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15 Jahre Gleitnagel im LKH Hall – Lernen aus Fehlern!?

<p class="article-intro">Seit 15 Jahren verwenden wir den Gleitnagel zur Versorgung instabiler per-, subtrochantärer und proximaler Oberschenkelfrakturen – anfänglich im Wettstreit mit anderen intramedullären Kraftträgern und der DHS. Zwischenzeitlich verwenden wir ausschließlich den Gleitnagel, nachdem durch Modifikation der OP-Technik Klingenverluste, Cut-outs, Pseudoarthrosen oder auch Implantatversagen nur mehr eine ausgesprochene Rarität darstellen.</p> <hr /> <p class="article-content"><p class="Copy-Initial">Laut Ausz&auml;hlung der OP-Berichte haben wir seit dem Jahre 2000 knapp 1.000 Gleitn&auml;gel, 273 DHS und 39 Y-N&auml;gel implantiert. W&auml;hrend in den ersten Jahren noch die DHS &uuml;berwog, verwendeten wir ab dem Jahre 2004 mehrheitlich und seit bald zehn Jahren fast ausschlie&szlig;lich den Gleitnagel zur Versorgung per- und subtrochant&auml;rer Oberschenkelfrakturen (ca. 80&ndash;90x/Jahr).</p> <h2>Warum haben wir auf den Gleitnagel gewechselt?</h2> <p>Nachdem wir unsere Anfangsprobleme &uuml;berwunden und unsere ersten Lehren gezogen hatten, waren bei uns die implantatassoziierten Komplikationen beim Gleitnagel deutlich geringer als bei den anderen zuvor verwendeten Implantaten.</p> <h2>Welches waren implantatbezogen die Hauptprobleme?</h2> <p>Anf&auml;nglich wurden im Rahmen der Frakturversorgung bei allen Gleitn&auml;geln entsprechend den Empfehlungen in der damaligen OP-Anleitung die Verriegelungsl&ouml;cher statisch besetzt, um eine ausreichende Stabilit&auml;t der Frakturversorgung zu gew&auml;hrleisten. Zudem legten wir anf&auml;nglich nicht ausreichend viel Wert auf das Schlie&szlig;en des iatrogen durch Lagerung am Extensionstisch entstandenen Frakturspaltes. Durch das postoperative Mobilisieren des Verletzten schloss sich zwar meist der Frakturspalt, aber die Klinge des Gleitnagels rutschte hierbei immer nach lateral. Leider mussten wir so viermal innerhalb der ersten 97 Gleitnagelversorgungen einen Klingenverlust hinnehmen.</p> <h2>Wie konnten wir das Problem des Klingenverlustes beseitigen?</h2> <p>Wir analysierten unsere gelungenen, weniger gelungenen und gescheiterten Gleitnagelversorgungen und kamen zu dem Schluss, dass der Gleitnagel eine anhaltende Frakturdiastase sehr schlecht toleriert und dass bei Belastung die Klinge immer rutscht, bis die Bruchfragmente Kontakt bekommen. Prim&auml;r versuchten wir nun, den Frakturspalt mittels Hammerschl&auml;gen auf den Kragen der Klinge und &ndash; nach Modifikation des Klingenkragens 2006 &ndash; mittels eines Reduktionst&ouml;&szlig;els zu schlie&szlig;en, was bei vorhergehendem Nachlassen des Zugs am Extensionstisch auch gut bewerkstelligbar war und ist. Seitdem wir im Wissen, dass jeder Bruch zum Heilen Kontakt braucht, nur mehr die Verriegelungsl&ouml;cher dynamisch besetzen, beobachten wir zumeist eine kn&ouml;cherne Heilung binnen vier bis acht Wochen (gl&uuml;cklicherweise d&uuml;rfen wir noch unsere Patienten nachbetreuen und selbst kontrollieren, was die Grundvoraussetzung f&uuml;r jegliche Qualit&auml;tskontrolle darstellt.) Zudem verklemmt sich wohl auf diese Art der Nagel ein wenig gegen die Klinge, sodass wir seitdem (au&szlig;er einmal bei einer Nichtber&uuml;cksichtigung dieser OP-Prinzipien) keinen weiteren Klingenverlust mehr hinnehmen mussten.