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Knochenverlust in der Revisionsendoprothetik des Kniegelenks
Jatros
Autor:
Dr. Sebastian Klim
Universitätsklinik für Orthopädie und Traumatologie, Medizinische Universität Graz<br> E-Mail: sebastian.klim@klinikum-graz.at
Autor:
Assoz. Prof. Priv.-Doz. Dr. Mathias Glehr
Universitätsklinik für Orthopädie und Traumatologie, Medizinische Universität Graz
30
Min. Lesezeit
11.07.2019
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<p class="article-intro">Viele Details machen die Revision einer Knietotalendoprothese zu einem komplexen Unterfangen – nur bei adäquater Adressierung sämtlicher Faktoren sind optimale Voraussetzungen für ein gutes Outcome gegeben. Einen Hauptfaktor stellt der epi- und metaphysäre Knochenverlust dar, insbesondere nach multiplen Voroperationen.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Ein führendes Problem der KTEP-Revision sind Knochendefekte und die damit verbundene erschwerte Verankerung der Komponenten. Eine Fixierung in 2 von 3 Zonen ist anzustreben.</li> <li>Präoperative Defektanalyse mittels Bildgebung und Planung der Behandlungsstrategie sind entscheidend für den langfristigen Therapieerfolg. Die Defektgröße wird eher unter- als überschätzt.</li> <li>Metaphysäre Sleeves kommen in AORI-Grad II–III zum Einsatz, sorgen in Kombination mit STEMs für eine verbesserte Kraftübertragung in Epi-, Metaund Diaphyse sowie für Langzeitstabilität via Osseointegration.</li> <li>Bei ausgeprägten Grad-IIIDefekten spielt die Erfahrung des Chirurgen in Planung und Anwendung der beschriebenen Techniken (auch kombiniert) eine entscheidende Rolle.</li> </ul> </div> <p>Trotz der Erfolgsgeschichte der Knietotalendoprothetik (KTEP) ist in rund 6,5 % der Fälle nach 5 Jahren ein Revisionseingriff notwendig.<sup>1</sup> Die Gründe dafür sind vielfältig; zwei Hauptursachen einer KTEPRevision sind die periprothetische Infektion (PJI, ca. 15 % ) und die aseptische Lockerung (ca. 30 % ).<sup>2</sup> Insbesondere im Falle einer PJI ist mit erhöhtem epi- und metaphysärem Knochenverlust aufgrund eines zweizeitigen Wechsels mit temporärem Zementspacer bzw. wegen oft multipler Voroperationen zu rechnen. Dies kann die suffiziente Verankerung einer Revisionsendoprothese deutlich erschweren und muss vom Operateur entsprechend berücksichtigt werden.</p> <h2>Klassifikation</h2> <p>Im Zuge der präoperativen Planung werden die ersten Einschätzungen der zu erwartenden Knochendefekte bereits präoperativ mittels Bildgebung (Röntgen, CT) gewonnen. Zumeist wird das tatsächliche, intraoperativ ersichtliche Defektausmaß jedoch etwas unterschätzt.<sup>3</sup> Es existieren mehrere Klassifikationen zur Einteilung der heterogenen Gruppe der metaphysären Knochendefekte. Die meistgenutzte ist die Klassifikation des Anderson Orthopaedic Research Institute (AORI) nach Engh (Abb. 1, Tab. 1).<sup>4</sup> Diese Klassifikation unterscheidet 4 Gruppen unterschiedlicher Defektausmaße.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Ortho_1904_Weblinks_jatros_ortho_1904_s17_abb1_klim.jpg" alt="" width="425" height="395" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Ortho_1904_Weblinks_jatros_ortho_1904_s16_tab1_klim.jpg" alt="" width="550" height="413" /></p> <h2>Behandlung</h2> <p>Um die in der Revisionsendoprothetik anzustrebende Fixierung in 2 von 3 Zonen zu erreichen (Epi-, Meta- und Diaphyse, Konzept der Zonen-Fixierung<sup>5</sup>) ist bei vorhandenen Defekten zunächst auf die Behandlung dieser zu achten. Die Methoden reichen vom Einbringen kleinerer Mengen Knochenzements bis hin zu Knochengrafts, Metallaugmenten und metaphysären Sleeves und Cones. Die empfohlenen Methoden sind im Folgenden nach dem Defektgrad gelistet.