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Endoprothese versus Suspensionsarthroplastik: mittelfristige Ergebnisse
Jatros
Autor:
OA Dr. Wolfgang Huber
Handteam, Abteilung für Orthopädie und orthopädische Chirurgie, Herz-Jesu Krankenhaus, Wien
30
Min. Lesezeit
15.09.2016
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<p class="article-intro">Die Implantation von Daumensattelgelenksprothesen zeigt einen deutlichen Aufwärtstrend. Trotzdem wird dieser Methode mit großer Skepsis begegnet. Die Resultate unserer retrospektiven Vergleichsstudie zeigen, dass DSG-Prothese und Arthroplastik in den klinischen Resultaten gleichwertig abschneiden.</p>
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<p class="article-content"><p>Die operative Versorgung der Rhizarthrose bietet mehrere Möglichkeiten. Neben dem Goldstandard der Resektionsarthroplastik, die in einer Vielzahl von unterschiedlichen Techniken Anwendung findet, sind die Arthrodese und die Implantation einer Daumensattelgelenks(DSG)-Endoprothese zu nennen.<br /> Die Arthrodese wird wegen ihrer funktionell mäßigen Resultate und der Gefahr einer Pseudarthrose praktisch nicht mehr verwendet. Hingegen zeigt die Implantation einer DSG-Endoprothese einen deutlichen Aufwärtstrend. Dennoch wird dieser Methode in der handchirurgischen Gesellschaft mit großer Skepsis begegnet. Die Gründe sind vielfältig. So wurden verschiedene Materialien und sehr unterschiedliche Designs getestet, die hohe Lockerungsraten und schlechte kurzfristige Resultate zeigten.<sup>1–3</sup><br /> Die derzeit am häufigsten verwendeten und sicher auch erfolgreichsten Prothesenmodelle basieren alle auf modularen Systemen, die aus einer Kombination aus unterschiedlichen Schaftgrößen mit geraden und inklinierten Hals-Kopf-Teilen und einer Pfanne aufgebaut sind. Die Implantation erfolgt vergleichbar mit der einer Hüftprothese.<sup>4</sup> Auch von diesen Endoprothesentypen gibt es derzeit eine große Anzahl am Markt. Sie unterscheiden sich in der Art der Pfannenfixierung und der Gleitpaarung. Die Schäfte werden in der Regel mit einer Beschichtung zur besseren ossären Integration angeboten und sind sich hinsichtlich Design und Präparation sehr ähnlich.<br /> Die Frage, die sich stellt, ist: Kann die Endoprothese im mittelfristigen Verlauf die Resultate der Arthroplastik erreichen? Ziel unserer retrospektiven Untersuchung war der klinische und radiologische Vergleich zweier Gruppen im Verlauf, wobei eine Gruppe mit einer DSG-Endoprothese und die andere mit einer Arthroplastik versorgt wurde.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Ortho_1605_Weblinks_Seite72_1.jpg" alt="" width="382" height="934" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Ortho_1605_Weblinks_Seite72_2.jpg" alt="" width="381" height="658" /></p> <h2>Patienten und Methode</h2> <p>Im Zeitraum von Mai 2007 bis Mai 2011 wurden 32 zementfreie DSG-Endoprothesen und 32 Arthroplastiken bei 52 weiblichen Patienten implantiert. In der Gruppe der DSG-Endoprothesen wurden 7 Patientinnen beidseits, in der Arthroplastik-Gruppe 5 Patientinnen beidseits versorgt. Das Durchschnittsalter zum Zeitpunkt der Operation betrug in der DSG-Endoprothesen-Gruppe 59,2 Jahre, in der anderen Gruppe 63,1 Jahre. Die erste Nachuntersuchung wurde nach durchschnittlich 2 Jahren, die letzte Kontrolle nach durchschnittlich 6,7 Jahren durchgeführt.