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Hoffnung für Kinder mit Handfehlbildungen
Jatros
30
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21.11.2019
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<p class="article-intro">Im Orthopädischen Spital Speising, Wien, gelang dem Ärzteteam rund um Priv.-Doz. Dr. Sebastian Farr eine medizinische Spitzenleistung. Bei einem 7-jährigen Burschen mit Symbrachydaktylie konnte mittels einer komplexen Zehen-Hand-Transplantation die notwendige Greifffunktion hergestellt werden.</p>
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<p class="article-content"><p>Symbrachydaktylie ist eine angeborene Fehlbildung der oberen und unteren Extremitäten. Die vielfältigen Erscheinungsformen lassen sich grob in 4 Typen einteilen: Die Symbrachydaktylie kann in Form von fehlenden Strahlen/ Fingergliedern, zu kurzen und/oder fehlinterponierten oder gar gänzlich fehlenden Gliedern auftreten. Die Anomalie tritt meist isoliert auf, ist aber manchmal auch mit dem Poland-Syndrom assoziiert. Auf 10 000 Lebendgeburten treten in etwa 0,6 Fälle von Symbrachydaktylie auf (Goodell et al.: Hand N Y 2016; 11: 262–70). <br />„Die richtige Behandlung richtet sich vor allem nach der Ausprägung der Fehlbildung und ist primär davon abhängig, wie viele Finger angelegt sind und wie gut diese ausgebildet sind“, sagt Farr. Je nach Fehlbildung kann manchmal auch eine konservative Methode (Abwarten, Ergotherapie und Schienenbehandlung) große Erfolge erzielen. <br />Von größter Bedeutung für die allgemeine Greifffunktion ist der Daumen. Ist er nicht korrekt angelegt und die Greiffunktion beeinträchtigt, kann diese mittels eines Weichteil- und/oder knöchernen Korrektureingriffs verbessert werden. Wenn der Daumen gar nicht oder nur sehr kurz vorhanden ist und die Greifffunktion somit gar nicht gegeben ist, kann eine autologe, freie Zehentransplantation durchgeführt werden. Hierfür wird üblicherweise die 2. Zehe eines Fußes entnommen und samt Nerven und Gefäßen an die Hand als Daumen transplantiert. Die Hand gewinnt dank des neuen, mitwachsenden „Fingers“ die Funktion des Greifens, was für den Patienten einen riesigen Sprung nach vorne in Richtung Selbstständigkeit und einen leichteren Umgang im Alltag bedeutet, wohingegen die Zehe am Fuß funktionell nicht erforderlich ist. Im Idealfall wird ein solcher Eingriff bis zum 2. Geburtstag durchgeführt. „Bis dahin ist das Zentralnervensystem weitgehend ausgebildet und die neu gewonnene Fähigkeit kann somit bestmöglich verarbeitet werden. Kindern in diesem jungen Alter fällt es wesentlich leichter, mit der neuen Situation umzugehen, als älteren Kindern, die es mühsamer erlernen müssten“, erklärt Farr. <br />Im Orthopädischen Spital in Speising wurde nun genau dieser komplexe Eingriff bei einem 7-jährigen Burschen durchgeführt. Dem jungen Patienten mit ausgeprägter Symbrachydaktylie fehlte unter anderem der rechte Daumen, was ihn in seinem Alltag extrem einschränkte. In diesem besonderen Fall war auch nur eine einzige für den Daumenersatz passende Zehe vorhanden. Die rund 10-stündige Operation wurde von zwei Ärzteteams durchgeführt. Das erste Team entnahm die Zehe, während das zweite Team die Hand vorbereitete und die Zehe auf die Hand transplantierte. Danach wurde die Hand für rund 6 Wochen mittels Gipses ruhiggestellt. Der große Erfolg der Operation zeigte sich direkt nach der Gipsabnahme: Der Patient war sofort problemlos dazu imstande seinen neuen Daumen einzusetzen. „Selbstsicher begann er sofort, Dinge zu greifen und auf einem Tablet zu spielen“, wie Farr berichtet. <br />Der Bursch genießt seit der erfolgreichen Transplantation deutlich mehr Lebensqualität. Diese Botschaft kann nun vielleicht auch werdenden Eltern, die mit einer pränatal diagnostizierten Handfehlbildung ihres Kindes konfrontiert sind, eine Hoffnung geben. Die Kinderhandambulanz im Orthopädischen Spital Speising bietet auch pränatale Beratung an.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Ortho_1906_Weblinks_jatros_ortho_1906_s44_bild_farr.jpg" alt="" width="1455" height="930" /></p></p>
<p class="article-quelle">Quelle: Pressegespräch Orthopädisches Spital Speising, am 2. Oktober 2019, Wien
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