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Harte Schale, weicher Kern
Jatros
30
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15.11.2018
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<p class="article-intro">Inflammationsprozesse und die mechanische Versteifung der Wirbelsäule bei Spondylitis ankylosans fördern Osteoporose und erhöhen das Frakturrisiko. Eine frühzeitige Diagnose und eine optimale Kontrolle der Krankheitsaktivität können den Knochenverlust verhindern. Bei der rheumatoiden Arthritis könnte der frühe Nachweis des Biomarkers ACPA zum Schutz des Knochens beitragen.</p>
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<p class="article-content"><p>Den Spondylarthropathien (SpA) ist gemeinsam, dass sie HLA-B27-assoziiert und Rheumafaktor-negativ sind und dass sie klinische Symptome wie z.B. den entzündlichen Rückenschmerz und eine ähnliche Mitbeteiligung der peripheren Gelenke aufweisen. Unter den Klassifikationskriterien, welche die SpA bzw. den „entzündlichen“ Rückenschmerz charakterisieren, ist zuvorderst der in der zweiten Nachthälfte auftretende, tief sitzende Schmerz, der mit einer meist länger als 30 Minuten anhaltenden Morgensteifigkeit verbunden ist, zu nennen. Es kommt zu einer Verbesserung des Schmerzes unter Bewegung, aber nicht in Ruhe. Der Rückenschmerz sitzt tief und repräsentiert die Entzündung im Iliosakralgelenk (ISG).<sup>1, 2</sup><br /> Damit handelt es sich um ein Phänomen, das nicht nur für den Rheumatologen, sondern auch für den praktischen Arzt und den Orthopäden von Bedeutung ist. Sie alle sind aufgefordert, frühzeitig jene Patienten zu identifizieren, die einen solchen entzündlichen Rückenschmerz aufweisen. Zu den SpA gehören etwa die juvenile Arthritis, die Psoriasisarthritis (PsA) und der Morbus Bechterew.</p> <h2>Ankylosierende Spondylitis und Knochen</h2> <p>Die ankylosierende Spondylitis (AS, Morbus Bechterew) ist eine chronischentzündliche rheumatische Systemerkrankung mit progredientem Verlauf und charakteristischem Befall des axialen Skeletts (Wirbelsäule) und der ISG, seltener der peripheren Gelenke.<sup>3, 4</sup> Werden keine geeigneten Maßnahmen gesetzt, kommt es zur axialen Ausbildung von Syndesmophyten, die wiederum zur Unbeweglichkeit in der Wirbelsäule führen. Diese Syndesmophyten leisten auch einen Beitrag zur Knochenbrüchigkeit, und so geht die AS mit einem höheren Risiko für Osteoporose bzw. Frakturen einher. „Nur etwa ein Drittel der Morbus-Bechterew-Patienten hat eine normale Knochendichte“, erklärte Dr. Maya Thun, Leiterin der Osteoporose- Ambulanz an der Unfallchirurgischen Abteilung des Wilhelminenspitals, Wien. ASPatienten zeigten im Vergleich zu gleichaltrigen Gesunden eine höhere Prävalenz von Osteoporose (9,7 % vs. 0 % ) und Osteopenie (57,5 % vs. 34,9 % ).<sup>3</sup> AS-Patienten mit Osteoporose waren in dieser Studie tendenziell älter, männlich, hatten eine längere Krankheitsdauer und die Osteoporose trat häufiger in der Hüfte auf. Risikofaktoren für Osteoporose an der Hüfte bei AS waren das männliche Geschlecht, Alter, Hüftbeteiligung und eine fehlende regelmäßige Behandlung. Die Risikofaktoren für Osteoporose in der LWS bei AS waren eine hohe Krankheitsaktivität, juveniler Beginn, Morgensteifigkeit (>0,5h) und eine erhöhte BSG.<sup>5</sup></p> <p>Die Syndesmophyten zeichnen für die „harte Schale“ bei der Spondylitis ankylosans verantwortlich. Sie entwickeln sich durch die lokale Entzündung und bilden „Knochenbrücken“ aus, die zu einer Versteifung der Wirbelsäule führen und die Knochenbrüchigkeit somit auch mechanisch erhöhen. Schrittweise kommt es anfangs zum Knochenabbau und dann mit der Ausbildung von Osteoblasten zum Knochenaufbau. Ähnlich wie eine Enthesitis bei PsA spielen inflammatorische Faktoren (Interleukine und hier vor allem TNF-alpha, IL-17 und IL-23) auch eine Rolle bei axialen SpA. Diese tragen zu einem gestörten Knochenaufbau bei und erhöhen somit das Risiko für Osteoporose und Frakturen. Zusätzlich ist die reduzierte Mobilität in der Wirbelsäule ein Risikofaktor für vermehrte Stürze und damit Wirbelkörperfrakturen. „Eine versteifte Wirbelsäule kann zu spinalen Frakturen führen. Der Bruch verläuft ähnlich wie bei einem Röhrenknochen“, so Thun.