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26. Osteoporoseforum

Harte Schale, weicher Kern

<p class="article-intro">Inflammationsprozesse und die mechanische Versteifung der Wirbelsäule bei Spondylitis ankylosans fördern Osteoporose und erhöhen das Frakturrisiko. Eine frühzeitige Diagnose und eine optimale Kontrolle der Krankheitsaktivität können den Knochenverlust verhindern. Bei der rheumatoiden Arthritis könnte der frühe Nachweis des Biomarkers ACPA zum Schutz des Knochens beitragen.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Den Spondylarthropathien (SpA) ist gemeinsam, dass sie HLA-B27-assoziiert und Rheumafaktor-negativ sind und dass sie klinische Symptome wie z.B. den entz&uuml;ndlichen R&uuml;ckenschmerz und eine &auml;hnliche Mitbeteiligung der peripheren Gelenke aufweisen. Unter den Klassifikationskriterien, welche die SpA bzw. den &bdquo;entz&uuml;ndlichen&ldquo; R&uuml;ckenschmerz charakterisieren, ist zuvorderst der in der zweiten Nachth&auml;lfte auftretende, tief sitzende Schmerz, der mit einer meist l&auml;nger als 30 Minuten anhaltenden Morgensteifigkeit verbunden ist, zu nennen. Es kommt zu einer Verbesserung des Schmerzes unter Bewegung, aber nicht in Ruhe. Der R&uuml;ckenschmerz sitzt tief und repr&auml;sentiert die Entz&uuml;ndung im Iliosakralgelenk (ISG).<sup>1, 2</sup><br /> Damit handelt es sich um ein Ph&auml;nomen, das nicht nur f&uuml;r den Rheumatologen, sondern auch f&uuml;r den praktischen Arzt und den Orthop&auml;den von Bedeutung ist. Sie alle sind aufgefordert, fr&uuml;hzeitig jene Patienten zu identifizieren, die einen solchen entz&uuml;ndlichen R&uuml;ckenschmerz aufweisen. Zu den SpA geh&ouml;ren etwa die juvenile Arthritis, die Psoriasisarthritis (PsA) und der Morbus Bechterew.</p> <h2>Ankylosierende Spondylitis und Knochen</h2> <p>Die ankylosierende Spondylitis (AS, Morbus Bechterew) ist eine chronischentz&uuml;ndliche rheumatische Systemerkrankung mit progredientem Verlauf und charakteristischem Befall des axialen Skeletts (Wirbels&auml;ule) und der ISG, seltener der peripheren Gelenke.<sup>3, 4</sup> Werden keine geeigneten Ma&szlig;nahmen gesetzt, kommt es zur axialen Ausbildung von Syndesmophyten, die wiederum zur Unbeweglichkeit in der Wirbels&auml;ule f&uuml;hren. Diese Syndesmophyten leisten auch einen Beitrag zur Knochenbr&uuml;chigkeit, und so geht die AS mit einem h&ouml;heren Risiko f&uuml;r Osteoporose bzw. Frakturen einher. &bdquo;Nur etwa ein Drittel der Morbus-Bechterew-Patienten hat eine normale Knochendichte&ldquo;, erkl&auml;rte Dr. Maya Thun, Leiterin der Osteoporose- Ambulanz an der Unfallchirurgischen Abteilung des Wilhelminenspitals, Wien. ASPatienten zeigten im Vergleich zu gleichaltrigen Gesunden eine h&ouml;here Pr&auml;valenz von Osteoporose (9,7 % vs. 0 % ) und Osteopenie (57,5 % vs. 34,9 % ).<sup>3</sup> AS-Patienten mit Osteoporose waren in dieser Studie tendenziell &auml;lter, m&auml;nnlich, hatten eine l&auml;ngere Krankheitsdauer und die Osteoporose trat h&auml;ufiger in der H&uuml;fte auf. Risikofaktoren f&uuml;r Osteoporose an der H&uuml;fte bei AS waren das m&auml;nnliche Geschlecht, Alter, H&uuml;ftbeteiligung und eine fehlende regelm&auml;&szlig;ige Behandlung. Die Risikofaktoren f&uuml;r Osteoporose in der LWS bei AS waren eine hohe Krankheitsaktivit&auml;t, juveniler Beginn, Morgensteifigkeit (&gt;0,5h) und eine erh&ouml;hte BSG.