Mechanismen noch nicht genau verstanden“, so Covic. <br />FGF-23 steht für den Fibroblasten-Wachstumsfaktor 23 („fibroblast growth factor 23“), ein Hormon, das von den Osteoblasten sezerniert wird. Es spielt eine wichtige Rolle bei der Regulation des Phosphat- und Vitamin-D-Stoffwechsels. Ein Mangel an FGF-23 führt zu Hyperphosphatämie, einem exzessiven Anstieg von 1,25-Dihydroxyvitamin, ektopischen Kalzifikationen und vorzeitigem Tod.<sup>2–4</sup> Erhöhte Spiegel von FGF-23 können zu Hypophosphatämie, erniedrigten Vitamin-D-Spiegeln, Osteomalazie oder Rachitis führen.<sup>5–9 </sup></p> <h2>Erhöhte FGF-23-Spiegel mit höherer Mortalität assoziiert</h2> <p>Bei Patienten mit chronischen Nierenkrankheiten hält der Körper trotz immer weniger werdender Nephronen die normalen Serum-Phosphatspiegel aufrecht. Zum Teil gelingt ihm dies durch immer höhere Spiegel von FGF-23, das die übrig gebliebenen Nephrone anregt, mehr Phosphat auszuscheiden. Außerdem bremst FGF-23 die Absorption von Phosphat aus dem Darm, indem es die Synthese von 1,25-Dihydroxy-Vitamin D hemmt.<sup>10</sup> Erhöhte FGF-23-Spiegel scheinen unabhängig assoziiert zu sein mit einer erhöhten Mortalität bei Patienten, die mit der Hämodialyse beginnen.<sup>1</sup> Phosphatspiegel von >5,5mg/dl (1,8mmol/l) sind mit einem um 20 % erhöhten Mortalitätsrisiko assoziiert, im Vergleich zu normalen Phosphatspiegeln von 3,5–4,5mg/dl (1,1–1,4mmol/l). <br />„Hohe Spiegel von PTH, 1,25-Dihydroxy-Vitamin D, Phosphat und Kalzium stimulieren die FGF-23-Produktion“, resümierte Prof. Covic. „Das allein erklärt aber nicht den Anstieg von FGF-23 in einem frühen Stadium der Niereninsuffizienz.“ Dieser könnte durch die zugrunde liegende Entzündung und durch den Eisenmangel bei chronischer Niereninsuffizienz vermittelt werden, die zu einem Anstieg von FGF-23 führen. Gleichzeitig wird normalerweise der Abbau von FGF-23 in den Osteozyten hochreguliert, was den Spiegel an zirkulierendem FGF-23 konstant halten würde. Bei Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz scheint aber der Abbau von FGF-23 in den Osteozyten gestört zu sein, was zu den erhöhten Spiegeln von FGF-23 beitragen könnte.<sup>11</sup> Eine Entzündung – erkennbar durch erhöhte Konzentrationen von Interleukin 6 und CRP – und zu viel FGF-23 stellen unabhängige Risikofaktoren für eine erhöhte Mortalität bei chronischer Niereninsuffizienz dar, fassten Forscher aus den USA kürzlich zusammen.<sup>12</sup> „Wir haben Hinweise darauf, dass FGF-23 direkte pathologische Effekte auf Herz und Gefäße ausübt“, kommentierte Dr. Daniel Zickler, Facharzt für innere Medizin und Nephrologie an der Charité in Berlin. „FGF-23 wird als therapeutisches Ziel bei chronischer Niereninsuffizienz angesehen und evaluiert. Welche Bedeutung das aber in der Klinik haben könnte, können wir aktuell noch nicht abschätzen.“</p> <h2>Vitamin-D-Substitution beeinflusst Outcome nicht</h2> <p>Ein weiteres wichtiges Thema für Orthopäden auf dem Kongress war der Vi­tamin-D-Stoffwechsel. „Mit fortschreitender Niereninsuffizienz sinken die Vitamin-D-Spiegel ab, daher wird die Supplementation von Ergocalciferol empfohlen“, sagte Dr. Zickler. „Aber auch wenn wir mit der Supplementierung den Kalzium-Phosphat-Haushalt in Balance bringen und die Parathormonspiegel senken können, haben wir bisher keinen Vorteil im Hinblick auf Morbidität und Mortalität gesehen.“ Immer wieder würde Vitamin D gemessen und ein Mangel korrigiert, bestätigte Prof. Covic, obwohl es keinen Effekt auf das Outcome bei Niereninsuffizienz habe. Dies bestätigte eine Studie aus Boston.<sup>13</sup> 276 Patienten unter Hämodialyse und mit Vitamin-D-Mangel bekamen randomisiert und verblindet entweder Ergocalciferol oder Placebo. Nach 6 Monaten stieg zwar der Vitamin-D-Wert an, aber die Serumkonzentrationen von Kalzium, Phosphat, intaktem Parathormon und CRP in beiden Gruppen änderten sich nicht, und auch nicht die Dosierungen von Cinacalcet, Phosphatbindern oder Calcitriol, welche die Patienten einnahmen. Ebenso hatte die Behandlung keinen Effekt auf die Rate an Hospitalisationen. Die derzeitige KDIGO-Leitlinie<sup>14</sup> empfiehlt daher auch nicht mehr den routinemäßigen Einsatz von Calcitriol oder dessen Analoga bei chronischer Niereninsuffizienz im Stadium G3a bis G5. Allerdings erreichte die Empfehlung keinen Konsens in der KDIGO-Arbeitsgruppe. Eine Therapie mit Calcitriol und Vitamin-D-Analoga ist in Erwägung zu ziehen bei Patienten mit progressivem und schwerem sekundärem Hyperparathyreoidismus.