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Inverse Schultertotalendoprothese: ein Schritt in die richtige Richtung?

<p class="article-intro">Die inverse Schultertotalendoprothese führt zu guten Langzeitergebnissen. Dieses Design gewährleistet die Reetablierung eines stabilen Drehzentrums und damit eine gute Schulterfunktionalität. Allerdings sind Revisionsraten zwischen 15 und 20 % zu erwarten. Durch die entsprechende Implantatwahl kann eine höhere Stabilität bzw. ein geringeres Luxationsrisiko gewährleistet werden. Ebenso kann das Notching, das möglicherweise für die Glenoidlockerung verantwortlich ist, minimiert werden.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Das Design der inversen Schultertotal&shy;endoprothese hat im Gelenksersatz der Schulter eine deutliche Ausweitung der M&ouml;glichkeiten gew&auml;hrleistet. Das Prinzip besteht in der Wiederherstellung eines stabilen Drehzentrums, was f&uuml;r das weichteilgef&uuml;hrte Schultergelenk sehr wichtig ist. Aufgrund des sehr erfolgreichen Konzeptes hat sich die Indikation zur Verwendung eines solchen inversen Designs sehr ausgeweitet. Es findet Anwendung bei Rotatorenmanschettenarthropathien, Tumorresektionen, wenn der Deltoideusansatz und -ursprung erhalten werden k&ouml;nnen, bei komplexen Fraktursituationen, im Speziellen bei Drei- und Vierteilfrakturen, sowie in Revisionssituationen.<br /> <br /> Nachdem auch immer mehr j&uuml;ngere Patienten mit einem solchen Prothesendesign versorgt werden, sind mittelfristige und l&auml;ngerfristige Ergebnisse gefragt. In Anlehnung an das Design von Paul Grammont (DePuy, Johnson &amp; Johnson) gibt es nun zahlreiche andere Hersteller, die ein sehr &auml;hnliches Design anbieten. Hinsichtlich der Designfrage ergeben sich mehrere M&ouml;glichkeiten, um die Haltbarkeit einer solchen Endoprothese zu verl&auml;ngern.<br /> Glenoidkomponente: Die Glenoidkomponente besteht &uuml;blicherweise aus einer Basisplatte (Metaglene), die zementfrei im Knochen verankert wird, sowie einer Halbkugel (Glenosph&auml;re), die an der Basisplatte fixiert wird.<br /> Basisplatte: Hier gibt es die M&ouml;glichkeit einer Verankerung mittels eines Zentralzapfens sowie der Verankerung mittels eines Mehrzapfen-Verankerungsprinzips.<br /> Zus&auml;tzlich wird die Basisplatte mit Schrauben im Glenoid fixiert, wobei diese entweder winkelstabil oder nicht winkelstabil gesetzt werden k&ouml;nnen. Die Glenosph&auml;re (Halbkugel) wird dann mithilfe eines Konus-press-fit-Mechanismus an dieser Basisplatte fixiert. Die Glenosph&auml;re ist designabh&auml;ngig entweder aus einer Chrom-Kobalt-Stahl-Legierung oder aus Poly&auml;thylen. Der Vorteil der Poly&auml;thylen-Glenosph&auml;re besteht darin, dass die Basisplatte (Metaglene) radiologisch besser beurteilt werden kann (Abb. 1). <br /> Die Basisplatte gibt es &uuml;blicherweise in einer Dimensionierung, ausgenommen Revisionsbasisplatten mit entsprechend l&auml;ngerem Zapfen etc. Die Glenosph&auml;re ist in unterschiedlichen Gr&ouml;&szlig;en vorhanden und die Gr&ouml;&szlig;e wird entweder durch Planung pr&auml;operativ bestimmt oder intraoperativ entsprechend der Weichteilspannung gew&auml;hlt. Gesichert ist allerdings heute, dass eine gr&ouml;&szlig;ere Glenosph&auml;re eine h&ouml;here Sicherheit hinsichtlich Luxation sowie einen gr&ouml;&szlig;eren Bewegungsumfang gew&auml;hrleistet.<br /> Die Schaftkomponente kann entweder zementiert oder zementfrei verankert werden, wobei deutlich h&auml;ufiger eine zementierte Verankerung gew&auml;hlt wird. Letztendlich ist es jedoch die Entscheidung des Operateurs, welcher Verankerungstyp verwendet wird. Der Schaft liegt entweder als Monoblock-Variante vor oder als Modularsystem. Bei den modularen Systemen kann die Retrotorsion variiert werden, bei einigen Modellen auch der Winkel zwischen Schaft und Epiphyse sowie die Lateralisierung. Modulare Sch&auml;fte finden haupts&auml;chlich in der Fraktursituation ihre Anwendung. Seit Kurzem sind auch schaftlose Varianten am Markt. Der Vorteil liegt in der Erhaltung der Knochensubstanz. Inwieweit sich die Verwendung einer schaftlosen Verankerung auf Haltbarkeit und klinisches Ergebnis auswirkt, kann derzeit nicht beantwortet werden.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Ortho_1605_Weblinks_Seite22.