
Intramedulläre Nagelung der distalen Radiusfraktur
Autoren:
Prof. Dr.med. Andreas Schweizer
Prof. Dr.med. Ladislav Nagy
Abteilung für Handchirurgie
Universitätsspital Balgrist
Korrespondierender Autor:
Prof. Dr.med. Andreas Schweizer
E-Mail: andreas.schweizer@balgrist.ch
Vielen Dank für Ihr Interesse!
Einige Inhalte sind aufgrund rechtlicher Bestimmungen nur für registrierte Nutzer bzw. medizinisches Fachpersonal zugänglich.
Sie sind bereits registriert?
Loggen Sie sich mit Ihrem Universimed-Benutzerkonto ein:
Sie sind noch nicht registriert?
Registrieren Sie sich jetzt kostenlos auf universimed.com und erhalten Sie Zugang zu allen Artikeln, bewerten Sie Inhalte und speichern Sie interessante Beiträge in Ihrem persönlichen Bereich
zum späteren Lesen. Ihre Registrierung ist für alle Unversimed-Portale gültig. (inkl. allgemeineplus.at & med-Diplom.at)
Als minimalinvasive Variante bietet die intramedulläre Nagelung im Vergleich zur etablierten palmaren Plattenosteosynthese bei distaler Radiusfraktur einige Vorteile. Wir zeigen die Möglichkeiten und Grenzen der Methode auf und stellen ein neues Produkt vor.
Die distale Radiusfraktur ist mit 17,5% aller Frakturen und einer Inzidenz von ca. 18/100000/Jahr die häufigste Fraktur des Menschen. 2/3 aller Frakturen betreffen Frauen älter als 50 Jahre und werden durch einen einfachen häuslichen Sturz verursacht. Gemäss den Daten des Schwedischen Registers sind 65% extraartikulär.1 Initial wurden von allen 74% konservativ behandelt, wovon im Verlauf zusätzlich 9,1% auf eine operative Behandlung konvertiert worden sind. Von den extraartikulären Frakturen wurden deutlich weniger (18%) als von den intraartikulären Frakturen (48%) operativ behandelt, wonach etwa die Hälfte aller operativ behandelten Frakturen extraartikuläre Frakturen sind. Die mit Abstand am häufigsten verwendete Methode ist die Plattenosteosynthese (82%), gefolgt von der Kirschnerdraht-Fixation (8,2%), Fixateur externe (4,8%) und andere (4,0%). Unter letzterer Gruppe dürfte auch die hier diskutierte Methode der intramedullären Nagelung fallen. Obschon die Nagelung in etwa bei der Hälfte aller operativ behandelten Frakturen indiziert werden könnte, wird sie bis anhin kaum angewandt.
Abb. 1:a) Distale nach dorsal dislozierte extraartikuläre Radiusfraktur, b) 6 Wochen postoperativ (DRIM-Nagel) ist die Fraktur geheilt
Die Vorteile eines Nagels sind neben einer sehr kleinen Zugangsmorbidität die minimale Traumatisierung der Vaskularität der Fragmente und die Schonung der benachbarten Weichteile durch seine intramedulläre Lage. Bei anderen Röhrenknochen wie Femur und Tibia ist er längst etabliert und in der Traumatologie nicht mehr wegzudenken.
Am distalen Radius hat sich die palmare Plattenosteosynthese etabliert und ist zum Standard geworden. Der grosse Vorteil ist die gute Einsehbarkeit der Fraktur sowie die Möglichkeit der Reposition unter direkter Sicht. Nachteilig gestaltet sich aber die Unzugänglichkeit bei intraartikulären Frakturen, was oft einen zusätzlichen dorsalen Zugang oder eine Arthroskopie erfordert. Zudem sind die implantatassoziierten Komplikationen – wie das Durchscheuern von Beuge- und Strecksehnen, das Nachsintern und Implantatversagen sowie die häufig notwendige Osteosynthesematerialentfernung – ein Problem.
Abb. 2:a) Der DRIM-Nagel hat je 2 uniaxiale Schrauben für das proximale und distale Fragment, b) der Nagel auf dem Setzgerät montiert, Einbringen der 2 Schrauben für das distale Fragment
Die Nagelung trägt all diesen Aspekten Rechnung. Das Einführen und Versenken zwischen dem 1. und 2. Strecksehnenfach tangiert die übrigen um das Handgelenk liegenden Sehnen nicht, es gibt keine abstehenden Plattenteile oder Schraubenspitzen. Durch die zentrale Lage des Implantates ist die Kraftübertragung optimal und die Drehmomentbildung (Biegung) im Implantat wird möglichst klein gehalten. Infolge der völlig im Inneren des Knochens versenkten Implantatlage besteht keine Interferenz mit den umliegenden Weichteilen und darum ist eine Entfernung nicht sinnvoll.
