<p class="article-intro">Komorbiditäten wie Osteoporose und Diabetes mellitus beeinträchtigen die Frakturheilung. Pathogenetisch hängt dies z.B. mit mikroRNAs und Signaltransduktion zusammen. Die Inhibition dieser Vorgänge kann zu einer Verbesserung der Regeneration führen.</p>
<hr />
<p class="article-content"><p>Im Bereich der Unfallchirurgie sind Frakturen eine häufige Pathologie. Außerdem steigt das Durchschnittsalter der Patienten stetig an. Hierfür hat sich der Begriff der Alterstraumatologie etabliert. Das Auftreten von Frakturen im höheren Alter wird oft begünstigt durch Osteoporose, die bei 50–60 % der Frauen und 20–30 % der Männer vorliegt. Die Osteoporose führt nicht nur zu einer höheren Inzidenz an Frakturen, sondern auch zu einer verzögerten Frakturheilung. Dies wiederum führt zu einer Einschränkung der Lebensqualität der betroffenen Patienten, von denen die meisten bis ins hohe Alter aktiv am Leben teilnehmen möchten.<br />Neben der Osteoporose gibt es andere Komorbiditäten, die mit der Frakturheilung interferieren, wie zum Beispiel Diabetes mellitus. Die Anzahl der Patienten, die an Diabetes mellitus leiden, steigt weltweit stetig an. Einerseits ist es der Diabetes selbst, der die Knochenregeneration beeinträchtigt. Andererseits sind es auch die Komplikationen des Diabetes, wie Durchblutungsstörungen und eingeschränkte Leukozytenaktivität, die eine normale Frakturheilung verhindern.</p> <h2>Pathogenetische Vorgänge</h2> <p>Somit wird deutlich, dass Komorbiditäten einen Einfluss auf die Knochenregeneration haben. Dies ist zum Teil aberranten (molekular-)biologischen Vorgängen geschuldet. So ist bei Diabetes mellitus der Wnt-Signalweg gestört, was einen Einfluss auf die Expression von TGF-beta hat. TGF-beta spielt eine wichtige Rolle in der Frakturheilung, vor allem für die enchondrale Ossifikation. Wnt-Moleküle beeinflussen die Differenzierung von mesenchymalen Stammzellen zu Osteoblasten. In den Osteoblasten selbst tragen sie auch zu einem Erhalt des Phänotyps bei und sind involviert in der Transkription von wichtigen Faktoren der Aktivität, z.B. runX2 und Osteokalzin. <br />Im Falle der Osteoporose ist bekannt, dass dabei die Osteoprotegerin-RANK-RANKL-Achse gestört ist. Des Weiteren wurde herausgefunden, dass bestimmte Mikro-RNAs (miRNAs) pathologisch hochreguliert sind, vor allem auch im Frakturbereich. MiRNAs sind 22 Nukleotiden große Moleküle, die eine regulative Wirkung auf die Translation haben. So können sie Messenger-RNA (mRNA) inhibieren oder abbauen. Dadurch liegt dann kein Template mehr für die Translation in das dazugehörende Protein vor. Interessanterweise können mehrere miRNAs für die Inhibition einer mRNA zuständig sein. Jedoch kann eine miRNA auch mehrere mRNAs als Ziel haben. Somit ist dies ein sehr komplexes Netzwerk der Regulation. Mithilfe eines Arrays konnten 9 miRNAs identifiziert werden, die im Zusammenhang mit Schenkelhalsfrakturen bei osteoporotischen Patienten signifikant hochreguliert waren. Außerdem konnte mittels Einzelmessungen nachgewiesen werden, dass die Expression der miRNAs sehr gut mit der Knochendichte korrelierte. So wurden die miRNAs kaum bei Patienten mit einer normalen Knochendichte detektiert. Am höchsten exprimiert wurden sie bei Patienten mit der geringsten Knochendichte. Bei Patienten mit Osteopenie lagen die miRNA-Werte zwischen denen der gesunden und denen der osteoporotischen Patienten.<br />Mithilfe von Pathfinder-Software konnten mögliche Ziel-mRNAs ausgemacht werden. Tatsächlich kodierten die Ziel-mRNAs für Moleküle, die sehr wichtig für die Knochenregeneration sind, wie die Transkriptionsfaktoren runX2 und Osterix oder auch der „Bone Morphogenetic Protein“-Rezeptor 2. Analysen der mRNA-Expression dieser Moleküle konnten tatsächlich eine Verringerung der Menge in den Osteoblasten der frakturnahen Knochen nachweisen. Daher ist bei osteoporotischen Patienten eine verringerte Frakturheilung aufgrund von Abwesenheit von Schlüsselmolekülen in vielen Phasen der Osteogenese vorhanden. Dies betrifft sowohl den Zelldifferenzierungsweg von mesenchymalen Stammzellen über Osteoblasten zu Osteozyten als auch die Linie von Monozyten zu Osteoklasten. Tatsächlich findet man eine herabgesetzte Osteoblastenaktivität und eine gesteigerte Osteoklastenaktivität bei Patienten mit Osteoporose.