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <h2>Komplikationsm&ouml;glichkeiten</h2> <p><strong>Infekt:</strong> Schultertotalendoprothesen, im Speziellen inverse Schultertotalendoprothesen, haben eine deutlich h&ouml;here Infektionsrate als H&uuml;ft- und Knietotalendoprothesen. Die Rate der Infekte ist mit etwa 3 % anzusetzen. Relativ h&auml;ufig wird in den Abstrichen ein Corynebacterium acne nachgewiesen. Dementsprechend sollte auch im Rahmen der Antibiotika&shy;prophylaxe dieser Keim ber&uuml;cksichtigt werden.<br /> <br /><strong>Instabilit&auml;t:</strong> Eine Luxation, im Speziellen bei Revisionsoperationen, z&auml;hlt ebenfalls zu den h&auml;ufigeren Komplikationen nach inverser Schultertotalendoprothese. Die Instabilit&auml;tsrate kann durch Verwendung von gr&ouml;&szlig;eren Glenosph&auml;ren deutlich gesenkt werden.<br /><br /> <strong>Glenoidnotching:</strong> An der Unterkante des Glenoids kann es durch Impingement der humeralen Komponente am glenoidalen Knochen zu einer Osteolyse kommen, was m&ouml;glicherweise zu einer aspetischen Lockerung der Glenoidkomponente f&uuml;hren kann (Abb. 2). Um dieses Notching m&ouml;glichst hintanzuhalten, sollte die Basisplatte der Glenoidkomponente m&ouml;glichst an den Unterrand der Pfanne gesetzt werden. Durch Wahl einer entsprechenden Glenosph&auml;re kann der Abstand der kaudalen Glenoidkante zur Epiphyse der Schaftkomponente zus&auml;tzlich vergr&ouml;&szlig;ert werden. Diese Ma&szlig;nahmen tragen zur Verhinderung des Notchingph&auml;nomens wesentlich bei (Abb. 3).<br /> <br /> <strong>Lockerung der Komponenten:</strong> Wesentlich h&auml;ufiger als die humerale Komponente ist die Glenoidkomponente von einer Lockerung betroffen. Im Falle einer Revision sind h&auml;ufig Knochenblockinterpositionen erforderlich.<br /> <br /> <strong>Nervenl&auml;sionen:</strong> Durch Dehnung des Plexus brachialis bzw. durch entsprechende Pr&auml;paration im Bereich des Recessus axillaris kann es zu Nervensch&auml;digungen kommen, die jedoch &uuml;blicherweise passager sind.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Ortho_1605_Weblinks_Seite23_2.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <h2>Langzeitergebnisse</h2> <p>Nachdem sich die Indikation zur Implantation einer inversen Schultertotalendoprothese deutlich ausgeweitet hat, sind Langzeitergebnisse von gro&szlig;em Interesse. In der Literatur finden sich Berichte &uuml;ber klinische Ergebnisse zwischen 13 und 70 Monaten. Die Ergebnisse sind sehr unterschiedlich, die Revisionsrate liegt zwischen 8 % und 33 % (Tab. 1).<br /> In einer eigenen Nachuntersuchung von 122 Patienten nach einem durchschnittlichen Nachuntersuchungszeitraum von 7 Jahren fanden wir eine hohe Patientenzufriedenheit und hohe Funktionalit&auml;t. Wir hatten eine Revisionsrate von 17 % . Die Ursachen f&uuml;r Revisionsoperationen waren Luxationen, Infekte, Frakturen, aseptische Lockerungen sowie Poly&auml;thylenabrieb bei einem retentiven Inlay. Das schon oben beschriebene Notching wurde in unserer Serie in mehr als zwei Dritteln der F&auml;lle gefunden. In der Literatur wird die Notchingrate zwischen 50 und 88 % angegeben.<br /> Eine Arbeit aus dem Jahr 2011 beschreibt einen deutlichen Funktionsverlust 6&ndash;7 Jahre nach Implantation, was einerseits durch das zunehmende Alter der Patienten erkl&auml;rt werden kann, aber andererseits auch durch die &Uuml;berdehnung bzw. &Uuml;berlastung des Musculus deltoideus. Hinsichtlich der Lockerungsrate werden in der Literatur zwei Gipfel beschrieben, und zwar nach etwa 3 Jahren sowie nach etwa 6&ndash;7 Jahren.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Ortho_1605_Weblinks_Seite23_1.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <h2>Revisionsoperation</h2> <p><strong>Glenoidauslockerung:</strong> Hier gilt es, das Knochendefizit durch entsprechenden Aufbau mit autologem Knochen (Beckenspan) zu kompensieren. Die Fixation dieser Knochenbl&ouml;cke kann in der Regel &uuml;ber Schrauben der Glenoidkomponente erreicht werden.<br /> <br /><strong>Frakturen:</strong> Entsprechend der Frakturlage ist entweder eine Langschaftprothese vonn&ouml;ten oder die Fraktur kann entsprechend verplattet werden.<br /> <br /><strong>Infektion:</strong> Im Rahmen einer Revisionsoperation bei Infektionen kann es notwendig sein, einen Spacer zu implantieren, den wir daf&uuml;r intraoperativ anfertigen (Abb. 4).<br /> <br /><strong> Luxation:</strong> Bei Luxation ist es in der Regel notwendig, ein h&ouml;heres Inlay zu implantieren. Die sogenannten retentiven Inlays haben sich in unseren H&auml;nden nicht bew&auml;hrt und haben meistens zu einem erh&ouml;hten Poly&auml;thylenabrieb gef&uuml;hrt.</p></p>
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