<p class="article-intro">Ein optimales Patientenmanagement sowie ökonomisches und kosteneffizientes Denken und Handeln sind von zunehmender Bedeutung angesichts des steigenden Bedarfs an Primärendoprothetik und Revisionsoperationen. In diesem Sinne hat die Verhinderung von kardiovaskulären Ereignissen durch Blut- und Blutungsmanagement im elektivchirurgischen Bereich einen besonders hohen Stellenwert. In der aktuellen Literatur gibt es derzeit keine Evidenz hinsichtlich Retransfundierbarkeit von autologem Blut bei Revisionsoperationen von Prothesen mit Metall-Metall-Gleitpaarungen. </p>
<hr />
<p class="article-content"><p>Der künstliche Gelenksersatz stellt die Endstufe der Versorgung von degenerativen Gelenkserkrankungen dar. Die Anzahl der Versorgungen mit Endoprothesen steigt stetig – bedingt durch das Älterwerden der Bevölkerung, die steigenden funktionellen Ansprüche der Patienten, die verbesserten Operationstechniken wie auch durch die Verbesserung der Produktqualität und Haltbarkeit der Endoprothesen. Im Kontext dazu steht einerseits der Druck zur Kostenoptimierung bei operativen Eingriffen, andererseits die Verbesserung des prä-, peri- und postoperativen Patientenmanagements. Hierzu gehört auch das Blut- und Blutungsmanagement.<sup>1</sup></p> <p>Homologe Bluttransfusionen können gelegentlich nach Primärendoprothetik, häufiger jedoch nach länger dauernden Revisionsoperationen notwendig werden. Sie können bekanntlich – in Abhängigkeit von der Menge der benötigten Blutprodukte – die Gesamtkosten des Eingriffes erhöhen. Im Allgemeinen besteht jedoch, bedingt durch Nebenwirkungen, ein restriktiver Umgang mit Transfusionen. <br /> Ein Faktum ist, dass allogene Bluttransfusionen ein erhöhtes Risiko für unerwünschte, teilweise auch lebensbedrohliche Nebenwirkungen verursachen können. Die transfusionsassoziierte akute Lungeninsuffizienz (TRALI) oder die hämolytische Transfusionsreaktion sind zwei der gefährlichsten Komplikationen. Des Weiteren können nicht hämolytische febrile Transfusionsreaktionen (NHFTR), allergische Reaktionen oder immunmodulatorische Effekte auftreten. Durch eine Verbesserung der Untersuchungsmethoden innerhalb der letzten Jahre konnte allerdings die Übertragung von Infektionskrankheiten wie Hepatitis und HIV reduziert werden.<sup>2</sup> <br />Einige Studien zeigten, dass es nach Verwendung von allogenen Blutprodukten zu einem schlechteren postoperativen Outcome und erhöhten Infektionsraten kam.<sup>3</sup></p> <p>Neben der präoperativen Erythro­poetin(EPO)-Stimulation und der Optimierung des Eisenstatus haben sich auch die autologe Blutspende präoperativ sowie die peri- und postoperative Eigenblutsammlung mithilfe von Autotransfusionssystemen wie dem Cell Saver® oder dem OrthoPAT® bzw. diversen Drainagesystemen bewährt.<sup>2</sup> Die Retransfusion von gefiltertem Eigenblut, welches mit den unterschiedlichen Drainagesystemen gesammelt werden kann, hat sich als relativ günstige und simple Methode etabliert. <br /> Auch wenn viele Autorengruppen sich mit der Thematik des optimalen Blut- und Blutungsmanagements beschäftigt haben, konnte bisher keine optimale Kombination der diversen Maßnahmen als Goldstandard definiert und etabliert werden. <br /> Sizer et al zeigten aktuell, dass eine präoperative Anämie, multiple Komorbiditäten, eine verlängerte Operationszeit sowie die postoperative Antikoagulation wesentlichen Einfluss auf den Blutverlust und die Transfusionsrate haben.<sup>3</sup> <br /> Baker et al zeigten in einer Studie, dass es unter Anwendung von Tranexamsäure zu einer Verminderung des Blutverlustes und somit zur Reduktion der Notwendigkeit einer Retransfusion kam.