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Interdisziplinäres Patientenmanagement am Beispiel der Rehabilitation im stationären Setting

<p class="article-intro">Die fächerübergreifende Patientenbetreuung durch Rheumatologen und Orthopäden kann neue Therapieoptionen erschließen und bringt Vorteile für die Behandler und den Patienten. Als besonders erfolgreich erweist sich dabei das interdisziplinäre Fußboard.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Die interdisziplin&auml;re Zusammenarbeit von Rheumatologie und Orthop&auml;die im Rahmen der Rehabilitation gewinnt immer mehr an Bedeutung.</li> <li>Verschiedene Sichtweisen auf eine Problemstellung (chirurgisch-orthop&auml;disch, internistisch-rheumatologisch) m&uuml;ssen nicht gegens&auml;tzlich sein und ergeben f&uuml;r den Patienten oft neue und vor allem konstruktive Behandlungsans&auml;tze.</li> <li>Das rheumatologisch-orthop&auml;dische Fu&szlig;board als gemeinsames Begutachtungsmodell hat sich bisher sehr bew&auml;hrt.</li> </ul> </div> <p>Braucht man in der Rehabilitation f&uuml;r Erkrankungen des St&uuml;tz- und Bewegungsapparates &uuml;berhaupt einen internistischen Rheumatologen? Eigentlich fallen doch die meisten Krankheitsbilder in den orthop&auml;dischen Bereich. Was kann denn die Rheumatologie zur Rehabilitation beitragen? K&ouml;nnen Orthop&auml;den und Rheumatologen zusammenarbeiten oder sind sie Konkurrenten? Oder ist es sogar fruchtbringend, wenn ein Patient interdisziplin&auml;r betreut wird? Um diese Fragen zu er&ouml;rtern, m&ouml;chte ich mit Ihnen einen kurzen Ausflug in die station&auml;re Rehabilitation machen und anhand konkreter Beispiele zeigen, wie die Zusammenarbeit von Orthop&auml;die und Rheumatologie unter einem Dach funktionieren kann.<br />Die Rehabilitation Phase 2 f&uuml;r Erkrankungen des St&uuml;tz- und Bewegungsapparates beinhaltet ein weites Spektrum von Krankheitsbildern. Mehrheitlich handelt es sich dabei um Patienten nach operativen Eingriffen an Gelenken oder Wirbels&auml;ule, mit degenerativen Ver&auml;nderungen und chronischen Schmerzen sowie auch entz&uuml;ndlich-rheumatischen Erkrankungen, wie rheumatoider Arthritis, Psoriasisarthritis, Spondylarthritiden und Kollagenosen.<br />Als Anschlussheilverfahren, z.B. nach Implantation von Endoprothesen an H&uuml;fte, Knie, Schulter oder nach Operationen an der Wirbels&auml;ule, erlangt die Rehabilitation immer mehr Bedeutung. Auch Verletzungsfolgen nach Unf&auml;llen sowie Arthrosen der gro&szlig;en und kleinen Gelenke geh&ouml;ren zu den h&auml;ufig behandelten Krankheitsbildern. Dagegen wird die Rehabilitation bei Erkrankungen aus dem entz&uuml;ndlich-rheumatischen Formenkreis eher selten gen&uuml;tzt. Mit den inzwischen zahlreichen medikament&ouml;sen Therapieoptionen, die in der Rheumatologie zur Verf&uuml;gung stehen, versucht man, eine Remission oder eine m&ouml;glichst niedrige Krankheitsaktivit&auml;t zu erreichen. Funktionelle Einschr&auml;nkungen, muskul&auml;re Defizite, Schwierigkeiten in Bezug auf die Partizipation (Einschr&auml;nkungen im gesellschaftlichen Leben, private oder berufliche Einschr&auml;nkungen) finden im klinisch-rheumatologischen Alltag oft weniger Beachtung.