<sup>5</sup></p> <p>Die Syndesmophyten zeichnen f&uuml;r die &bdquo;harte Schale&ldquo; bei der Spondylitis ankylosans verantwortlich. Sie entwickeln sich durch die lokale Entz&uuml;ndung und bilden &bdquo;Knochenbr&uuml;cken&ldquo; aus, die zu einer Versteifung der Wirbels&auml;ule f&uuml;hren und die Knochenbr&uuml;chigkeit somit auch mechanisch erh&ouml;hen. Schrittweise kommt es anfangs zum Knochenabbau und dann mit der Ausbildung von Osteoblasten zum Knochenaufbau. &Auml;hnlich wie eine Enthesitis bei PsA spielen inflammatorische Faktoren (Interleukine und hier vor allem TNF-alpha, IL-17 und IL-23) auch eine Rolle bei axialen SpA. Diese tragen zu einem gest&ouml;rten Knochenaufbau bei und erh&ouml;hen somit das Risiko f&uuml;r Osteoporose und Frakturen. Zus&auml;tzlich ist die reduzierte Mobilit&auml;t in der Wirbels&auml;ule ein Risikofaktor f&uuml;r vermehrte St&uuml;rze und damit Wirbelk&ouml;rperfrakturen. &bdquo;Eine versteifte Wirbels&auml;ule kann zu spinalen Frakturen f&uuml;hren. Der Bruch verl&auml;uft &auml;hnlich wie bei einem R&ouml;hrenknochen&ldquo;, so Thun.</p> <h2>Biomarker des &bdquo;bone metabolism&ldquo; bei AS</h2> <p>Patienten mit Spondylitis ankylosans und hoher Aktivit&auml;t im Rahmen der Grunderkrankung zeigen erh&ouml;hte Spiegel an proinflammatorischen Zytokinen und Akute-Phase-Proteinen, die mit gesteigerten Knochenumbaumarkern vergesellschaftet sind.<sup>6</sup> Eine systemische Inflammation beeinflusst somit den Knochenstoffwechsel an zwei Schaltstellen: Einerseits vermindert sie den Knochenaufbau, andererseits steigert sie den Knochenabbau durch das RANKL-System. Diese zwei Faktoren f&uuml;hren allgemein zu einem erh&ouml;hten Osteoporose- und Frakturrisiko der Patienten mit AS.<br /> Eine Untersuchung von 53 108 Patienten mit Frakturen ergab, dass das Frakturrisiko bei Patienten mit AS h&ouml;her ist als bei Patienten mit rheumatoider Arthritis (RA). Insbesondere Wirbelk&ouml;rperfrakturen treten weitaus h&auml;ufiger auf (OR: 7,1 vs. 2,7).<sup>7</sup></p> <h2>Lokalisation der Frakturen</h2> <p>Die Frakturen treten bei geringsten Traumen oder sogar spontan haupts&auml;chlich im BWS-Bereich auf und sind zu 82 % im Bereich TH8-L2 lokalisiert. Frakturen k&ouml;nnen aber auch in der HWS auftreten,<sup>8</sup> teilweise mit schweren neurologischen Ausf&auml;llen.<sup>9</sup><br /> Die Wirbels&auml;ulenfrakturen bei AS-Patienten sind gekennzeichnet durch eine schlechte Frakturheilung und eine Neigung zu Pseudoarthrose mit Instabilit&auml;t und machen daher nicht selten eine Operation notwendig. 60 % der HWS-Frakturen sind durch ein R&ouml;ntgen nicht nachweisbar, womit die Diagnose erschwert ist.<sup>10</sup> Bei unklaren F&auml;llen ist eine CT der Wirbels&auml;ule indiziert, da man schwer unterscheiden kann, ob Schmerzen auf eine Fraktur oder die Inflammation zur&uuml;ckzuf&uuml;hren sind. Bei einer Verschlimmerung der Schmerzen in der Wirbels&auml;ule bei SpA sollte zwangsl&auml;ufig an eine Fraktur gedacht bzw. eine solche ausgeschlossen werden.</p> <h2>Rheumatherapie hilft auch dem Knochen</h2> <p>Effektive Behandlungen gegen Entz&uuml;ndungen haben auch einen positiven Einfluss auf die Knochenmineraldichte. &bdquo;Die evidenzbasierte Empfehlung lautet, dass eine optimale Kontrolle der Krankheitsaktivit&auml;t bei AS den Knochenverlust verhindert&ldquo;, so Thun.<br /> Die Behandlung einer manifesten Osteoporose bei AS-Patienten mit einer spezifischen Antiosteoporosetherapie ist sinnvoll. Es ist aber auch wesentlich, die Krankheitsaktivit&auml;t mit antiinflammatorischen Medikamenten zu unterdr&uuml;cken. Hierf&uuml;r stehen einige Antik&ouml;rper zur Verf&uuml;gung, einerseits jene, die schon seit Jahrzehnten Verwendung finden, wie die TNF-Blocker (Etanercept, Infliximab, Adalimumab, Certolizumab, Golimumab), und andererseits neuere Biologicals, wie der IL-17-Antik&ouml;rper Secukinumab und ein monoklonaler Antik&ouml;rper gegen IL-12 und IL-23 (Ustekinumab). &bdquo;Das hei&szlig;t f&uuml;r uns, dass es trotz &sbquo;harte Schale &ndash; weicher Kern&lsquo; m&ouml;glich ist, nun gezielt zu therapieren und damit Br&uuml;chen vorzubeugen&ldquo;, so Thun.