<sup>4</sup> Abgesehen davon wurde keine Erhöhung der Komplikationsraten beobachtet, andererseits konnte aber auch keine Verkürzung des stationären Aufenthaltes erreicht werden. <br />Holt et al berichteten in einer rezenten Studie über die Implementierung eines multimodalen, interdisziplinären Konzeptes zur Optimierung des Blut- und Blutungsmanagements von Hüft- und Knieendoprothetikpatienten.<sup>5</sup> Dieses umfasst die präoperative Hämoglobin(Hb)-Anpassung inklusive der Anwendung diverser Stimulanzien wie EPO, die Minimierung des intraoperativen Blutverlustes sowie die Anwendung evidenzbasierter Transfusionsprotokolle.</p> <p>Seit Beginn der Hüftendoprothetik wird versucht, das „perfekte“ Implantat zu designen. Im Laufe der Jahre wurden viele Implantatkonzepte entwickelt, getestet, etabliert oder teilweise auch wieder vom Markt genommen. Dies betrifft unterschiedliche Schaftdesigns – vom Geradschaft über den anatomisch geformten Schaft bis zum Kurzschaft –, diverse Pfannendesigns und auch verschiedene Gleitpaarungen. Als Urform der Gleitpaarungen wird Metall-Polyethylen angesehen, eine Kombination, die auch heute noch ein breites Anwendungsgebiet findet.<sup>6</sup> Zu Beginn der Metall-Polyethylen-Ära ergaben sich Probleme mit erhöhten Abriebraten und in der Folge aseptischen Prothesenlockerungen, welche aber bald durch die Entwicklung von hochvernetzten und ultrahochvernetzten Polyethylenen gelöst werden konnten. <br />Im Laufe der Zeit und der Entwicklungsarbeit im Bereich der Tribologie erfolgte die Implementierung von diversen Hart-hart-Gleitpaarungen in der Hüftendoprothetik mit Metall-Metall oder Keramik-Keramik als den bekanntesten Vertretern, wobei sich die letztgenannte Kombination heutzutage als Goldstandard durchgesetzt hat. Auch bei der ersten Generation der Metall-Metall-Gleitpaarungen in den 1970er-Jahren kam es zu Problemen mit Abrieb und Prothesenlockerungen, sodass diese nicht lange Zeit verwendet wurden. Als „Metasul-Generation“ erlebte die Metall-Metall-Gleitpaarung in den 1980er-Jahren ein Revival mit hervorragenden Ergebnissen,<sup>7, 8</sup> konnte sich jedoch nicht gegen die zunehmende Keramik-Keramik-Dominanz behaupten.<sup>9, 10</sup></p> <p>Zu Beginn des 21. Jahrhunderts wurde neuerlich versucht, Metall-Metall-Gleitpaarungen – in Form von Großkopfprothesen – am Markt einzuführen. Propagiert wurden eine knochensparende Operationstechnik bei Oberflächenersatz (Resurfacing), ein verbessertes Abriebverhalten und eine bessere Beweglichkeit. Daher beschrieb man diese Implantate als für junge, sportlich aktive Patienten am besten geeignet.<sup>11, 12</sup> Anfangs wurden in der Fachliteratur zufriedenstellende Ergebnisse aller sich am Markt befindlichen Prothesensysteme publiziert, aber nach relativ kurzer Anwendungsdauer zeigten Registerdaten aus England, Schottland, Wales und Australien steigende Revisionsraten für Metall-Metall-Gleitpaarungen.<sup>13, 14</sup> <br />Dies führte sogar so weit, dass ein weltweit führender Hersteller sein im Portfolio befindliches Implantat in Form einer groß angelegten Recall-Aktion vom Markt nehmen musste.<sup>11, 12</sup></p> <p>Bei Patienten mit der Versorgungsvariante Metall-Metall-Gleitpaarung wurden Kobalt(Co)- und Chrom(Cr)-Messungen im Blut als Indikatoren für die Performance bzw. das Abriebverhalten eingeführt. Was diese Thematik betrifft, wurde der Verlauf der Metallionenkonzentrationen im Blut in der Fachliteratur mehrfach dargestellt und beschrieben.