<sup>15</sup> Wegen möglicher Nebenwirkungen sollte man mit einer geringen Dosis beginnen – unabhängig von der PTH-Konzentration – und je nach PTH-Antwort auftitrieren. Eine Hyperkalzämie sollte vermieden werden. <br />Hinsichtlich Dialysepatienten hält sich die neue Leitlinie bedeckt, weil es keine neuen Studien gibt, die einen klaren Benefit für die Patienten gezeigt hätten. Eine gute Möglichkeit, einen zu hohen PTH-Spiegel zu senken, sei auch noch die Parathyreoidektomie, so die Autoren, vor allem wenn andere PTH-senkende Therapien versagen. Dass man mit einer Langzeit-Supplementierung von Vitamin D vorsichtig sein muss, zeigte kürzlich eine Studie von Kollegen aus Deutschland und Österreich bei Patienten mit Herzinsuffizienz.<sup>16</sup> Eine tägliche Dosis von 4000 IU Vitamin D reduzierte die Mortalität nicht, die Patienten benötigten jedoch häufiger mechanische Kreislaufunterstützung.</p> <h2>Therapie mit Nephrologen abstimmen</h2> <p>Eine Alternative könnten Kalzimimetika wie Cinacalcet oder Etelcalcetid sein, berichtete Prof. Covic. Etelcalcetid ist ein synthetisches Peptid, welches den kalziumsensitiven Rezeptor an der Nebenschilddrüse aktiviert. „Etelcalcetid wurde entwickelt, um Wirksamkeit und Adhärenz im Vergleich zu Cinacalcet zu verbessern und gastrointestinale Nebenwirkungen zu reduzieren“, so Covic. In zwei parallelen, randomisierten Studien wurde Etelcalcetid gegen Placebo bei 1023 Patienten unter Hämodialyse und mit mildem bis schwerem sekundärem Hyperparathyreoidismus getestet.<sup>17</sup> Nach 26 Wochen hatte Etelcalcetid die PTH-Spiegel deutlich mehr gesenkt als Placebo. In einer anderen Studie mit 683 Patienten konnte Etelcalcetid die PTH-Werte ähnlich gut senken wie Cinacalcet; Etelcalcetid erfüllte sogar die statistischen Kriterien für Überlegenheit.<sup>18</sup> „Wir haben mit Etelcalcetid jetzt ein neues Medikament, das mindestens genauso effizient ist wie Cinacalcet oder sogar besser“, kommentierte Prof. Covic. „Das gastrointestinale Nebenwirkungsprofil ist aber ähnlich wie bei Cinacalcet, und wir haben keine harten Daten zum Outcome.“ <br />Der Kalzium-Phosphat-Haushalt bei Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz sei komplex, resümierte Dr. Zickler. „Vor jeder Behandlung sollte man Kalzium, Phosphat, Parathormon und gegebenenfalls auch Vitamin D bestimmen“, rät er. „Die Therapie bitte unbedingt mit einem Nephrologen abstimmen!“</p></p>
<p class="article-quelle">Quelle: Nephro Update Europe, 6.–7. Oktober 2017, Wien
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
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<p><strong>1</strong> Gutiérrez OM et al.: N Engl J Med 2008; 359: 584-92 <strong>2</strong> Shimada T et al.: J Clin Invest 2004; 113: 561-8 <strong>3</strong> Benet-Pagès A et al.: Hum Mol Genet 2005; 14: 385-90 <strong>4</strong> Stubbs JR et al.: J Am Soc Nephrol 2007; 18: 2116-24 <strong>5</strong> Jonsson KB et al.: N Engl J Med 2003; 348: 1656-63 <strong>6</strong> White KE et al.: J Clin Endocrinol Metab 2001; 86: 497-500 <strong>7 </strong>White KE et al.: Nat Genet 2000; 26: 345-8 <strong>8</strong> Shimada T et al.: Proc Natl Acad Sci 2001; 98: 6500-5 <strong>9</strong> De Beur SM et al.: J Bone Miner Res 2002; 17: 1102-10 <strong>10</strong> Gutiérrez OM et al.: J Am Soc Nephrol 2005; 16: 2205-15 <strong>11</strong> David V et al.: Kidney Int 2016; 89: 135-46 <strong>12</strong> Monoz Mendoza J et al.: Kidney Int 2017; 91: 711-9 <strong>13</strong> Miskulin DC et al.: J Am Soc Nephrol 2016; 27: 1801-10 <strong>14</strong> Kidney Disease Improving Global Outcomes (KDIGO) CKD-MBD Update Work Group: KDIGO 2017 Clinical Practice Guideline Update for the Diagnosis, Evaluation, Prevention, and Treatment of Chronic Kidney Disease – Mineral and Bone Disorder (CKD-MBD). Kidney Int Suppl 2017; 7: 1-59 <strong>15</strong> Ketteler M et al.: Kidney Int 2017; 92: 26-36 <strong>16</strong> Zittermann A et al.: Eur Heart J 2017; 38: 2279-86 <strong>17</strong> Block GA et al.: JAMA 2017; 317: 146-55 <strong>18</strong> Block GA et al.: JAMA 2017; 317: 156-64</p>
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