Es sind einige wenige Vergleichsstudien Nagel versus Platte bei distalen Radiusfrakturen erschienen, wonach kein wesentlicher Unterschied gefunden werden konnte.2 Die Operationszeiten waren beim Nagel um 5–10 Minuten kürzer, bei einigen konnte auch ein kleinerer Korrekturverlust mit dem Nagel nachgewiesen werden. Bei den Komplikationen waren keine klaren Unterschiede bezüglich der Häufigkeit nachweisbar. Beim Nagel kam es in ca. 10% zu einer Neuropraxie des Ramus superficialis nervi radialis und ebenso häufig zu Tenosynovitiden. Andere Studien zeigten eine deutlich niedrigere Komplikationsrate und schnellere Rehabilitation bei aber ähnlichem Outcome nach einem Jahr. Eine Metaanalyse von 7 Fallserien und 6 Vergleichsstudien kam zum Schluss, dass der Nagel im Vergleich zur Platte zwar ähnlich gute klinische Resultate bei vergleichbarer Komplikationsrate, aber keinen Vorteil im Vergleich zur Platte zeigen konnte. Als Nachteil wurde zudem angefügt, dass nicht jede Fraktur mit einem Nagel behandelt werden kann.
Das bei uns entwickelte Nagelsystem (DRIM Nail, DISRAD), welches für rechts/links und alle Knochengrössen nur ein Modell erfordert, kann im Unterschied zu den anderen verfügbaren Nägeln alle Teile inklusive Schrauben über eine einzige 2–3cm lange Inzision einbringen. Nach der geschlossenen Frakturreposition (ausschliesslich extraartikuläre Frakturen) und temporären Kirschnerdraht-Fixation wird die Eintrittsstelle für den Nagel am Radiusstyloid zwischen 1. und 2. Strecksehnenfach exponiert und mit einem Zielgerät, welches die Radiusstyloidspitze als Referenz benutzt, festgelegt. Über dieses wird ein Kirschner-/Führungsdraht in den Radius eingebracht, welcher danach überbohrt wird. Nach dem Aufraffeln des Markkanales wird der Nagel, der an einem Führungsgriff befestigt ist, in den Markkanal eingebracht. Unter Bildwandlerkontrolle wird die Position des Nagels so ausgerichtet, dass die durch Büchsen geführten Bohrungen für die 2 distalen Schrauben direkt subchondral zu liegen kommen. Die Bohrungen werden dann schrittweise mit uniaxial winkelstabilen Schrauben besetzt. Nach Umsetzen der Büchsen werden analog 2 Schrauben nach proximal in den Radiusschaft gesetzt. Nach nochmaliger Prüfung der Lage unter Bildwandler wird der Nagel über eine Sollbruchstelle vom Führungsgerät abgetrennt.
Bis anhin konnten wir mit dem aktuellen Implantat über 20 Frakturen mit dem Implantat versorgen. Alle Frakturen heilten innerhalb von 6 Wochen und es musste kein Korrekturverlust hingenommen werden. Ausser einem milden passageren CRPS 1 haben wir keine anderen Komplikationen (Läsionen oder Neuropraxie des Ramus superficialis nervi radialis) beobachtet. Im Vergleich zu einer gematchten Gruppe von Patienten mit palmarer Plattenversorgung war die Rehabilitation schneller, die Beweglichkeit besser und es musste kein Nagel entfernt werden (im Gegensatz zu 50% der Fälle in der Vergleichsgruppe mit Plattenosteosynthese).
Gemäss unserer Erfahrung können wir die Behandlung von distalen extraartikulären Radiusfrakturen mit dem DRIM-Nagel empfehlen. Die Rehabilitationszeit ist tendenziell kürzer, die Beweglichkeit etwas besser und das Osteosynthesematerial weniger störend als bei der palmaren Plattenosteosynthese.
Literatur:
1 Rundgren J et al.: Epidemiology, classification, treatment and mortality of distal radius fractures in adults: an observational study of 23,394 fractures from the national Swedish fracture register. BMC Musculoskelet Disord 2020; 21(1): 88 2 Jordan RW, Saithna A: Defining the role of intramedullary nailing for fractures of the distal radius: a systematic review. Bone Joint J 2015; 97-B(10): 1370-6
Das könnte Sie auch interessieren:
«Auch Patienten mit Demenz profitieren von einer chirurgischen Stabilisierung»
Patienten mit Hüftfraktur und einer leichten, mittelschweren oder schweren Demenz haben ein geringeres Risiko zu sterben, wenn sie operiert werden – vor allem wenn es sich um Kopf-Hals- ...
Management periprothetischer Frakturen am Kniegelenk
Mit steigenden Versorgungszahlen der Knieendoprothetik und dem höheren Lebensalter entsprechend der Alterspyramide nimmt auch die Zahl der periprothetischen Frakturen zu und stellt die ...
Patellofemorale Instabilität
In diesem Übersichtsartikel möchten wir ein Update über die aktuelle Diagnostik und die konservativen wie auch operativen Behandlungsmöglichkeiten der patellofemoralen Instabilität geben.