<sup>15</sup> <br />Bei steigenden Revisionszahlen – fast 40–45 % in der aktuellen Literatur – sind die Metallionenkonzentrationen im Blut mehr in den Fokus des Interesses gerückt, ebenso wie die bildgebende Diagnostik. In vielen Studien konnte eine Korrelation zwischen hohen Co- und Cr-Konzentrationen im Blut und steigenden Revisionszahlen gezeigt werden.<sup>16–21</sup> <br />Anerkannte Risikofaktoren für erhöhten Abrieb sind kleinere Implantatgrößen unter 50mm, Fehlpositionierungen (steile Inklination und reduzierter „arc of cover“) und das weibliche Geschlecht.<sup>15</sup> Zusätzlich werden die Co- und Cr-Konzentrationen im Blut durch mehrere Faktoren, wie Implantatdesign, die Zusammensetzung der Metalllegierung und Korrosion des Implantates, beeinflusst. Zuvor unbekannte Weichteilreaktionen („adverse reactions to metal debris“, ARMD), welche in erster Linie durch Abriebpartikel provoziert werden, spielen ebenfalls eine nicht unwesentliche Rolle beim Thema Implantatversagen und Revisionsgrund.<sup>22</sup></p> <p>Derzeit sind die Langzeitfolgen einer Exposition gegenüber hohen Metallionenkonzentrationen im Blut nicht abschätzbar. Neurotoxische und kardiovaskuläre Reaktionen wurden beschrieben, auf zellulärer Ebene werden ebenfalls Interaktionen vermutet und beschrieben. Des Weiteren wurden Fallberichte über Kointoxikationen nach Revisionen von Hüfttotal­endoprothesen publiziert,<sup>23–25</sup> eine kanzerogene Wirkung konnte bis jetzt nicht nachgewiesen werden.<sup>26</sup> Die systemische Elimination der Metallionen erfolgt hauptsächlich über die renale Ausscheidung, wobei Co schneller ausgeschieden wird als Cr, da dieses tubulär rückresorbiert wird. Im Falle einer Erhöhung der Metallionenkonzentrationen im Blut über 7μg/L wird seitens der größten orthopädischen Gesellschaften (AAOS, EFORT und British Hip Society) die Implantatrevision empfohlen. Ebenso wird die Revision bei symptomatischen Patienten mit Schmerzen und/oder Bewegungseinschränkung oder bei Auftreten einer ARMD in einem schnittbildgebenden Verfahren (MRT ± „metal artefact reduction sequence“, MARS, oder CT) empfohlen. Bei Intoxikationserscheinungen wird zusätzlich eine Chelatorentherapie vorgeschlagen.<sup>23–25</sup></p> <h2>Studie</h2> <p>Durch den unerwarteten Anstieg der Revisionszahlen bei Metall-Metall-Gleitpaarungen rückte das Thema des peri- und postoperativen Blutmanagements der betroffenen Patienten erneut in den Fokus. Das Ziel der aktuellen Fallserie war es, die Effizienz eines Autotransfusionssystems hinsichtlich Filtrations- und Reinigungsfähigkeit von Metallionen zu analysieren. <br /> Bei 3 Patienten wurden Revisionseingriffe an Hüfttotalendoprothesen mit Metall-Metall-Gleitpaarung durchgeführt. Indikationen waren Komplikationen mit dem Polyethylen-Metall-Sandwich-Inlay oder lokal massiv erhöhte Metallionenkonzentrationen im Punktat. Das durchschnittliche Follow-up seit der Primärimplantation betrug 187 Monate (Spanne: 143–212). <br /> Präoperativ erfolgten die Punktion des jeweiligen Hüftgelenks und eine Blutabnahme zur Bestimmung der Co- und Cr-Konzentrationen im Serum. Perioperativ wurde das Blut mit dem Autotransfusionssystem Cell Saver®, welches über ein integriertes Versickerungssystem verfügt, gesammelt und aufbereitet. Das gesammelte Blut wurde vor und nach der Filtration hinsichtlich der Höhe der Co- und Cr-Konzentrationen analysiert. <br /> Die durchschnittlichen präoperativen Co- und Cr-Konzentrationen im Serum bei allen drei Patienten zusammen betrugen 24,14μg/L (Spanne: 0,04 bis 71,70) und 17,78μg/L (Spanne: 0,59 bis 51,31). In den Punktaten der betroffenen Hüftgelenke waren die mittleren Konzentrationen von Co und Cr 100-fach und 255-fach höher (Mittelwerte: Co 2.451,26μg/L, Cr 4.542,68μg/L). <br />Die gemessenen Co- und Cr-Konzentrationen im gesammelten Blut vor der Ultrafiltration waren 5,68μg/L (Spanne: 0,94 bis 11,80) und 468,61μg/L (Spanne: 8,76 bis 1.383,0). Nach der Filtration verringerten sich die Metallionenspiegel deutlich zu durchschnittlichen Konzentrationen von 0,66μg/L und 46,09μg/L für Co und Cr, obwohl diese Unterschiede statistisch nicht signifikant waren (Co: p=0,127, Cr: p=0,275).