Swiss Female Orthopaedics

Frauen in der Orthopädie fördern

In der Schweiz sind zwei Drittel der Medizinstudenten weiblich, aber nur ein kleiner Bruchteil will Orthopädin werden. Als Netzwerk und mit Mentorship-Programmen wollen die Swiss Female Orthopaedics mehr Frauen für das Fach begeistern und sie bei ihrer Karriere unterstützen. Beim Jahreskongress der swiss orthopaedics stellten sie ihre Pläne vor.

Vor einem Jahr haben Jasmin Diallo (Langenthal), Nermine Habib (Fribourg), Frances Weidermann (Rheinfelden) und Corinne Zurmühle (Fribourg) die Organisation Swiss Female Orthopaedics gegründet, die derzeit schon über 100 Mitglieder hat. Die Mission ist die Förderung von Ärztinnen in der Orthopädie.

Lecks in der Pipeline

«Die Universität Zürich war die erste im deutschen Sprachraum, die weibliche Studenten akzeptierte», erinnerte Dr. med. Weidermann an die Vorreiterrolle der Schweiz in Sachen Frauenstudium. Bereits Mitte des 19.Jahrhunderts konnten Frauen in Zürich immatrikulieren; in den meisten anderen europäischen Ländern war dies erst ab Beginn des 20. Jahrhunderts möglich. «Heute sind zwei Drittel der Studienanfänger und ebenso viele Medizinstudenten weiblich», so Weidermann. Der Frauenanteil in den meisten Fachdisziplinen liegt laut BAG ebenfalls bei 50–60%. In einzelnen Bereichen wie Kinder- und Jugendheilkunde oder Gynäkologie und Geburtshilfe ist er sogar deutlich höher. Eine Ausnahme nach unten bildet das Fach orthopädische Chirurgie: Hier haben laut Medizinalberuferegister des BAG im Jahr 2020 nur 13% Frauen den Weiterbildungstitel erworben. «In leitenden Positionen sind Orthopädinnen nur mehr zu 1,4% vertreten», berichtete Weidermann.

Das Board der Swiss Female Orthopaedics: Corinne Zurmühle, Jasmin Diallo, Frances Weidermann, Nermine Habib

Orthopädie an Studentinnen herantragen

Mit jedem Karriereschritt fallen also mehr Frauen für die Orthopädie weg. Wohin verschwinden die Studentinnen? Dieser Frage gingen die Swiss Female Orthopaedics nach, indem sie im Zeitraum 2020–2021 den Frauenanteil unter den Medizinstudenten in der Schweiz (67,2%), den Prozentsatz der Kandidatinnen für die Facharztprüfung Orthopädie und Traumatologie (28,1%) und der weiblichen Juniormitglieder der Schweizerischen Gesellschaft für Orthopädie (26,4%) ermittelten.1

Die Ergebnisse sprechen dafür, dass sich zu Beginn der Facharztausbildung viele Frauen gegen eine Ausbildung in der Orthopädie entscheiden. Dies könnte verschiedene Gründe haben: Mangel an weiblichen Vorbildern, Hindernisse für die Familienplanung und mangelnde Work-Life-Balance, Vorurteile und Diskriminierung. In einer Umfrage von 2015 wurde als häufigster Grund angegeben, dass man während des Studiums zu wenig mit orthopädischer Chirurgie in Berührung käme.2 Hier wollen die Swiss Female Orthopaedics ansetzen. «Um die Orthopädie für Studentinnen attraktiver zu machen, ist es vor allem notwendig, dass man während der Ausbildung die Orthopädie genauer kennenlernt», sagte Dr. med. Zurmühle. Eine Möglichkeit wäre es, nach dem Vorbild der Bostoner Initiative B.O.N.E.S. (Bringing Orthopedics to New England Students of Medicine)3 spezielle Workshops anzubieten.