</p> <p><strong>Grad I</strong><br /> Bei in sich geschlossenen Defekten kann eine schlichte Auffüllung mit Knochenzement erfolgen – diese Technik ist jedoch aufgrund der unterlegenen Kraftübertragung im Vergleich zu spongiösem Knochen sowie der Ermüdungseigenschaften des Zements in erster Linie auf kleinere Defekte bei Patienten mit niedrigem Leistungsanspruch beschränkt. Eigen- oder Fremdtransplantate von spongiösem Knochen können mit dem Stößel eingeschlagen werden und bieten im Vergleich zu Knochenzement verschiedene Vorund Nachteile. Oftmals können in der postoperativen Bildgebung eine Integration sowie Remodellierung des eingebrachten Knochens beobachtet werden. Es besteht jedoch auch die Gefahr der Resorption und Malunion dieser je nach Defektgröße mit beträchtlichem Aufwand verbundenen Technik.<sup>6, 7</sup></p> <p><strong>Grad IIa/IIb</strong><br /> Ausgeprägte epi- und metaphysäre Defekte müssen auf unterschiedliche Art und Weise, je nach Lokalisation und Ausmaß, adressiert werden. Prothesenaugmente in Form von Blöcken und Keilen (ca. 5–15 mm) erlauben es dem Operateur, die Revisionsprothese individuell an die intraoperativen Gegebenheiten anzupassen und so eine möglichst große Auflagefläche zu schaffen. Weiters können die Höhe des Gelenksspalts (sowie Beuge- und Streckspalt-Balancierung) und das Alignment wiederhergestellt werden. Strukturelle (Bulk-)Knochentransplantate bieten die Möglichkeit des Wiederaufbaus des Patientenknochens und minimieren somit den Knochenverlust. Die Vorteile dieser Technik umfassen die hohe Flexibilität und die Möglichkeit, auch größere, die Corticalis betreffende Defekte aufzufüllen. Die Nachteile sind, neben den wie bereits bei spongiösen Transplantaten beschriebenen, die notwendige Erfahrung mit dieser komplexen Rekonstruktionsmethode wie auch die oft schlechte Verfügbarkeit geeigneter Fremdknochen.<sup>7, 8</sup></p> <p><em>Metaphysäre Sleeves und Cones</em><br /> Einen anderen Behandlungsansatz bieten die in verschiedenen Größen erhältlichen metaphysären Sleeves und porösen Cones. Diese werden nach entsprechender Präparation (Nachteil: Knochenverlust), welche sich im Vergleich zu anderen Techniken einfacher gestaltet, in die Metaphyse eingebracht. Mittels gleichmäßiger Verteilung der biomechanischen Kräfte (in Kombination mit STEMs auf 3 Zonen) ist die unmittelbar postoperative Vollbelastung die Regel. Die Osseointegration im Bereich der porösen Oberfläche sorgt laut rezenten mittelfristigen Studienergebnissen beider Techniken für niedrige aseptische Lockerungsraten (0–3 % ).<sup>9–12</sup> In einer retrospektiv untersuchten Patientenkohorte, welche an der Universitätsklinik für Orthopädie und Traumatologie Graz im Zeitraum zwischen 2005 und 2015 eine KTEP-Revision mittels metaphysärer Sleeve-Verankerung erhielt, konnten diese Ergebnisse bestätigt werden. Die Untersuchung umfasste 92 Patienten und zeigte bei einem mittleren Follow-up von 6,3 Jahren 0 % aseptische Lockerungen, zufriedenstellende Scores (Knee Society Score, WOMAC, SF-36) sowie radiologische Zeichen der Osseointegration an der Knochen-Sleeve-Oberfläche in 97 % .