<br />Im dreiw&ouml;chigen station&auml;ren Aufenthalt wird die bestm&ouml;gliche Wiederherstellung der Gesundheit im Sinne des biopsychosozialen Krankheitsmodells der internationalen Klassifikation der Funktionsf&auml;higkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) versucht. Dabei sollte es das &uuml;bergeordnete Ziel sein, Personen mit einer vor&uuml;bergehenden oder chronischen Beeintr&auml;chtigung zu bef&auml;higen, das von ihnen gew&uuml;nschte Leben zu f&uuml;hren. F&uuml;r eine selbstbestimmte Lebensf&uuml;hrung steht die Optimierung bzw. der Erhalt der Funktionsf&auml;higkeit im Vordergrund. Eine Zieldefinition gemeinsam mit dem Patienten hat einen zentralen Stellenwert und beeinflusst die Planung der rehabilitativen Ma&szlig;nahmen.<br />Um ein optimales Ergebnis zu erzielen, muss das gesamte Rehabilitationsteam, bestehend aus &Auml;rzten, Physiotherapeuten, Ergotherapeuten, Psychologen, Di&auml;tologen, Sportwissenschaftlern und Pflegepersonal, in die Zielsetzung &ndash; kurzfristig und mittelfristig &ndash; miteinbezogen werden. Die &auml;rztliche Betreuung erfolgt grunds&auml;tzlich im interdisziplin&auml;ren Team, bestehend aus Fach&auml;rzten f&uuml;r Orthop&auml;die, physikalische Medizin, Unfallchirurgie, aus internistischen Rheumatologen und Allgemeinmedizinern. Die erw&auml;hnten Fach&auml;rzte k&ouml;nnen bei Bedarf jederzeit beigezogen werden und erg&auml;nzen sich aufgrund der vielschichtigen Anforderungen bei oft komplexen Krankheitsbildern geradezu ideal. <br />Um einen besseren Einblick zu geben, m&ouml;chte ich Ihnen Beispiele aus dem Humanomed Zentrum Althofen n&auml;herbringen:</p> <h2>Fallbericht 1</h2> <p>Eine 64-j&auml;hrige Patientin kommt zur Rehabilitation bei St. p. KTEP links (5. postoperative Woche). Als Grunderkrankung ist eine Arthritis psoriatica bekannt, seit 2 Jahren wird die Patientin mit Biologika erfolgreich behandelt. Die immunsuppressive Therapie wurde pr&auml;operativ abgesetzt, bis zur Aufnahme jedoch nicht wieder initiiert. Es kommt zu einer zunehmenden Krankheitsaktivit&auml;t der Psoria&shy;sisarthritis mit Gelenksschwellungen und Zunahme der Plaquebildungen.<br />Die F&uuml;hrung der Patientin erfolgt durch den Facharzt f&uuml;r Orthop&auml;die: Aufnahmeuntersuchung, Erstellen eines Behandlungsplanes, Visiten. Eine Konsiliarbegutachtung erfolgt durch den internistischen Rheumatologen: rheumatologischer Status, Wiedereinleiten der immunsuppressiven Therapie nach gemeinsamer &Uuml;berpr&uuml;fung der Wundverh&auml;ltnisse, Einsatz ergotherapeutischer Ma&szlig;nahmen inkl. Hilfsmittelberatung, Kl&auml;rung krankheitsspezifischer Fragen, Instruktion &uuml;ber allf&auml;llige Laborkontrollen und Vereinbaren weiterer rheumatologischer Termine am Heimatort. <br />Durch den Einsatz der medikament&ouml;sen Therapie kommt es zu einem R&uuml;ckgang der Krankheitsaktivit&auml;t, die volle Teilnahme an s&auml;mtlichen rehabilitativen Ma&szlig;nahmen ist gew&auml;hrleistet.</p> <h2>Fallbericht 2</h2> <p>Ein 76-j&auml;hriger Patient mit bekannter Polymyalgia rheumatica unter Langzeitsteroidtherapie wird zur Rehabilitation bei St. p. konservativ versorgter Wirbelk&ouml;rperfraktur LWK 4 bei Steroidosteoporose zugewiesen. Die prim&auml;re Betreuung erfolgt durch den Rheumatologen: Behandlungskonzept, Anpassen der Schmerztherapie, Optimierung der Osteoporosetherapie, Ma&szlig;nahmen zur Sturzprophylaxe, Ausloten einer m&ouml;glichen Reduktion der Steroiddosis sowie Therapiealternativen. Wegen fortgeschrittener Gonarthrose und Beinl&auml;ngendifferenz wird ein Facharzt f&uuml;r Orthop&auml;die hinzugezogen: orthop&auml;disches Konsilium mit Status, Begutachtung der R&ouml;ntgenbilder, Ausgleich der Beinl&auml;ngendifferenz mit geeignetem Schuhausgleich, Festlegen eines vorerst konservativen Prozederes, Aufkl&auml;rung des Patienten &uuml;ber eventuelle operative Therapieoptionen bei Versagen der letztgenannten Ma&szlig;nahmen.