Mehr Frauen für Technik und Medizin zu begeistern ist auch das Ziel der «Perry Initiative». Diese Non-Profit-Organisation bietet in den USA unter anderem ein «Medical Student Outreach Program» (MSOP) an, um Medizinstudentinnen für die Orthopädie zu gewinnen. Mit Erfolg: Fast jede dritte Teilnehmerin entschied sich für die Orthopädie.4

Vorbilder schaffen

Aber nicht nur auf Studentenebene müssten die Lecks in der Pipeline gestopft werden. «In weiterer Folge braucht es vor allem weibliche Vorbilder und Mentorinnen», betonten Dr. med. Zurmühle und Dr. med. Diallo. Orthopädinnen seien auf vielen Ebenen unterrepräsentiert, etwa als Referentinnen bei Fachkongressen.5 «Hier sollte eine proportionale Genderrepräsentation angestrebt werden», meinte Zurmühle.

Orthopädinnen erhalten auch weniger Auszeichnungen und Preise als ihre männlichen Kollegen, wie eine Erhebung aus den USA belegte.6 Dass dies nicht gerechtfertigt ist, zeigt die Tatsache, dass in verblindeten Auswahlverfahren die Arbeiten von Frauen besser bewertet werden. Die Autorinnen dieser Studie schlagen vor, dass die Auswahlverfahren für Preise standardisierten Kriterien folgen sollten und dass sich die Komitees aus entsprechenden Anteilen an Frauen und Männern zusammensetzen, um Voreingenommenheit bei der Vergabe zu reduzieren.

Gut gemischte Teams – das wünschen sich die Swiss Female Orthopaedics nicht nur in Preiskomitees, sondern auch auf allen Stufen der orthopädischen Karriereleiter, damit es in Zukunft genügend weibliche «Role Models» für Studentinnen und Jungärztinnen gibt.

Programme für Karriere- und Familienplanung fördern

In einer Umfrage, die Dr. med. Diallo direkt bei der Jahrestagung durchgeführt hat, wurde Mutterschaftsurlaub vom Grossteil der Befragten als ein Grund angegeben, der einer Karriere als orthopädischer Chirurgin im Wege steht. Auch daran möchten die Swiss Female Orthopaedics arbeiten. Lösungsvorschläge reichen von Kinderbetreuung im Spital und Förderung von Teilzeitarbeit bis hin zu flexiblen Wiedereinstiegsprogrammen nach internationalem Vorbild, wie z.B. das Programm «SuppoRTT» in England.

Internationale Aktivitäten in WOW

Auch in anderen Ländern gibt es Bestrebungen, Hindernisse in der Gleichstellung und Einbeziehung von Frauen in der orthopädischen Chirurgie aus dem Weg zu räumen. Mehr als 40 Gesellschaften und Organisationen haben sich in der 2021 gegründeten Organisation WOW (Women in Orthopaedics Worldwide) vereint ( www.wowortho.org ).

Machen Sie mit!

Abschliessend rief Dr. med. Habib zur Mitarbeit bei den Swiss Female Orthopaedics auf: «Wir suchen Unterstützung in den Bereichen Statistik, Mentorship-Programme, Schwangerschaft und Familienplanung, Networking und Events, Social Media und Webinare, Industrie und Ergonomie.»

Kontakt: mail@swissfemaleorthopaedics.ch
Weblink: www.swissfemaleorthopaedics.ch

82. Jahreskongress swiss orthopaedics, 22.–24. Juni 2022, Basel

1 Habib N et al.: Women in orthopaedics: Where do the female students disappear? 82. Jahreskongress swiss orthopaedics 2022; FM059 2 Miller EK, LaPorte DM: Barriers to women entering the field of orthopedic surgery. Orthopedics 2015; 38(9): 530-3 3 Brandon EE, Rozental TD: Expanding the orthopaedic pipeline: the B.O.N.E.S. initiative. J Surg Educ 2020; 77(3): 704-9 4 Lattanza LL et al.: The Perry Initiative’s medical student outreach program recruits women into orthopaedic residency. Clin Orthop Relat Res 2016; 474(9): 1962-6 5 Gerull KM et al.: Are women proportionatelly represented as speakers at orthopaedic surgery annual meetings? A cross-sectional analysis. Clin Orthop Relat Res 2020; 478(12): 2729-40 6Gerull MD et al.: Is the distribution of awards gender-balanced in orthopaedic surgery societies? Clin Orthop Relat Res 2021; 479(1): 33-43

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