<sup>13</sup></p> <p><strong>Grad III</strong><br /> Aufgrund der ein- oder beidseitigen Kollateralbandinsuffizienz ist bei Knochendefekten Grad III nach AORI ein (teil-)gekoppeltes bzw. achsengeführtes Prothesendesign zu wählen. Zur Behandlung der ausgeprägten Knochendefekte und suffizienten ossären Prothesenverankerung erweisen sich wiederum die bereits beschriebenen Methoden (Bulk- Knochentransplantate, Augmente, metaphysäre Sleeves und Cones) als Mittel der Wahl. Diese können auch in Kombination angewandt werden. Speziell angefertigte Komponenten und/oder Tumorprothesen kommen in Fällen zum Einsatz, in denen die bereits beschriebenen Methoden nicht ausreichen, um einen suffizienten Halt zu gewährleisten.<sup>14</sup> Die exakte präoperative Bildgebung zur Erhebung der knöchernen Verhältnisse (Dünnschicht- CT distales Femur, proximale Tibia) und die individuelle Fallplanung spielen in diesen Fällen eine wichtige Rolle.</p></p>
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<p><strong>1</strong> Labek G et al.: Revision rates after total joint replacement: cumulative results from worldwide joint register datasets. J Bone Joint Surg Br 2011; 93(3): 293-7 <strong>2</strong> Sadoghi P et al.: Revision surgery after total joint arthroplasty: a complicationbased analysis using worldwide arthroplasty registers. J Arthroplasty 2013; 28(8): 1329-32 <strong>3</strong> Mulhall KJ et al.: Radiographic prediction of intraoperative bone loss in knee arthroplasty revision. Clin Orthop Relat Res 2006; 446: 51-8 <strong>4</strong> Engh GA, Ammeen DJ: Bone loss with revision total knee arthroplasty: defect classification and alternatives for reconstruction. Instr Course Lect 1999; 48: 167-75 <strong>5</strong> Morgan-Jones R et al.: Zonal fixation in revision total knee arthroplasty. Bone Joint J 2015; 97-B(2): 147-9 <strong>6</strong> Huff TW, Sculco TP: Management of bone loss in revision total knee arthroplasty. J Arthroplasty 2007; 22(7 Suppl 3): 32-6 <strong>7</strong> Sculco PK et al.: The management of bone loss in revision total knee arthroplasty: rebuild, reinforce, and augment. Bone Joint J 2016; 98-B(1 Suppl A): 120-4 <strong>8</strong> Cuckler JM: Bone loss in total knee arthroplasty: graft augment and options. J Arthroplasty 2004; 19(4 Suppl 1): 56-8 <strong>9</strong> Graichen H et al.: Direct, cementless, metaphyseal fixation in knee revision arthroplasty with sleeves - short-term results. J Arthroplasty 2015; 30(12): 2256-9 <strong>10</strong> Martin-Hernandez C et al.: Mid-term results for metaphyseal sleeves in revision knee surgery. Knee Surg Sports Traumatol Arthrosc 2017; 25(12): 3779-85 <strong>11</strong> Kamath AF et al.: Porous tantalum metaphyseal cones for severe tibial bone loss in revision knee arthroplasty: a five to nine-year follow-up. J Bone Joint Surg Am 2015; 97(3): 216-23 <strong>12</strong> Lachiewicz PF, Watters TS: Porous metal metaphyseal cones for severe bone loss: when only metal will do. Bone Joint J 2014; 96-B(11 Supple A): p. 118-21 <strong>13</strong> Klim SM et al.: Septic revision total knee arthroplasty: treatment of metaphyseal bone defects using metaphyseal sleeves. J Arthroplasty 2018; 33(12): 3734-8 14 Ponzio DY, Austin MS: Metaphyseal bone loss in revision knee arthroplasty. Curr Rev Musculoskelet Med 2015; 8(4): 361-7</p>
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</p>