</p> <h2>Biomarker des „bone metabolism“ bei AS</h2> <p>Patienten mit Spondylitis ankylosans und hoher Aktivität im Rahmen der Grunderkrankung zeigen erhöhte Spiegel an proinflammatorischen Zytokinen und Akute-Phase-Proteinen, die mit gesteigerten Knochenumbaumarkern vergesellschaftet sind.<sup>6</sup> Eine systemische Inflammation beeinflusst somit den Knochenstoffwechsel an zwei Schaltstellen: Einerseits vermindert sie den Knochenaufbau, andererseits steigert sie den Knochenabbau durch das RANKL-System. Diese zwei Faktoren führen allgemein zu einem erhöhten Osteoporose- und Frakturrisiko der Patienten mit AS.<br /> Eine Untersuchung von 53 108 Patienten mit Frakturen ergab, dass das Frakturrisiko bei Patienten mit AS höher ist als bei Patienten mit rheumatoider Arthritis (RA). Insbesondere Wirbelkörperfrakturen treten weitaus häufiger auf (OR: 7,1 vs. 2,7).<sup>7</sup></p> <h2>Lokalisation der Frakturen</h2> <p>Die Frakturen treten bei geringsten Traumen oder sogar spontan hauptsächlich im BWS-Bereich auf und sind zu 82 % im Bereich TH8-L2 lokalisiert. Frakturen können aber auch in der HWS auftreten,<sup>8</sup> teilweise mit schweren neurologischen Ausfällen.<sup>9</sup><br /> Die Wirbelsäulenfrakturen bei AS-Patienten sind gekennzeichnet durch eine schlechte Frakturheilung und eine Neigung zu Pseudoarthrose mit Instabilität und machen daher nicht selten eine Operation notwendig. 60 % der HWS-Frakturen sind durch ein Röntgen nicht nachweisbar, womit die Diagnose erschwert ist.<sup>10</sup> Bei unklaren Fällen ist eine CT der Wirbelsäule indiziert, da man schwer unterscheiden kann, ob Schmerzen auf eine Fraktur oder die Inflammation zurückzuführen sind. Bei einer Verschlimmerung der Schmerzen in der Wirbelsäule bei SpA sollte zwangsläufig an eine Fraktur gedacht bzw. eine solche ausgeschlossen werden.</p> <h2>Rheumatherapie hilft auch dem Knochen</h2> <p>Effektive Behandlungen gegen Entzündungen haben auch einen positiven Einfluss auf die Knochenmineraldichte. „Die evidenzbasierte Empfehlung lautet, dass eine optimale Kontrolle der Krankheitsaktivität bei AS den Knochenverlust verhindert“, so Thun.<br /> Die Behandlung einer manifesten Osteoporose bei AS-Patienten mit einer spezifischen Antiosteoporosetherapie ist sinnvoll. Es ist aber auch wesentlich, die Krankheitsaktivität mit antiinflammatorischen Medikamenten zu unterdrücken. Hierfür stehen einige Antikörper zur Verfügung, einerseits jene, die schon seit Jahrzehnten Verwendung finden, wie die TNF-Blocker (Etanercept, Infliximab, Adalimumab, Certolizumab, Golimumab), und andererseits neuere Biologicals, wie der IL-17-Antikörper Secukinumab und ein monoklonaler Antikörper gegen IL-12 und IL-23 (Ustekinumab). „Das heißt für uns, dass es trotz ‚harte Schale – weicher Kern‘ möglich ist, nun gezielt zu therapieren und damit Brüchen vorzubeugen“, so Thun.</p> <h2>ACPA und „Pre-Arthritis“</h2> <p>Daten über den Verlauf von zehn Jahren zeigen, dass die Knochendichte bei RA-Patienten mit CCP-Antikörpern im Vergleich zu den seronegativen RA-Patienten signifikant niedriger, die Frakturhäufigkeit deutlich erhöht ist.<sup>11</sup> „Wir wissen, dass CCP-Antikörper bis zu 14 Jahre vor der eigentlichen Erkrankung auftreten können“, erklärte PD Dr. Jürgen Rech, Univ.-Klinik Erlangen.