</p> <h2>Mögliche therapeutische Beeinflussung</h2> <p>Die Frakturheilung ist bei Patienten mit Komorbiditäten durch die zuvor beschriebenen Mechanismen kompromittiert. Es wurden Moleküle, wie die des Wnt-Signalweges, und miRNAs nachgewiesen, die entscheidend zur eingeschränkten Knochenregeneration beitragen. Eine Gemeinsamkeit dieser Moleküle ist, dass sie sich am Anfang des pathogenetischen Weges befinden. Ihre Beeinflussung würde einen entsprechend weit reichenden Effekt auf die Pathologie der verzögerten Knochenheilung haben können. <br />Bei In-vitro-Versuchen mit Osteoblasten konnte gezeigt werden, dass die Inhibition von ALK zu einer verbesserten Osteoblastenaktivität unter diabetischen Umständen führte. Dies war nicht nur auf Transkriptionsebene nachzuvollziehen, sondern auch funktionell im Rahmen der Mineralisierung. <br />Bezüglich miRNA-Modulation käme für osteoporotische Patienten eine Blockierung der hochregulierten miRNAs infrage. Eine miRNA-Blockierung erfolgt durch sogenannte „Antagomirs“, die eine komplementäre Sequenz der miRNA aufweisen. Dies resultiert in einer Anhaftung der Antagomirs an die Ziel-miRNA, wodurch diese nicht mehr ihre Ziel-mRNA binden kann. Außerdem kann die miRNA auch abgebaut werden.<br />In-vitro-Versuche mit Osteoblasten von osteoporotischen Patienten zeigten, dass die Inhibierung von spezifischen, pathogenetisch relevanten miRNAs zu einer Steigerung der Osteogenese führte. Es konnte nachgewiesen werden, dass die Behandlung der Zellen mit den Antagomirs zu einer Herabsetzung der miRNA-Expression führte. Dies wiederum resultierte in einem Anstieg der Ziel-mRNA, die bis zum pathologischen Zustand herabgesetzt war (wie zum Beispiel Osterix oder „Bone Morphogenetic Protein“-Rezeptor 2). Letztlich war die Konsequenz, dass wichtige Proteine, wie Kollagen I, alkalische Phosphatase usw., hochreguliert wurden beziehungsweise wieder in normalen Konzentrationen vorhanden waren. Die Mineralisation als Marker für die Endstrecke der Osteogenese wurde dabei auch normalisiert.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Ortho_1804_Weblinks_s64_1.jpg" alt="" width="2150" height="630" /></p> <h2>Umsetzung</h2> <p>Die klinische Umsetzung zur Beschleunigung der Frakturheilung mittels Beeinflussung der besprochenen Moleküle ist sicherlich nicht einfach. Die erste Frage, die man sich stellen muss, ist, ob die Applikation des „Modulators“ (z.B. Antagomir) lokal oder systemisch erfolgen soll. Sowohl Diabetes mellitus als auch Osteoporose sind systemische Krankheiten. Daher würde eine systemische Applikation Sinn machen. Andererseits ist es das vorrangige Ziel, die Knochenregeneration lokal zu beschleunigen. Außerdem sind die Zielzellen für die Frakturheilung lokal vorhanden und zum Teil besser über eine lokale Applikation erreichbar als über eine systemische Gabe.<br />Des Weiteren ist die Applikationsart wichtig. Die Modulation sollte am besten während der gesamten Periode der Knochenheilung anwesend sein. Außerdem sollen konstante Konzentrationsniveaus bestehen. Es sollen initiale „burst releases“ vermieden werden. Somit müssen adäquate „Drug delivery“-Systeme gewählt werden, die auf die speziellen Umstände mit den Modulatoren abgestimmt sind. Im Falle der Wnt-Signaltransduktionsmoleküle sind dies Proteine, während die Antagomirs für die osteoporotische Frakturheilung aus 22 Nukleotiden bestehen. Im letzteren Fall ist auch eine Transfektion der Zielzellen notwendig. Es gibt klinische Studien mit Transfektionsreagenzien, aber klinisch durchgesetzt hat sich in diesem Bereich noch nichts.</p> <h2>Fazit</h2> <p>Komorbiditäten haben spezifische molekulare Signaturen, die man mittels spezifischer Effektormoleküle modulieren kann, sodass deren pathologische Effekte minimiert werden. Jedoch ist eine klinische Umsetzung noch sehr schwierig. Geeignete „Delivery“-Systeme müssen entwickelt beziehungsweise getestet werden. Dieser Ansatz zielt auf die Modulation von gesamten pathogenetischen Wegen und nicht auf einzelne Endstreckenmoleküle.</p></p>
<p class="article-footer">
<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p>bei den Verfassern</p>
</div>
</p>