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2016_Jatros_Ortho_1606_Weblinks_s65.jpg" alt="Abb. 1" width="1051" height="865" /></p> <h2>Probleme mit dem Cut-out</h2> <p>Zweimal mussten wir in den Anf&auml;ngen ein Cut-out hinnehmen, da der Nagel nicht &uuml;ber die Trochanterspitze, sondern &uuml;ber die Fraktur eingebracht wurde und gleichzeitig die dabei entstandene Varisierung des Schenkelhalses intraoperativ durch Zug am Extensionstisch nicht behoben wurde, sodass die Klinge von Anfang an zu hoch zu liegen kam und bei fehlender medialer Abst&uuml;tzung bei mehr werdendem Varus des Schenkelhalses nach kranial durchschneiden musste. Deshalb sind f&uuml;r uns die m&ouml;glichst exakte Reposition der Fraktur und ggf. auch eine Korrektur w&auml;hrend der OP ebenso wie das Einbringen des Nagels &uuml;ber die Trochanterspitze ein Muss.</p> <h2>Probleme mit zentralen Klingenperforationen</h2> <p>Dieses Problem hatten wir einmal im Jahr 2006. Seit dem Designwechsel der Klinge kann diese theoretisch bis auf Anschlag an den lateralen Nagelrand im Knochen vorgeschlagen werden. Bei dynamischer Verriegelung kommt es jedoch zu einer Relativbewegung des Nagels im Knochen, sodass die Klinge unter einer Knochenschuppe zu liegen kommen kann. Will die Klinge gleiten, da der Bruchspalt nicht ausreichend behoben worden ist, wird sie nun daran gehindert und perforiert im Falle einer Ann&auml;herung der Bruchfragmente gegeneinander nun nach zentral. Deshalb ist es bei uns ein Muss, dass der laterale Klingenrand knapp au&szlig;erhalb der Oberschenkel-Kortikalis zu liegen kommt!</p> <h2>Probleme mit Frakturpseudoarthrosen</h2> <p>Probleme mit Frakturpseudoarthrosen traten zweimal bei pertrochant&auml;ren Frakturen und einmal bei einer subtrochant&auml;ren Fraktur auf. Dabei wurden die iatrogen entstandenen Frakturdiastasen intraoperativ falsch eingesch&auml;tzt und unzureichend intraoperativ behoben. Durch Verwendung des Reduktionst&ouml;&szlig;els bzw. durch Nachlassen des Zugs am Extensionstisch bei subtrochant&auml;ren Frakturen sowie aktives Stauchen des Beines &uuml;ber die Halterung l&auml;sst sich die k&uuml;nstliche Diastase meist gut beseitigen. Dies ist ein absolutes Muss!</p> <h2>Probleme mit Implantatbr&uuml;chen</h2> <p>Diese traten insgesamt dreimal auf. In allen F&auml;llen war die per- oder subtrochant&auml;re Diastase nicht ausreichend beseitigt worden, sodass mangels Kontaktes der Bruchfragmente die Fraktur erst heilen konnte, als der Nagel am Kragen gebrochen war. Ein fr&uuml;hzeitiges Entfernen der Gleitlochschraube im Bedarfsfall, &auml;hnlich wie beim Unterschenkel, hilft bei der Vorbeugung einer Pseudoarthrose oder eines Implantatversagens immens.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2016_Jatros_Ortho_1606_Weblinks_s66.jpg" alt="Abb.2-4" width="1417" height="1166" /></p> <h2>Wann und von wem werden bei <br />uns h&uuml;ftgelenksnahe Oberschenkel&shy;frakturen versorgt?</h2> <p>Der Eingriff erfolgt m&ouml;glichst zeitnah zum Unfall, zumeist im Dienst, sofern eine OP-Freigabe besteht, und wird auch von Assistenz&auml;rzten im zweiten Ausbildungsjahr, sofern entsprechend eingeschult und versiert, selbstst&auml;ndig durchgef&uuml;hrt.