<br /> Die verwendete DSG-Endoprothese Typ Ivory (Firma Memometal, Styker, Medberg Solutions) wurde über einen dorsoradialen Zugang implantiert (Abb. 1). Die Nachbehandlung erfolgte in Form von zweiwöchiger Ruhigstellung mit einem Daumeneinschlussgips, danach erhielten die Patientinnen eine Ergoschiene für weitere 2 Wochen, eine Ergotherapie wurde nach Abnahme des Gipses begonnen. Die andere Gruppe wurde mit einer modifizierten Hammock-Plastik, einer Resektions-Suspensionsplastik, behandelt (Abb. 2).<sup>5</sup> Die postoperative Gips- und Schienenversorgung dauerte jeweils 1 Woche länger.<br /> Die Nachuntersuchung beider Gruppen umfasste die Erhebung folgender klinischer Parameter: der Bewegungsumfang in radialer und palmarer Abduktion sowie Flexion und die Bewegungsprüfung nach Kapandji, die Kraftprüfung hinsichtlich des Key-, des Pinch- und des Jamartests sowie die Überprüfung der Hyperextension des ersten Strahls. Zusätzlich wurden das Schmerzempfinden nach der VAS und der DASH-Score erhoben. Die radiologische Auswertung umfasste Handröntgen in zwei Ebenen zur Beurteilung der Prothese und der Stellung des Daumens nach durchgeführter Arthroplastik.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Ortho_1605_Weblinks_Seite72_3.jpg" alt="" width="380" height="660" /></p> <h2>Resultate</h2> <p>Die Ergebnisse der VAS zeigten präoperativ und nach beiden Kontrollen der Gruppen einen ähnlichen Verlauf. Gegenüber dem präoperativen Zustand ergab sich eine signifikante Verbesserung der Schmerzsituation zu beiden postoperativen Zeitpunkten, jedoch kein signifikanter Unterschied zwischen beiden Gruppen zu einem postoperativen Zeitpunkt (Tab. 1).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Ortho_1605_Weblinks_Seite70.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <p>Hinsichtlich der ROM zeigten die Gruppen zu beiden Nachkontrollen nur minimale Abweichungen voneinander (Tab. 2). Als einzig auffallend und signifikant höher erwies sich die Hyperextension in der Gruppe der Arthroplastiken gegenüber den Prothesen bei beiden Nachuntersuchungen.<br /> Der DASH zeigte einen Mittelwert von 18,78 nach 2 Jahren und einen Mittelwert von 21,04 nach 6,7 Jahren. Die entsprechenden Werte in der Prothesengruppe waren 19,84 und 21,21. So ergab sich auch in diesem Fall kein signifikanter Unterschied beider Gruppen.<br /> Die Auswertung der Röntgenbilder der Prothesengruppe zeigte eine minimale Verlängerung des Daumens um durchschnittlich 2mm. Die Auswertung zeigte keine Lockerung der Pfanne und des Schaftes. 5 Schäfte waren valgisch oder varisch implantiert, die restlichen zeigten eine orthograde Implantation. 13 Pfannen wiesen eine dezentrierte Lage auf. In der Arthroplastikgruppe kam es nach 2 Jahren zu einer Verkürzung des Daumens um durchschnittlich 3mm, nach der letzten Untersuchung um 4mm. Nach 2 Jahren wiesen 2 Patienten und nach 6,7 Jahren 12 Patienten eine Hyperextension im Daumengrundgelenk auf.<br /> An Komplikationen gaben 6 Patienten beider Gruppen ein störendes Taubheitsgefühl im Bereich des OP-Gebietes an. 1 Patient (3 % ) der Arthroplastikgruppe benötigte wegen einer Instabilität eine Revision, in der Prothesengruppe wurden 4 Patienten (12,5 % ) einer Revision unterzogen. 1 Patient hatte eine Luxation, 3 weitere eine Vernarbung im Bereich des Ramus superficialis n. radii, die mittels Neurolyse behandelt wurde.<br /> Auf die Frage, ob die Patienten die gleiche OP nochmals durchführen lassen würden, antworteten 85 % der Arthroplastikgruppe und 94 % der Prothesengruppe mit „Ja“.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Ortho_1605_Weblinks_Seite71.