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Eine Frage der Mechanik

<p class="article-intro">Zusammen mit der University of Pittsburgh und der Universitätsklinik Balgrist entschlüsselt die Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa) die Mechanik der unteren Rückenwirbel. Neue Untersuchungsmethoden helfen, den Verschleiss an Wirbelkörpern und Bandscheiben besser zu verstehen. Insbesondere Patienten nach Spondylodese sollen davon profitieren.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Die einen sagen, R&uuml;ckenschmerzen seien der Preis f&uuml;r den aufrechten Gang. Die anderen meinen, das Problem habe erst begonnen, als der Mensch sich hingesetzt habe, um nachzudenken: Mangelnde Bewegung schw&auml;cht die Muskeln, dazu kommt Stress im Privatleben oder am Arbeitsplatz. Die R&uuml;ckenmuskeln verkrampfen und tun weh.<br /> Meist l&auml;sst sich das Problem durch Lockerung und St&auml;rkung der R&uuml;ckenmuskeln beheben. Doch bei jedem siebten Betroffenen gelingt dies nicht; selbst die Verabreichung von Opiaten hilft dann nicht mehr. Nur eine Operation kann das Leiden beenden. <br /> In schweren F&auml;llen werden defekte R&uuml;ckenwirbel oder Bandscheiben mit einer Metallkonstruktion &uuml;berbr&uuml;ckt. Das fixierte Segment verkn&ouml;chert und kann zun&auml;chst keine Schmerzen mehr ausl&ouml;sen. Doch derartige Reparaturoperationen bringen den Patienten nur f&uuml;r wenige Jahre Linderung, dann tritt das Problem an den benachbarten Wirbeln erneut auf. Die Frage ist: Warum ist das so, und wie k&ouml;nnte man das verhindern?<br /> Bernhard Weisse forscht mit seinem Team an der Empa an genau diesen mechanischen Fragen. Um zu verstehen, warum und wie schnell eine Bandscheibe verschleisst, m&uuml;ssen die Forscher die Kr&auml;fte kennen, die in diesem Bereich wirken. Und dazu wiederum braucht es eine exakte Kenntnis der Form, der Elastizit&auml;t und der Beweglichkeit der einzelnen Elemente &ndash; es ist eine Fragestellung f&uuml;r Maschinenbauingenieure.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2015_Leading Opinions_Ortho_1502_Weblinks_Seite36.jpg" alt="" width="274" height="343" /></p> <h2>Der Skelett-Simulator</h2> <p>In einem ersten Schritt feilten die Empa-Forscher an der theoretischen Grundlage: Weisses Team f&uuml;tterte Wirbels&auml;ulengeometriedaten von 81 Patienten in das Computerprogramm Open Sim &ndash; ein von der Stanford University entwickeltes, weltweit genutztes Simulationsprogramm f&uuml;r den menschlichen Bewegungsapparat. Dann galt es, die Biomechanik in der Computersimulation m&ouml;glichst genau abzubilden: Verh&auml;lt sich eine Bandscheibe wie ein Kugelgelenk? Oder eher wie ein Gummilager? Welchen Einfluss haben die Muskeln dabei &ndash; bleibt das Gummilager immer gleich steif oder ver&auml;ndert sich die Steifigkeit, abh&auml;ngig vom Biegungswinkel? Hierf&uuml;r arbeitete die Empa mit dem Laboratorium f&uuml;r orthop&auml;dische Biomechanik der Uniklinik Balgrist (Universit&auml;t Z&uuml;rich) und dem Institut f&uuml;r Biomechanik der ETH Z&uuml;rich zusammen. <br /> Den Wissenschaftlern gelang es mithilfe des Computermodells, die Mechanik nachzubilden. Ergebnis: Bei Menschen mit einer bestimmten Fehlstellung der Wirbels&auml;ule sind die Bandscheiben schon im gesunden Zustand um bis zu 34 % st&auml;rker belastet. Geht eine Bandscheibe kaputt und wird &uuml;berbr&uuml;ckt, steigt die Belastung in den Nachbargelenken noch weiter an und kann bis zu 45 % h&ouml;her sein als bei Menschen ohne diese Fehlstellung.</p> <h2>Digital Stereo-X-Ray Imaging</h2> <p>Doch die Computeranalyse eines Gesundheitsproblems allein reicht nicht. Ziel ist es, f&uuml;r jeden Patienten eine individuelle Diagnose zu stellen und die passende Therapie zu empfehlen. Eine Kooperation mit US-Wissenschaftlern, finanziert vom Schweizerischen Nationalfonds, half hier weiter: Forscher der University of Pittsburgh haben ein neuartiges 3-D-R&ouml;ntgen-Videosystem entwickelt. Es nennt sich &bdquo;Digital Stereo-X-Ray Imaging&ldquo; (DSX) und kann die Bewegung der Wirbels&auml;ule mit 250 Bildern pro Sekunde wiedergeben, w&auml;hrend die Position der Wirbel auf 0,2 Millimeter genau zu sehen ist. Der Trick dabei: Die unscharfen R&ouml;ntgenbilder der Bewegung werden mit scharfen CT-Bildern des still liegenden Patienten im Computer kombiniert. <br /> Einer der in Pittsburgh t&auml;tigen Forscher, Ameet Aiyangar, war bereits im Jahr 2009 als Gastwissenschaftler an der Empa und kehrt nun an die Empa zur&uuml;ck. In Pittsburgh hat er zw&ouml;lf gesunde Menschen Gewichte heben lassen und hochaufl&ouml;sende Filme ihrer Wirbels&auml;ulenbewegung produziert. Derzeit ist Aiyangar dabei, die aufgenommenen R&ouml;ntgenfilme mit den Computermodellen des jeweiligen Probanden abzugleichen. <br /> Nachdem das Modell f&uuml;r gesunde Menschen stimmig ist, wollen die Forscher mit dieser Methode die Problematik der Spondylodese untersuchen. Dazu werden Patienten vor und nach der Operation mit dem DSX-System gefilmt und die Bewegung ihrer Wirbel wird analysiert. So l&auml;sst sich bestimmen, welche Kr&auml;fte im Bereich der unteren Wirbels&auml;ule vor der Operation gewirkt haben und was die &Uuml;berbr&uuml;ckung der Wirbel an dieser Kr&auml;fteverteilung ge&auml;ndert hat. Die Untersuchung wird helfen, den Verschleiss von R&uuml;ckenwirbeln besser zu verstehen und die Ursache von Schmerzen im unteren R&uuml;ckenbereich genauer zu lokalisieren. In Zukunft k&ouml;nnte es eine derartige Computeranalyse f&uuml;r alle R&uuml;cken-OP-Patienten geben.</p></p> <p class="article-quelle">Quelle: Empa www.empa.ch </p>
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