</p> <h2>Fallbericht 3</h2> <p>Eine 54-j&auml;hrige Patientin mit langj&auml;hrig bestehender rheumatoider Arthritis wird bei zunehmenden funktionellen Defiziten im Rahmen der Grunderkrankung zur Rehabilitation aufgenommen. Trotz zahlreicher medikament&ouml;ser Therapieversuche (teilweise abgesetzt wegen Unvertr&auml;glichkeit oder unzureichender Wirksamkeit) kam es zu einem erosiven Verlauf mit ausgepr&auml;gten Deformit&auml;ten an beiden H&auml;nden und beiden F&uuml;&szlig;en. Die Patientin wird vom Rheumatologen gef&uuml;hrt: Erheben einer genauen Medikamentenana&shy;mnese, Erstellen eines abgestimmten Behandlungsplans, ausf&uuml;hrliche Gespr&auml;che &uuml;ber die Grunderkrankung und eventuelle weitere medikament&ouml;se Optionen. Bei ausgepr&auml;gten Ver&auml;nderungen im Sinne eines rheumatischen Fu&szlig;es und damit verbundenen Gehschwierigkeiten wird eine gemeinsame Begutachtung mit dem orthop&auml;dischen Fu&szlig;spezialisten durchgef&uuml;hrt. Nach der klinischen Untersuchung und einer videogest&uuml;tzten Ganganalyse wird die Patientin ausf&uuml;hrlich &uuml;ber die konservativen und chirurgischen Therapiem&ouml;glichkeiten mit Vor- und Nachteilen der einzelnen Methoden informiert. Es erfolgen die Anbindung der Patientin an ein fu&szlig;chirurgisches Zentrum in Heimatortn&auml;he sowie die Kontaktaufnahme mit der betreuenden Rheumatologie zum Festlegen des weiteren Prozederes.</p> <h2>Rheumatologisch-orthop&auml;disches Fu&szlig;board</h2> <p>Als Besonderheit im Humanomed Zentrum Althofen m&ouml;chte ich das rheumatologisch-orthop&auml;dische Fu&szlig;board erw&auml;hnen: Seit der Gr&uuml;ndung 2017 finden gemeinsame Begutachtungen unserer Rheumapatienten vom Rheumatologen und vom orthop&auml;dischen Fu&szlig;spezialisten statt (Abb. 1). F&uuml;&szlig;e werden in der Rheumatologie oft vernachl&auml;ssigt: In diverse Aktivit&auml;tsscores finden die Gelenke am Fu&szlig; keinen Eingang (DAS 28, CDAI, SDAI). Somit befindet sich ein Patient oft in rechnerischer Remission, obwohl gr&ouml;&szlig;ere funktionelle Defizite aufgrund entz&uuml;ndlicher Ver&auml;nderungen im Bereich der F&uuml;&szlig;e bestehen, welche die Lebensqualit&auml;t des Patienten deutlich beeintr&auml;chtigen k&ouml;nnen. Die gemeinsame Betrachtung des vorliegenden Problems aus orthop&auml;discher und rheumatologischer Sicht kann f&uuml;r den Patienten sinnvolle und sich erg&auml;nzende Therapieoptionen aufzeigen und erfreut sich daher inzwischen gro&szlig;er Beliebtheit (Abb. 2). <br />Meine Zusammenarbeit als internistische Rheumatologin mit einem ausgewiesenen orthop&auml;dischen Fu&szlig;spezialisten macht nicht nur gro&szlig;e Freude, sondern l&auml;sst auch einen Blick &uuml;ber den eigenen Tellerrand zu. Patienten sch&auml;tzen die unterschiedliche Betrachtungsweise ihrer gesundheitlichen Beeintr&auml;chtigung sehr und f&uuml;hlen sich damit auch in ihrer Gesamtheit besser wahrgenommen.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Ortho_1804_Weblinks_s83.jpg" alt="" width="1817" height="843" /></p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p>Bei der Verfasserin</p> </div> </p>
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