</p> <h2>Welches sind die aktuellen Probleme beim Umgang mit dem Gleitnagel?</h2> <p>Bei exakter Reposition und intraoperativem Schlie&szlig;en des Frakturspaltes heilt der Bruch zumeist problemlos. Aber diese Erkenntnis birgt auch die Gefahr, dass man unvorsichtig wird, sich mit mittelm&auml;&szlig;igen Klingenlagen zufrieden gibt und so unn&ouml;tigerweise m&ouml;gliche Komplikationen hervorruft. Durch Einhalten der &bdquo;To do&ldquo;-Liste (Tab. 1) konnten die implantatassoziierten und im OP revidierten Komplikationen gegen&uuml;ber den ersten Jahren deutlich gesenkt werden. Es gab bei uns Jahre ohne Revisionseingriff nach Gleitnagelversorgungen. (Ob diese evtl. in anderen Kliniken durchgef&uuml;hrt wurden, ist uns allerdings nicht bekannt.)</p> <h2>Nagel und Einschlagsystem entsprechen wohl nicht einem modernen, dynamischen <br />Design, oder?</h2> <p>Der Nagel selbst ist zeitlos. Das Einschlagsystem ist allerdings in die Jahre gekommen. Wir verwenden zudem nur den alten Stahlb&uuml;gel, da wir intraoperativ &ouml;fter auf diesen schlagen, bis sich der Nagel zum Einbringen des F&uuml;hrungsstiftes f&uuml;r die Klinge in der idealen Position befindet. Mit dem Kompressionsst&ouml;&szlig;el schlagen wir auf die Schutzh&uuml;lse, bis diese den Oberschenkelknochen auf den Schenkelhals dr&uuml;ckt &ndash; aber nur bei nachgelassenem Zug am Extensionstisch! Das ist vielleicht nicht besonders &bdquo;stylisch&ldquo;, aber einfach und ausgesprochen effektiv.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2016_Jatros_Ortho_1606_Weblinks_67.jpg" alt="Abb. 5,6;Tab. 1" width="1554" height="1084" /></p> <h2>Vorteile des Geitnagels gegen&uuml;ber anderen Implantaten</h2> <p>Ich bin im allt&auml;glichen Umgang nicht mit anderen intramedull&auml;ren Implantaten vertraut. Aber beim Gleitnagel habe ich noch nie ein Verrotieren der fixierten Kopfkalotte gesehen. Das H-Profil (Doppel-T) der Klinge ist offensichtlich sehr rotationsstabil. Es bedarf keiner zus&auml;tzlichen Zementaugmentation, keiner zweiten Klinge oder &Auml;hnlichem. <br />Das Schlie&szlig;en des Frakturspaltes scheint mir das Tor zum Erfolg zu sein und mit dem Reduktionsst&ouml;&szlig;el und dem Stauchen des Beines nach Nachlassen des Zugs am Extensionstisch gelingt das fast m&uuml;helos. Derartige Tools gibt es derzeit, meines Wissens, bei den meisten anderen intramedull&auml;ren Krafttr&auml;gern nicht. Auch, glaube ich, ist es sehr wertvoll, dass die Klinge eingeschlagen wird und daher nicht noch zus&auml;tzliches Knochenmaterial mit dem Bohren geopfert wird. Zwar schaut der Gleitnagel im R&ouml;ntgen recht wuchtig aus, aber im Querschnitt ist er dank des H-Profils fast &bdquo;zart&ldquo; und trotzdem &auml;u&szlig;erst stabil. <br />Ich habe auch schon viele Br&uuml;che heilen gesehen, obwohl die Klingenlage suboptimal war. Der Gleitnagel ist erfreulicherweise fehlerverzeihend, sofern man es nicht &uuml;bertreibt und die &bdquo;To do&ldquo;-Prinzipien einh&auml;lt. Der Bruch heilt zumeist so, wie er den OP verl&auml;sst.</p> <p><em>Dank an meine Kollegen und Freunde f&uuml;r die Hilfe beim OP-Bericht-Ausheben: Dr. Fabian Mores und Dr. Fabian Gerber; geistiger Miteigent&uuml;mer: OA Dr. Schahin Dehbalaien</em></p></p>
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