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <h2>Diskussion und Schlussfolgerung</h2> <p>Die Resultate unserer retrospektiven Vergleichsstudie zeigen, dass DSG-Prothese und Arthroplastik in den klinischen Resultaten gleichwertig abschneiden. Keine der beiden Methoden zeigt statistisch einen Vorteil, die Zufriedenheit ist in beiden Gruppen sehr hoch. Einzig die Hyperextension war signifikant unterschiedlich zwischen beiden Gruppen. Der Grund ist die vermehrte Beweglichkeit bei Streckung in der Arthroplastikgruppe, die teilweise als eine Instabilität zu werten ist und als nicht erwünscht angesehen werden kann. Beide Methoden führen zu einer sehr zufriedenstellenden Schmerzreduktion und einem guten funktionellen Ergebnis.<br /> Der häufig geäußerten Meinung, dass die DSG-Prothesen nur eine kurze Standzeit haben, kann widersprochen werden. Es zeigen verschiedene Berichte ein Versagen in der Frühphase nach einer Implantation, wobei dies hauptsächlich auf Problemen im Pfannenbereich beruht.<sup>6–8</sup> So werden frühe Pfannenlockerungen und auch Brüche des Trapeziums beschrieben, die nicht selten durch die fehlende chirurgische Erfahrung entstehen. So führt ein zu tiefes und dezentriertes Präparieren des Pfannenlagers unweigerlich zu einer schlechten primären Fixierung der Pfanne. Nur ein Prothesentyp zeigte wegen der verwendeten Gleitpaarung (MoM) ein Versagen im Verlauf mit dem typischen Bild einer Metallose und verschiedenen Folgekomplikationen. Dieses Produkt ist nicht mehr am Markt.<sup>7</sup> <br /> Aber auch die Arthroplastiken sind nicht ohne Probleme für den Patienten. Neben der Proximalisierung des ersten Strahls kommt es zu Instabilitäten, Nerven­irritationen im OP-Gebiet, unangenehmen und therapieresistenten Narbenschmerzen und Schmerzen in der Zone der gewonnenen Sehne bei den Aufhängeplastiken.<sup>9, 10</sup> Zusätzlich ist die postoperative Rehabilitation länger und aufwendiger, ein Faktum, das besonders für berufstätige Personen älter als 50 Jahre in der heutigen Arbeitswelt ein wichtiges Entscheidungskriterium in Hinsicht auf die Behandlung darstellt.<br /> Die Entscheidung, welche der beiden Methoden verwendet wird, sollte sich aus folgenden Kriterien zusammensetzen: Alter, Alltagsaktivitäten und Berufsbild des Patienten sowie Form und Qualität des Trapeziums. Älteren Patienten sollte wegen des geringeren Anspruchs und der wahrscheinlich schlechteren Knochenqualität eine Arthroplastik angeboten werden, bei manuell schwer arbeitenden Personen zeigte sich in den Studien eine höhere Versagensrate bei den Prothesen. Neben der Knochenqualität ist auch die Größe des Trapeziums ein Entscheidungskriterium für die Verwendung einer Prothese: Ist die geforderte Tiefe des Knochens von mindestens 9mm nicht gegeben, kann die Pfanne nicht sicher implantiert werden. Während der OP ist neben einer sparsamen knöchernen Resektion an den Gelenkspartnern und einem ausgiebigen Kapselrelease vor allem auf eine optimale zentrierte Implantation der Pfanne unter Verwendung eines Bildwandlers zu achten.<br /> Die Indikationsstellung zur Implantation einer Daumensattelgelenksprothese sollte stets kritisch gesehen werden und unter Beachtung der oben genannten Kriterien erfolgen. Diese Tatsache kennen wir auch von anderen Teilbereichen in der Endoprothetik, wie an der Schulter, dem Ellbogen oder dem Sprunggelenk. Sollten Zweifel bestehen, so steht uns mit der Arthroplastik immer noch eine verlässliche Alternative zur Verfügung, die gute klinische Resultate garantiert.</p></p>
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