</p> <h2>Schlussfolgerung</h2> <p>In der aktuellen Literatur gibt es derzeit keine Evidenz hinsichtlich Retransfundierbarkeit von autologem Blut bei Revisionsoperationen von Metall-Metall-Gleitpaarungen. Die aktuelle Fallserie hat gezeigt, dass im gesammelten Eigenblut auch nach Ultrafiltration Co- und Cr- Konzentrationen, welche über dem empfohlenen/kritischen Level von 7µg/L liegen, enthalten sind. Eine eindeutige Empfehlung hinsichtlich Verwerfen oder Retransfusion kann anhand der aktuellen Datenlage nicht gegeben werden. <br /> Zu diskutieren bleibt die Möglichkeit einer Retransfusion, unter Berücksichtigung der Tatsache, dass Co- und Cr-Ionen vom menschlichen Körper systemisch über die renale Ausscheidung eliminiert werden. Dies wurde mehrfach in den Ergebnissen nach Revisionen von Metall-Metall-Gleitpaarungen gezeigt.<sup>27</sup> <br />Die Entscheidung für eine Retransfusion liegt derzeit beim behandelnden Operateur und sollte mit dem Patienten nach exakter Aufklärung über mögliche Komplikationen und Folgen gemeinsam getroffen werden. Ob zusätzlich eine unterstützende Chelatorentherapie angewandt werden sollte, müsste im Rahmen einer klinischen Studie überprüft werden.</p></p>
<p class="article-footer">
<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p><sup>1</sup> Crescibene A et al: J Blood Transfus 2015; Art. ID 826790 <sup>2</sup> Moonen A et al: Transfusion 2007; 47: 379-8 <sup>3 </sup>Sizer SC et al: Orthop Clin North Am 2015; 46: 445-59 <sup>4</sup> Baker JE et al: Can J Anaesth 2015; 62: 1179-87 <sup>5</sup> Holt JB et al: J Arthroplasty 2016; 31: 378-82 <sup>6</sup> Evans BG et al: Orthop Clin North Am 1993; 24: 599-610 <sup>7</sup> Randelli F et al: J Arthroplasty 2012; 27: 186-92 <sup>8</sup> Saito S et al: Orthopedics 2010; 33(8); doi: 10.3928/01477447-20100625-11 <sup>9</sup> Dong YL et al: Chin Med J (Engl) 2015; 128: 1223-31 <sup>10</sup> Hu D et al: J Orthop Surg Res 2015; 10: 22 <sup>11</sup> Hug KT et al: Clin Orthop Relat Res 2013; 471: 430-38 <sup>12</sup> Whitwell GS et al: Hip Int 2012; 22: 362-70 <sup>13</sup> Matthies A et al: J Bone Joint Surg Br 2010; 93: 307-14 <sup>14</sup> Centre N: National Joint Registry for England and Wales: 7<sup>th</sup> Annual Report 2010, www.njrcentre.org.uk (2011) <sup>15</sup> Maurer-Ertl W et al: BMC Musculoskelet Disord 2012; 13: 56 <sup>16</sup> Brodner W et al: J Bone Joint Surg Br 1997; 79: 316-21 <sup>17</sup> De Smet K et al: J Bone Joint Surg Am 2008; 90(Suppl 4): 202-8 <sup>18</sup> de Steiger RN et al: Acta Orthop 2010; 81: 72-6 <sup>19</sup> Langton DJ et al: J Bone Joint Surg Br 2011; 93: 1011-6 <sup>20</sup> Nicolli A et al: J Arthroplasty 2014; 29: 1763-7 <sup>21</sup> Pelt CE et al: J Arthroplasty 2011; 26: 1494-500 <sup>22</sup> Maurer-Ertl W et al: Orthopedics 2011; 34: e678-81 <sup>23</sup> Oldenburg M et al: J Arthroplasty 2009; 24(825): e815-20 <sup>24</sup> Pazzaglia UE et al: Arch Orthop Trauma Surg 2011; 131(9): 1299-308 <sup>25</sup> Steens W et al: Orthopade 2006; 35: 860-4 <sup>26</sup> Makela KT et al: Acta Orthop 2014; 85: 32-8 <sup>27</sup> Lainiala O et al: Clin Orthop Relat Res 2015; 473: 2305-13</p>
</div>
</p>