</p> <h2>ACPA und &bdquo;Pre-Arthritis&ldquo;</h2> <p>Daten &uuml;ber den Verlauf von zehn Jahren zeigen, dass die Knochendichte bei RA-Patienten mit CCP-Antik&ouml;rpern im Vergleich zu den seronegativen RA-Patienten signifikant niedriger, die Frakturh&auml;ufigkeit deutlich erh&ouml;ht ist.<sup>11</sup> &bdquo;Wir wissen, dass CCP-Antik&ouml;rper bis zu 14 Jahre vor der eigentlichen Erkrankung auftreten k&ouml;nnen&ldquo;, erkl&auml;rte PD Dr. J&uuml;rgen Rech, Univ.-Klinik Erlangen.<sup>12&ndash;14</sup> Es gibt auch eine genetische Assoziation, mit der der Patient eventuell vulnerabler ist, Anti-CCP zu entwickeln. Ung&uuml;nstige genetische Voraussetzungen und Lebensstilfaktoren (ein rauchender Patient etwa hat ein 21-fach h&ouml;heres Risiko, eine RA zu bekommen<sup>15</sup>) f&ouml;rdern das Risiko, dass es durch einen banalen Infekt bzw. ein banales Ereignis zum ersten &bdquo;Hit&ldquo; kommt. &bdquo;Mit dem Verlust der Selbsttoleranz geht die ACPA-Bildung und damit die Neigung zur Osteoklastenaktivierung einher, was aber nicht zwingend zu einer RA f&uuml;hren muss. Jedoch kann zum Beispiel ein zweiter Infekt bzw. ein zweites Ereignis oder das Auftreten einer Synovitis die Entstehung einer manifesten RA verursachen&ldquo;, so Rech.<br /> ACPA haben eine indirekte Wirkung auf die Osteoklasten: Durch ACPA-haltige Immunkomplexe kommt es zur Zytokinaussch&uuml;ttung und zur Osteoklastenvorl&auml;uferaktivierung, die zu Osteoklasten und zur Zerst&ouml;rung des Knochens f&uuml;hren. &Uuml;ber ACPA-haltige Immunkomplexe k&ouml;nnen sich die ACPA aber auch direkt auf die Osteoklastenvorl&auml;ufer setzen, wo es in der Folge zur Aktivierung und zum Knochenabbau kommt.<br /> Wei&szlig; man um den negativen Einfluss von ACPA auf den Knochen, kann es sinnvoll sein, Patienten ohne eindeutige klinische Zeichen einer RA &ndash; etwa bei &bdquo;lediglich&ldquo; bestehenden Arthralgien &gt;6 Wochen &ndash; zu untersuchen. Bei einem dann rechtzeitigen Einstieg in die Therapie k&ouml;nnen so eventuell nicht nur Komorbidit&auml;ten, sondern auch m&ouml;glicherweise eine Synovitis und damit auch das Vollbild einer RA verhindert werden. Kleyer et al. konnten zeigen, dass bei Menschen, die ACPA-positiv sind, bereits vor einem RA-Onset strukturelle Ver&auml;nderungen auftreten und es zu einem Knochenverlust kommt.<sup>16</sup> Solche Erosionen machen zwar noch keine Erkrankung aus, jedoch gibt es ACPA-positive Patienten, die auch auff&auml;llig im Sinne von Knochendichtever&auml;nderungen sind.<br /> Wenn ACPA tats&auml;chlich einen Pre- Marker f&uuml;r eine Erkrankung darstellen, m&uuml;sse diesem Umstand erh&ouml;hte Aufmerksamkeit geschenkt werden, meinte Rech. Im MRT l&auml;sst sich bei diesen Patienten oft auch eine subklinische Inflammation nachweisen, die prim&auml;r meist im Bereich des Handgelenkes auftritt. &bdquo;Wahrscheinlich gibt es f&uuml;r jeden einzelnen Patienten eine Art Threshold, und bei &Uuml;berschreitung des individuellen Levels tritt eine Erkrankung leichter auf als bei Patienten, die an der Grenze sind oder sehr niedrige Werte haben&ldquo;, so Rech. Zwei Biologika (Rituximab, Abatacept) k&ouml;nnen CCP-Antik&ouml;rper reduzieren.<sup>17</sup> In einer eigenen Studie will Rech nun nachweisen, dass der Einsatz von Abatacept tats&auml;chlich den Krankheitsdurchbruch verz&ouml;gern, vielleicht sogar den Ausbruch verhindern kann.<sup>18</sup></p></p> <p class="article-quelle">Quelle: 26. Osteoporoseforum, 3.–5. Mai 2018, St. Wolfgang </p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Calin A et al.: JAMA 1977; 237: 2613-4 <strong>2</strong> Rudwaleit M et al.: Arthritis Rheum 2006; 54(2): 569-78 <strong>3</strong> Brophy S et al.: J Rheumatol 2002; 29(6): 1236-43 <strong>4</strong> Sieper J et al.: Ann Rheum Dis 2002; 61(Suppl 3): 8-18 <strong>5</strong> Wang DM et al.: Clin Exp Rheumatol 2015; 33(4): 465-70. 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