<sup>12–14</sup> Es gibt auch eine genetische Assoziation, mit der der Patient eventuell vulnerabler ist, Anti-CCP zu entwickeln. Ungünstige genetische Voraussetzungen und Lebensstilfaktoren (ein rauchender Patient etwa hat ein 21-fach höheres Risiko, eine RA zu bekommen<sup>15</sup>) fördern das Risiko, dass es durch einen banalen Infekt bzw. ein banales Ereignis zum ersten „Hit“ kommt. „Mit dem Verlust der Selbsttoleranz geht die ACPA-Bildung und damit die Neigung zur Osteoklastenaktivierung einher, was aber nicht zwingend zu einer RA führen muss. Jedoch kann zum Beispiel ein zweiter Infekt bzw. ein zweites Ereignis oder das Auftreten einer Synovitis die Entstehung einer manifesten RA verursachen“, so Rech.<br /> ACPA haben eine indirekte Wirkung auf die Osteoklasten: Durch ACPA-haltige Immunkomplexe kommt es zur Zytokinausschüttung und zur Osteoklastenvorläuferaktivierung, die zu Osteoklasten und zur Zerstörung des Knochens führen. Über ACPA-haltige Immunkomplexe können sich die ACPA aber auch direkt auf die Osteoklastenvorläufer setzen, wo es in der Folge zur Aktivierung und zum Knochenabbau kommt.<br /> Weiß man um den negativen Einfluss von ACPA auf den Knochen, kann es sinnvoll sein, Patienten ohne eindeutige klinische Zeichen einer RA – etwa bei „lediglich“ bestehenden Arthralgien >6 Wochen – zu untersuchen. Bei einem dann rechtzeitigen Einstieg in die Therapie können so eventuell nicht nur Komorbiditäten, sondern auch möglicherweise eine Synovitis und damit auch das Vollbild einer RA verhindert werden. Kleyer et al. konnten zeigen, dass bei Menschen, die ACPA-positiv sind, bereits vor einem RA-Onset strukturelle Veränderungen auftreten und es zu einem Knochenverlust kommt.<sup>16</sup> Solche Erosionen machen zwar noch keine Erkrankung aus, jedoch gibt es ACPA-positive Patienten, die auch auffällig im Sinne von Knochendichteveränderungen sind.<br /> Wenn ACPA tatsächlich einen Pre- Marker für eine Erkrankung darstellen, müsse diesem Umstand erhöhte Aufmerksamkeit geschenkt werden, meinte Rech. Im MRT lässt sich bei diesen Patienten oft auch eine subklinische Inflammation nachweisen, die primär meist im Bereich des Handgelenkes auftritt. „Wahrscheinlich gibt es für jeden einzelnen Patienten eine Art Threshold, und bei Überschreitung des individuellen Levels tritt eine Erkrankung leichter auf als bei Patienten, die an der Grenze sind oder sehr niedrige Werte haben“, so Rech. Zwei Biologika (Rituximab, Abatacept) können CCP-Antikörper reduzieren.<sup>17</sup> In einer eigenen Studie will Rech nun nachweisen, dass der Einsatz von Abatacept tatsächlich den Krankheitsdurchbruch verzögern, vielleicht sogar den Ausbruch verhindern kann.<sup>18</sup></p></p>
<p class="article-quelle">Quelle: 26. Osteoporoseforum, 3.–5. Mai 2018, St. Wolfgang
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
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<p><strong>1</strong> Calin A et al.: JAMA 1977; 237: 2613-4 <strong>2</strong> Rudwaleit M et al.: Arthritis Rheum 2006; 54(2): 569-78 <strong>3</strong> Brophy S et al.: J Rheumatol 2002; 29(6): 1236-43 <strong>4</strong> Sieper J et al.: Ann Rheum Dis 2002; 61(Suppl 3): 8-18 <strong>5</strong> Wang DM et al.: Clin Exp Rheumatol 2015; 33(4): 465-70. Epub 2015 May 11 <strong>6</strong> Magrey M et al.: Curr Rheumatol Rep 2010; 12(5): 332-6 <strong>7</strong> Weiss RJ et al.: J Rheumatol 2010; 37: 2247-50 <strong>8</strong> Stenhouse G et al.: BMJ 2014; 348: g3849 <strong>9</strong> Vosse D et al.: J Rheumatol 2004; 31(10): 1981-5 <strong>10</strong> Anwar F et al.: Eur Spine J 2011; 20(3): 403-7 <strong>11</strong> Kleyer A et al.: Ann Rheum Dis 2014; 73(5): 854-60 <strong>12</strong> Kraan MC et al.: Arthritis Rheum 1998; 41: 1481 <strong>13</strong> Berglin E et al.: Arthritis Res Ther 2004; 6: R303-8 <strong>14</strong> Nielen MM et al.: Arthritis Rheum 2004; 50: 380-6 <strong>15</strong> Klareskog L et al.: Arthritis Rheum 2006; 54(1): 38-46 <strong>16</strong> Kleyer A et al.: Ann Rheum Dis 2014; 73(5): 854-60 <strong>17</strong> Wunderlich C et al.: Semin Arthritis Rheum 2016; 46(6): 709-14 <strong>18</strong> ARIAA; EudraCT Nr. 2014- 000555-93</p>
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